Die Dame wurde bestürzt; und um die Verwirrung zu vermeiden, in die er gerathen seyn würde, wenn er hätte den- ken können, sie habe ihn gehört, entfernte sie sich; froh, ihrem Gemahl die Sorge benehmen zu können, die ihn wegen der Schwermuth des Obersten plagte. -- So bald alles schlafen gegangen war, re- dete sie mit ihm von dieser Entdeckung. Der Baron verstund nun, was ihm der Oberste sagen wollte, da er sich wegen des vermeynten Kaltsinns vertheidigte, dessen er beschuldigt wurde. Wäre Jh- nen der Oberste als Schwager eben so lieb, wie er es Jhnen als mein Freund ist? -- fragte er seine Gemahlin.
"Gewiß, mein Liebster! Sollte denn das Verdienst des rechtschaffnen Mannes nicht so viel Werth haben, als die Vor- züge des Namens und der Geburt!
Werthe edle Helfte meines Lebens, rief der Baron, so helfen Sie mir die
Vor-
edle, die zaͤrtliche Neigung meines Her- zens! —“
Die Dame wurde beſtuͤrzt; und um die Verwirrung zu vermeiden, in die er gerathen ſeyn wuͤrde, wenn er haͤtte den- ken koͤnnen, ſie habe ihn gehoͤrt, entfernte ſie ſich; froh, ihrem Gemahl die Sorge benehmen zu koͤnnen, die ihn wegen der Schwermuth des Oberſten plagte. — So bald alles ſchlafen gegangen war, re- dete ſie mit ihm von dieſer Entdeckung. Der Baron verſtund nun, was ihm der Oberſte ſagen wollte, da er ſich wegen des vermeynten Kaltſinns vertheidigte, deſſen er beſchuldigt wurde. Waͤre Jh- nen der Oberſte als Schwager eben ſo lieb, wie er es Jhnen als mein Freund iſt? — fragte er ſeine Gemahlin.
„Gewiß, mein Liebſter! Sollte denn das Verdienſt des rechtſchaffnen Mannes nicht ſo viel Werth haben, als die Vor- zuͤge des Namens und der Geburt!
Werthe edle Helfte meines Lebens, rief der Baron, ſo helfen Sie mir die
Vor-
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edle, die zaͤrtliche Neigung meines Her-
zens! —“
Die Dame wurde beſtuͤrzt; und um
die Verwirrung zu vermeiden, in die er
gerathen ſeyn wuͤrde, wenn er haͤtte den-
ken koͤnnen, ſie habe ihn gehoͤrt, entfernte
ſie ſich; froh, ihrem Gemahl die Sorge
benehmen zu koͤnnen, die ihn wegen der
Schwermuth des Oberſten plagte. —
So bald alles ſchlafen gegangen war, re-
dete ſie mit ihm von dieſer Entdeckung.
Der Baron verſtund nun, was ihm der
Oberſte ſagen wollte, da er ſich wegen
des vermeynten Kaltſinns vertheidigte,
deſſen er beſchuldigt wurde. Waͤre Jh-
nen der Oberſte als Schwager eben ſo
lieb, wie er es Jhnen als mein Freund
iſt? — fragte er ſeine Gemahlin.
„Gewiß, mein Liebſter! Sollte denn
das Verdienſt des rechtſchaffnen Mannes
nicht ſo viel Werth haben, als die Vor-
zuͤge des Namens und der Geburt!
Werthe edle Helfte meines Lebens,
rief der Baron, ſo helfen Sie mir die
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/42>, abgerufen am 03.12.2024.
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