"Bruder, rede deutlich; ich bin ent- schlossen nach meinen geheimsten Empfin- dungen zu antworten." --
Sophie, die Versicherung, daß dein Herz ohne Bündniß sey, erlaubt mir, dich zu fragen: was du thun würdest, wenn ein Mann, voll Weisheit und Tu- gend, dich liebte, um deine Hand bäte, aber nicht von altem Adel wäre? --
Sie gerieth bey diesem letzten Wort in Schrecken, sie zitterte, und wußte sich nicht zu fassen. Der Baron wollte ihr Herz nicht lange quälen, sondern fuhr fort: wenn dieser Mann der Freund wäre, dem dein Bruder die Güte und Glückse- ligkeit seines Herzens zu danken hätte, -- Sophie; was würdest du thun?
Sie redete nicht, sondern ward nach- denkend und wechselsweise roth und blaß.
Jch beunruhige dich, meine Schwe- ster; der Oberste liebt dich. Diese Lei- denschaft macht seine Schwermuth; denn er zweifelt, ob er werde angenommen wer-
den.
beyde ihre Anſpruͤche bey dir verlieh- ren? —
„Bruder, rede deutlich; ich bin ent- ſchloſſen nach meinen geheimſten Empfin- dungen zu antworten.“ —
Sophie, die Verſicherung, daß dein Herz ohne Buͤndniß ſey, erlaubt mir, dich zu fragen: was du thun wuͤrdeſt, wenn ein Mann, voll Weisheit und Tu- gend, dich liebte, um deine Hand baͤte, aber nicht von altem Adel waͤre? —
Sie gerieth bey dieſem letzten Wort in Schrecken, ſie zitterte, und wußte ſich nicht zu faſſen. Der Baron wollte ihr Herz nicht lange quaͤlen, ſondern fuhr fort: wenn dieſer Mann der Freund waͤre, dem dein Bruder die Guͤte und Gluͤckſe- ligkeit ſeines Herzens zu danken haͤtte, — Sophie; was wuͤrdeſt du thun?
Sie redete nicht, ſondern ward nach- denkend und wechſelsweiſe roth und blaß.
Jch beunruhige dich, meine Schwe- ſter; der Oberſte liebt dich. Dieſe Lei- denſchaft macht ſeine Schwermuth; denn er zweifelt, ob er werde angenommen wer-
den.
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beyde ihre Anſpruͤche bey dir verlieh-
ren? —
„Bruder, rede deutlich; ich bin ent-
ſchloſſen nach meinen geheimſten Empfin-
dungen zu antworten.“ —
Sophie, die Verſicherung, daß dein
Herz ohne Buͤndniß ſey, erlaubt mir,
dich zu fragen: was du thun wuͤrdeſt,
wenn ein Mann, voll Weisheit und Tu-
gend, dich liebte, um deine Hand baͤte,
aber nicht von altem Adel waͤre? —
Sie gerieth bey dieſem letzten Wort
in Schrecken, ſie zitterte, und wußte ſich
nicht zu faſſen. Der Baron wollte ihr
Herz nicht lange quaͤlen, ſondern fuhr
fort: wenn dieſer Mann der Freund waͤre,
dem dein Bruder die Guͤte und Gluͤckſe-
ligkeit ſeines Herzens zu danken haͤtte, —
Sophie; was wuͤrdeſt du thun?
Sie redete nicht, ſondern ward nach-
denkend und wechſelsweiſe roth und blaß.
Jch beunruhige dich, meine Schwe-
ſter; der Oberſte liebt dich. Dieſe Lei-
denſchaft macht ſeine Schwermuth; denn
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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