kleine Nachbarschaft, fieng gleich darauf an zu bauen, setzte noch zween schöne Flü- gel an beyden Seiten des Hauses, pflanzte Alleen und einen artigen Lustwald, alles in englischem Geschmack. Er betrieb die- sen Bau mit dem größten Eifer. Gleich- wohl hatte er von Zeit zu Zeit eine düstre Miene, die der Baron wahrnahm, ohne anfangs davon etwas merken zu lassen, bis er in dem folgenden Herbst einer Ge- müthsveränderung des Obersten überzeugt zu seyn glaubte, bey welcher er nicht län- ger ruhig seyn konnte. Sternheim kam nicht mehr so oft, redete weniger, und gieng bald wieder weg. Seine Leute be- dauerten die ungewöhnliche Melancholie, die ihren Herrn befallen hatte.
Der Baron wurde um so viel mehr bekümmert, als sein Herz von der zurück- gefallnen Traurigkeit seiner ältern Schwe- ster beklemmt war. Er gieng zum Ober- sten, fand ihn allein und nachdenkend, umarmte ihn mit zärtlicher Wehmuth, und rief aus: -- "O mein Freund! wie nichtig sind auch die edelsten, die lauter-
sten
kleine Nachbarſchaft, fieng gleich darauf an zu bauen, ſetzte noch zween ſchoͤne Fluͤ- gel an beyden Seiten des Hauſes, pflanzte Alleen und einen artigen Luſtwald, alles in engliſchem Geſchmack. Er betrieb die- ſen Bau mit dem groͤßten Eifer. Gleich- wohl hatte er von Zeit zu Zeit eine duͤſtre Miene, die der Baron wahrnahm, ohne anfangs davon etwas merken zu laſſen, bis er in dem folgenden Herbſt einer Ge- muͤthsveraͤnderung des Oberſten uͤberzeugt zu ſeyn glaubte, bey welcher er nicht laͤn- ger ruhig ſeyn konnte. Sternheim kam nicht mehr ſo oft, redete weniger, und gieng bald wieder weg. Seine Leute be- dauerten die ungewoͤhnliche Melancholie, die ihren Herrn befallen hatte.
Der Baron wurde um ſo viel mehr bekuͤmmert, als ſein Herz von der zuruͤck- gefallnen Traurigkeit ſeiner aͤltern Schwe- ſter beklemmt war. Er gieng zum Ober- ſten, fand ihn allein und nachdenkend, umarmte ihn mit zaͤrtlicher Wehmuth, und rief aus: — „O mein Freund! wie nichtig ſind auch die edelſten, die lauter-
ſten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0037"n="11"/>
kleine Nachbarſchaft, fieng gleich darauf<lb/>
an zu bauen, ſetzte noch zween ſchoͤne Fluͤ-<lb/>
gel an beyden Seiten des Hauſes, pflanzte<lb/>
Alleen und einen artigen Luſtwald, alles<lb/>
in engliſchem Geſchmack. Er betrieb die-<lb/>ſen Bau mit dem groͤßten Eifer. Gleich-<lb/>
wohl hatte er von Zeit zu Zeit eine duͤſtre<lb/>
Miene, die der Baron wahrnahm, ohne<lb/>
anfangs davon etwas merken zu laſſen,<lb/>
bis er in dem folgenden Herbſt einer Ge-<lb/>
muͤthsveraͤnderung des Oberſten uͤberzeugt<lb/>
zu ſeyn glaubte, bey welcher er nicht laͤn-<lb/>
ger ruhig ſeyn konnte. Sternheim kam<lb/>
nicht mehr ſo oft, redete weniger, und<lb/>
gieng bald wieder weg. Seine Leute be-<lb/>
dauerten die ungewoͤhnliche Melancholie,<lb/>
die ihren Herrn befallen hatte.</p><lb/><p>Der Baron wurde um ſo viel mehr<lb/>
bekuͤmmert, als ſein Herz von der zuruͤck-<lb/>
gefallnen Traurigkeit ſeiner aͤltern Schwe-<lb/>ſter beklemmt war. Er gieng zum Ober-<lb/>ſten, fand ihn allein und nachdenkend,<lb/>
umarmte ihn mit zaͤrtlicher Wehmuth, und<lb/>
rief aus: —„O mein Freund! wie<lb/>
nichtig ſind auch die edelſten, die lauter-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſten</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0037]
kleine Nachbarſchaft, fieng gleich darauf
an zu bauen, ſetzte noch zween ſchoͤne Fluͤ-
gel an beyden Seiten des Hauſes, pflanzte
Alleen und einen artigen Luſtwald, alles
in engliſchem Geſchmack. Er betrieb die-
ſen Bau mit dem groͤßten Eifer. Gleich-
wohl hatte er von Zeit zu Zeit eine duͤſtre
Miene, die der Baron wahrnahm, ohne
anfangs davon etwas merken zu laſſen,
bis er in dem folgenden Herbſt einer Ge-
muͤthsveraͤnderung des Oberſten uͤberzeugt
zu ſeyn glaubte, bey welcher er nicht laͤn-
ger ruhig ſeyn konnte. Sternheim kam
nicht mehr ſo oft, redete weniger, und
gieng bald wieder weg. Seine Leute be-
dauerten die ungewoͤhnliche Melancholie,
die ihren Herrn befallen hatte.
Der Baron wurde um ſo viel mehr
bekuͤmmert, als ſein Herz von der zuruͤck-
gefallnen Traurigkeit ſeiner aͤltern Schwe-
ſter beklemmt war. Er gieng zum Ober-
ſten, fand ihn allein und nachdenkend,
umarmte ihn mit zaͤrtlicher Wehmuth, und
rief aus: — „O mein Freund! wie
nichtig ſind auch die edelſten, die lauter-
ſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/37>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.