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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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warf mich unausgekleidet mit halb zerrüt-
teten Sinnen auf das Bette, worinn
Sternheim so Kummervolle Nächte zuge-
bracht hatte. Trostlose Zärtlichkeit, und
ein Gemische von bitterm Vergnügen be-
mächtigten sich meiner mit der Empfindung,
welche mir sagte: hier lag das liebens-
würdige Geschöpfe, in dessen Armen ich alle
meine Glückseligkeit gefunden hätte; hier
beweinte ihr blutendes Herz die Treulo-
sigkeit des verruchtesten Bösewichts! Und
ich -- O Sternheim, ich beweine dein
Schicksal, deinen Verlust, und meine
verdammte Saumseligkeit, deine Liebe für
mich zu gewinnen! -- Vergnügen, ja
ein schmerzhaftes Vergnügen genoß ich
bey dem Gedanken: daß meine verzwei-
flungsvolle Thränen noch die Spuren
der ihrigen antreffen, und sich mit ihnen
vereinigen würden. Jch stund auf, ich
kniete auf den nehmlichen Platz, wo der
stumme zerreissende Jammer über ihre Er-
niedrigung sie hingeworfen hatte; wo sie
sich Vorwürfe über das blinde Vertrauen
machte, womit sie sich dem grausamsten

Manne


warf mich unausgekleidet mit halb zerruͤt-
teten Sinnen auf das Bette, worinn
Sternheim ſo Kummervolle Naͤchte zuge-
bracht hatte. Troſtloſe Zaͤrtlichkeit, und
ein Gemiſche von bitterm Vergnuͤgen be-
maͤchtigten ſich meiner mit der Empfindung,
welche mir ſagte: hier lag das liebens-
wuͤrdige Geſchoͤpfe, in deſſen Armen ich alle
meine Gluͤckſeligkeit gefunden haͤtte; hier
beweinte ihr blutendes Herz die Treulo-
ſigkeit des verruchteſten Boͤſewichts! Und
ich — O Sternheim, ich beweine dein
Schickſal, deinen Verluſt, und meine
verdammte Saumſeligkeit, deine Liebe fuͤr
mich zu gewinnen! — Vergnuͤgen, ja
ein ſchmerzhaftes Vergnuͤgen genoß ich
bey dem Gedanken: daß meine verzwei-
flungsvolle Thraͤnen noch die Spuren
der ihrigen antreffen, und ſich mit ihnen
vereinigen wuͤrden. Jch ſtund auf, ich
kniete auf den nehmlichen Platz, wo der
ſtumme zerreiſſende Jammer uͤber ihre Er-
niedrigung ſie hingeworfen hatte; wo ſie
ſich Vorwuͤrfe uͤber das blinde Vertrauen
machte, womit ſie ſich dem grauſamſten

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[126/0132] warf mich unausgekleidet mit halb zerruͤt- teten Sinnen auf das Bette, worinn Sternheim ſo Kummervolle Naͤchte zuge- bracht hatte. Troſtloſe Zaͤrtlichkeit, und ein Gemiſche von bitterm Vergnuͤgen be- maͤchtigten ſich meiner mit der Empfindung, welche mir ſagte: hier lag das liebens- wuͤrdige Geſchoͤpfe, in deſſen Armen ich alle meine Gluͤckſeligkeit gefunden haͤtte; hier beweinte ihr blutendes Herz die Treulo- ſigkeit des verruchteſten Boͤſewichts! Und ich — O Sternheim, ich beweine dein Schickſal, deinen Verluſt, und meine verdammte Saumſeligkeit, deine Liebe fuͤr mich zu gewinnen! — Vergnuͤgen, ja ein ſchmerzhaftes Vergnuͤgen genoß ich bey dem Gedanken: daß meine verzwei- flungsvolle Thraͤnen noch die Spuren der ihrigen antreffen, und ſich mit ihnen vereinigen wuͤrden. Jch ſtund auf, ich kniete auf den nehmlichen Platz, wo der ſtumme zerreiſſende Jammer uͤber ihre Er- niedrigung ſie hingeworfen hatte; wo ſie ſich Vorwuͤrfe uͤber das blinde Vertrauen machte, womit ſie ſich dem grauſamſten Manne

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/132>, abgerufen am 21.11.2024.