Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite


zu erlangen; gegen Mylord aber hätte sie
sich erklärt: daß sie seinen Geist und sei-
nen Gemüthscharacter jederzeit verehrt,
und gewünscht habe, einigen Antheil an
seiner Achtung zu haben; es wäre sehr
wahrscheinlich, daß die Umstände, in wel-
che man sie gestellt, ihre Gemüthsart mit
einem so starken Nebel umhüllet hätten,
daß Er sich keinen richtigen Begriff davon
habe machen können; sie versichere ihn
aber, daß sie seiner Hochachtung niemals
unwürdig gewesen, und seine harte nach-
theilige Beurtheilung nicht verdient habe;
und dieses möchte er auch seinem Neffen
Seymour lesen lassen; Löbau sey nach
dieser Entdeckung zum Fürsten geeilt, der
darüber ins größte Erstaunen gerathen,
und aller Orten habe nachschicken wollen;
aber Graf F. hätte es misrathen, und es
wäre allein ein Courier an den Grafen R.
nach Florenz abgeschickt worden, von
wannen man aber bis itzt keine Nachricht
von dem Fräulein erhalten habe.

Solange die Erzählung von Mylord
dauerte, schienen alle Triebfedern meiner

Seele


zu erlangen; gegen Mylord aber haͤtte ſie
ſich erklaͤrt: daß ſie ſeinen Geiſt und ſei-
nen Gemuͤthscharacter jederzeit verehrt,
und gewuͤnſcht habe, einigen Antheil an
ſeiner Achtung zu haben; es waͤre ſehr
wahrſcheinlich, daß die Umſtaͤnde, in wel-
che man ſie geſtellt, ihre Gemuͤthsart mit
einem ſo ſtarken Nebel umhuͤllet haͤtten,
daß Er ſich keinen richtigen Begriff davon
habe machen koͤnnen; ſie verſichere ihn
aber, daß ſie ſeiner Hochachtung niemals
unwuͤrdig geweſen, und ſeine harte nach-
theilige Beurtheilung nicht verdient habe;
und dieſes moͤchte er auch ſeinem Neffen
Seymour leſen laſſen; Loͤbau ſey nach
dieſer Entdeckung zum Fuͤrſten geeilt, der
daruͤber ins groͤßte Erſtaunen gerathen,
und aller Orten habe nachſchicken wollen;
aber Graf F. haͤtte es misrathen, und es
waͤre allein ein Courier an den Grafen R.
nach Florenz abgeſchickt worden, von
wannen man aber bis itzt keine Nachricht
von dem Fraͤulein erhalten habe.

Solange die Erzaͤhlung von Mylord
dauerte, ſchienen alle Triebfedern meiner

Seele
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0016" n="10"/><fw place="top" type="header"><lb/></fw> zu erlangen; gegen Mylord aber ha&#x0364;tte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich erkla&#x0364;rt: daß &#x017F;ie &#x017F;einen Gei&#x017F;t und &#x017F;ei-<lb/>
nen Gemu&#x0364;thscharacter jederzeit verehrt,<lb/>
und gewu&#x0364;n&#x017F;cht habe, einigen Antheil an<lb/>
&#x017F;einer Achtung zu haben; es wa&#x0364;re &#x017F;ehr<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich, daß die Um&#x017F;ta&#x0364;nde, in wel-<lb/>
che man &#x017F;ie ge&#x017F;tellt, ihre Gemu&#x0364;thsart mit<lb/>
einem &#x017F;o &#x017F;tarken Nebel umhu&#x0364;llet ha&#x0364;tten,<lb/>
daß Er &#x017F;ich keinen richtigen Begriff davon<lb/>
habe machen ko&#x0364;nnen; &#x017F;ie ver&#x017F;ichere ihn<lb/>
aber, daß &#x017F;ie &#x017F;einer Hochachtung niemals<lb/>
unwu&#x0364;rdig gewe&#x017F;en, und &#x017F;eine harte nach-<lb/>
theilige Beurtheilung nicht verdient habe;<lb/>
und die&#x017F;es mo&#x0364;chte er auch &#x017F;einem Neffen<lb/>
Seymour le&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en; Lo&#x0364;bau &#x017F;ey nach<lb/>
die&#x017F;er Entdeckung zum Fu&#x0364;r&#x017F;ten geeilt, der<lb/>
daru&#x0364;ber ins gro&#x0364;ßte Er&#x017F;taunen gerathen,<lb/>
und aller Orten habe nach&#x017F;chicken wollen;<lb/>
aber Graf F. ha&#x0364;tte es misrathen, und es<lb/>
wa&#x0364;re allein ein Courier an den Grafen R.<lb/>
nach Florenz abge&#x017F;chickt worden, von<lb/>
wannen man aber bis itzt keine Nachricht<lb/>
von dem Fra&#x0364;ulein erhalten habe.</p><lb/>
          <p>Solange die Erza&#x0364;hlung von Mylord<lb/>
dauerte, &#x017F;chienen alle Triebfedern meiner<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Seele</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0016] zu erlangen; gegen Mylord aber haͤtte ſie ſich erklaͤrt: daß ſie ſeinen Geiſt und ſei- nen Gemuͤthscharacter jederzeit verehrt, und gewuͤnſcht habe, einigen Antheil an ſeiner Achtung zu haben; es waͤre ſehr wahrſcheinlich, daß die Umſtaͤnde, in wel- che man ſie geſtellt, ihre Gemuͤthsart mit einem ſo ſtarken Nebel umhuͤllet haͤtten, daß Er ſich keinen richtigen Begriff davon habe machen koͤnnen; ſie verſichere ihn aber, daß ſie ſeiner Hochachtung niemals unwuͤrdig geweſen, und ſeine harte nach- theilige Beurtheilung nicht verdient habe; und dieſes moͤchte er auch ſeinem Neffen Seymour leſen laſſen; Loͤbau ſey nach dieſer Entdeckung zum Fuͤrſten geeilt, der daruͤber ins groͤßte Erſtaunen gerathen, und aller Orten habe nachſchicken wollen; aber Graf F. haͤtte es misrathen, und es waͤre allein ein Courier an den Grafen R. nach Florenz abgeſchickt worden, von wannen man aber bis itzt keine Nachricht von dem Fraͤulein erhalten habe. Solange die Erzaͤhlung von Mylord dauerte, ſchienen alle Triebfedern meiner Seele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/16
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/16>, abgerufen am 21.11.2024.