ihre Empfindungen in den treuen Busen deines Bruders aus -- Kind! ich glau- be, es giebt einen Mann, den du liebst, mit dem dein Herz ein Bündniß hat. --
"Nein, Bruder! mein Herz hat kein Bündniß --"
Jst dieses wahr, meine Sophie?
"Ja, mein Bruder, ja -- --"
Hier schloß sie der Baron in seine Arme. -- Ach wenn du die entschloßne, die wohlthätige Seele deiner Mutter hät- test! --
Sie erstaunte. "Warum, mein Bru- der? was willst du damit? bin ich übel- thätig gewesen?"
Niemals, meine Liebe, niemals -- aber du könntest es werden, wenn Vor- urtheile mehr als Tugend und Vernunft bey dir gälten.
"Bruder, du verwirrest mich! in was für einem Falle sollte ich der Tugend und Vernunft entsagen?"
Du mußt es nicht so nehmen! Der Fall, den ich denke, ist nicht wider Tu- gend und Vernunft; und doch könnten
beyde
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ihre Empfindungen in den treuen Buſen deines Bruders aus — Kind! ich glau- be, es giebt einen Mann, den du liebſt, mit dem dein Herz ein Buͤndniß hat. —
„Nein, Bruder! mein Herz hat kein Buͤndniß —“
Jſt dieſes wahr, meine Sophie?
„Ja, mein Bruder, ja — —“
Hier ſchloß ſie der Baron in ſeine Arme. — Ach wenn du die entſchloßne, die wohlthaͤtige Seele deiner Mutter haͤt- teſt! —
Sie erſtaunte. „Warum, mein Bru- der? was willſt du damit? bin ich uͤbel- thaͤtig geweſen?“
Niemals, meine Liebe, niemals — aber du koͤnnteſt es werden, wenn Vor- urtheile mehr als Tugend und Vernunft bey dir gaͤlten.
„Bruder, du verwirreſt mich! in was fuͤr einem Falle ſollte ich der Tugend und Vernunft entſagen?“
Du mußt es nicht ſo nehmen! Der Fall, den ich denke, iſt nicht wider Tu- gend und Vernunft; und doch koͤnnten
beyde
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ihre Empfindungen in den treuen Buſen
deines Bruders aus — Kind! ich glau-
be, es giebt einen Mann, den du liebſt,
mit dem dein Herz ein Buͤndniß hat. —
„Nein, Bruder! mein Herz hat kein
Buͤndniß —“
Jſt dieſes wahr, meine Sophie?
„Ja, mein Bruder, ja — —“
Hier ſchloß ſie der Baron in ſeine
Arme. — Ach wenn du die entſchloßne,
die wohlthaͤtige Seele deiner Mutter haͤt-
teſt! —
Sie erſtaunte. „Warum, mein Bru-
der? was willſt du damit? bin ich uͤbel-
thaͤtig geweſen?“
Niemals, meine Liebe, niemals —
aber du koͤnnteſt es werden, wenn Vor-
urtheile mehr als Tugend und Vernunft
bey dir gaͤlten.
„Bruder, du verwirreſt mich! in was
fuͤr einem Falle ſollte ich der Tugend und
Vernunft entſagen?“
Du mußt es nicht ſo nehmen! Der
Fall, den ich denke, iſt nicht wider Tu-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/45>, abgerufen am 23.11.2024.
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