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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Ein einziger Blick überzeugte mich völ-
lig: daß es die Sternheim gemacht hatte;
die richtigen Umrisse, die feinen Schattie-
rungen erkannte ich; mein Herz wurde
beklemmt; ich mußte mich setzen; Thrä-
nen füllten meine Augen; das Schicksal
des edlen Mädchens, die rauhe, aber
herzliche Liebe dieser Frau rührten mich;
es gefiel ihr, Sie klopfte mich auf die
Achsel: "das ist recht, daß Sie betrübt
"sind, bitten Sie Gott um ein gutes Herz,
"daß Sie niemanden verführen; denn
"Sie sind auch ein Engländer, und ein
"hübscher Meusch; Sie können einem in
"die Augen gehen.

Nun mußte das Mädchen und der
Sohn, und die übrigen Leute erzählen,
wie gut die Dame gewesen, und was sie
gemacht hatte; dann wieß sie uns das
Schlafzimmer. "Seit dem Brief, fuhr
"sie fort, ist sie nicht mehr hinein gegan-
"gen, sondern schlief im Bette ihrer Jung-
"fer; ich denke es wohl, wer möchte noch
"unter der Decke eines Spitzbuben schla-
"fen? -- Hier ist der Schrank, worein

"sie

Ein einziger Blick uͤberzeugte mich voͤl-
lig: daß es die Sternheim gemacht hatte;
die richtigen Umriſſe, die feinen Schattie-
rungen erkannte ich; mein Herz wurde
beklemmt; ich mußte mich ſetzen; Thraͤ-
nen fuͤllten meine Augen; das Schickſal
des edlen Maͤdchens, die rauhe, aber
herzliche Liebe dieſer Frau ruͤhrten mich;
es gefiel ihr, Sie klopfte mich auf die
Achſel: „das iſt recht, daß Sie betruͤbt
„ſind, bitten Sie Gott um ein gutes Herz,
„daß Sie niemanden verfuͤhren; denn
„Sie ſind auch ein Englaͤnder, und ein
„huͤbſcher Meuſch; Sie koͤnnen einem in
„die Augen gehen.

Nun mußte das Maͤdchen und der
Sohn, und die uͤbrigen Leute erzaͤhlen,
wie gut die Dame geweſen, und was ſie
gemacht hatte; dann wieß ſie uns das
Schlafzimmer. „Seit dem Brief, fuhr
„ſie fort, iſt ſie nicht mehr hinein gegan-
„gen, ſondern ſchlief im Bette ihrer Jung-
„fer; ich denke es wohl, wer moͤchte noch
„unter der Decke eines Spitzbuben ſchla-
„fen? — Hier iſt der Schrank, worein

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[124/0130] Ein einziger Blick uͤberzeugte mich voͤl- lig: daß es die Sternheim gemacht hatte; die richtigen Umriſſe, die feinen Schattie- rungen erkannte ich; mein Herz wurde beklemmt; ich mußte mich ſetzen; Thraͤ- nen fuͤllten meine Augen; das Schickſal des edlen Maͤdchens, die rauhe, aber herzliche Liebe dieſer Frau ruͤhrten mich; es gefiel ihr, Sie klopfte mich auf die Achſel: „das iſt recht, daß Sie betruͤbt „ſind, bitten Sie Gott um ein gutes Herz, „daß Sie niemanden verfuͤhren; denn „Sie ſind auch ein Englaͤnder, und ein „huͤbſcher Meuſch; Sie koͤnnen einem in „die Augen gehen. Nun mußte das Maͤdchen und der Sohn, und die uͤbrigen Leute erzaͤhlen, wie gut die Dame geweſen, und was ſie gemacht hatte; dann wieß ſie uns das Schlafzimmer. „Seit dem Brief, fuhr „ſie fort, iſt ſie nicht mehr hinein gegan- „gen, ſondern ſchlief im Bette ihrer Jung- „fer; ich denke es wohl, wer moͤchte noch „unter der Decke eines Spitzbuben ſchla- „fen? — Hier iſt der Schrank, worein „ſie

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/130>, abgerufen am 21.11.2024.