Sommerszeit in einer nahe daran ange- legten Sämerey und einem dazu gehöri- gen Gemüsgarten. Beyder Ertrag ist für die Armen bestimmt. An Regen- und Wintertagen sollen die Weibsleute Flachs, und die dazu taugliche Männer, Wolle spinnen, welche auch für ihr und anderer Nothleidenden Leinen und Kleidung ver- wandt wird. Sie bekommen gut gekoch- tes gesundes Essen. Der Hausmeister be- tet Morgens und Abends mit ihnen. Die Weibespersonen arbeiten in einer, und die Mannspersonen in der andern Stube, welche beyde durch Einen Ofen erwärmt werden. Jn der von den Weibsleuten ißt man; denn weil diese den Tisch decken, und für die Näharbeit und die Wäsche sorgen müssen, so ist ihre Stube größer. Diejenige arme Wittwe, oder alte ledige Weibsperson, welche das beste Zeugniß von Fleiß und gutem Wandel in den Dör- fern hatte, wird Oberaufseherin und An- ordnerin, so wie es der arme Mann, der ein solches Zeugniß hat, unter den Män- nern ist. Zu ihrem Schlafplatz ist der
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Sommerszeit in einer nahe daran ange- legten Saͤmerey und einem dazu gehoͤri- gen Gemuͤsgarten. Beyder Ertrag iſt fuͤr die Armen beſtimmt. An Regen- und Wintertagen ſollen die Weibsleute Flachs, und die dazu taugliche Maͤnner, Wolle ſpinnen, welche auch fuͤr ihr und anderer Nothleidenden Leinen und Kleidung ver- wandt wird. Sie bekommen gut gekoch- tes geſundes Eſſen. Der Hausmeiſter be- tet Morgens und Abends mit ihnen. Die Weibesperſonen arbeiten in einer, und die Mannsperſonen in der andern Stube, welche beyde durch Einen Ofen erwaͤrmt werden. Jn der von den Weibsleuten ißt man; denn weil dieſe den Tiſch decken, und fuͤr die Naͤharbeit und die Waͤſche ſorgen muͤſſen, ſo iſt ihre Stube groͤßer. Diejenige arme Wittwe, oder alte ledige Weibsperſon, welche das beſte Zeugniß von Fleiß und gutem Wandel in den Doͤr- fern hatte, wird Oberaufſeherin und An- ordnerin, ſo wie es der arme Mann, der ein ſolches Zeugniß hat, unter den Maͤn- nern iſt. Zu ihrem Schlafplatz iſt der
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Sommerszeit in einer nahe daran ange-
legten Saͤmerey und einem dazu gehoͤri-
gen Gemuͤsgarten. Beyder Ertrag iſt
fuͤr die Armen beſtimmt. An Regen- und
Wintertagen ſollen die Weibsleute Flachs,
und die dazu taugliche Maͤnner, Wolle
ſpinnen, welche auch fuͤr ihr und anderer
Nothleidenden Leinen und Kleidung ver-
wandt wird. Sie bekommen gut gekoch-
tes geſundes Eſſen. Der Hausmeiſter be-
tet Morgens und Abends mit ihnen. Die
Weibesperſonen arbeiten in einer, und die
Mannsperſonen in der andern Stube,
welche beyde durch Einen Ofen erwaͤrmt
werden. Jn der von den Weibsleuten
ißt man; denn weil dieſe den Tiſch decken,
und fuͤr die Naͤharbeit und die Waͤſche
ſorgen muͤſſen, ſo iſt ihre Stube groͤßer.
Diejenige arme Wittwe, oder alte ledige
Weibsperſon, welche das beſte Zeugniß
von Fleiß und gutem Wandel in den Doͤr-
fern hatte, wird Oberaufſeherin und An-
ordnerin, ſo wie es der arme Mann, der
ein ſolches Zeugniß hat, unter den Maͤn-
nern iſt. Zu ihrem Schlafplatz iſt der
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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