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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ihrem Bette segnete, und ihre Hausbe-
diente mit zufriedner Mine und einem
liebenden Ton mir gute Ruhe wünschten;
und mit einer süßen Bewegung gehe ich
Morgens bey Aufgang der Sonne in den
Park, wo der Hirt mich wundernd an-
sieht, und mir mit seinem Knaben guten
Morgen, gute Miß,
zuruft. Dieser Zu-
ruf dünkt mich in dem Augenblick, wo ich
auf der Flur die Wohlthaten Gottes ver-
breitet sehe, ein Zeugniß zu seyn, daß ich
auch gerne die Pflicht des Wohlthuns
übe; mit thränenden Augen danke ich dann
unserm Urheber, daß er mir diese Macht
meines Herzens gelassen hat. Sie wissen,
daß mir ein Mooswäldchen und die ge-
ringsten Arten von Blümchen vergnügte
Stunden geben können; und sie denken
also wohl, daß ich in unserm Park diese
alten Freunde meiner besten Lebenszeit
aufsuche, und mit Rührung betrachte.
Denn immer binden sich in mir die Jdeen
des Vergangenen, mit der Empfindung
des Gegenwärtigen bey allen Anlässen zu-
sammen. Ein freundliches Moos, und

Zweige,


ihrem Bette ſegnete, und ihre Hausbe-
diente mit zufriedner Mine und einem
liebenden Ton mir gute Ruhe wuͤnſchten;
und mit einer ſuͤßen Bewegung gehe ich
Morgens bey Aufgang der Sonne in den
Park, wo der Hirt mich wundernd an-
ſieht, und mir mit ſeinem Knaben guten
Morgen, gute Miß,
zuruft. Dieſer Zu-
ruf duͤnkt mich in dem Augenblick, wo ich
auf der Flur die Wohlthaten Gottes ver-
breitet ſehe, ein Zeugniß zu ſeyn, daß ich
auch gerne die Pflicht des Wohlthuns
uͤbe; mit thraͤnenden Augen danke ich dann
unſerm Urheber, daß er mir dieſe Macht
meines Herzens gelaſſen hat. Sie wiſſen,
daß mir ein Mooswaͤldchen und die ge-
ringſten Arten von Bluͤmchen vergnuͤgte
Stunden geben koͤnnen; und ſie denken
alſo wohl, daß ich in unſerm Park dieſe
alten Freunde meiner beſten Lebenszeit
aufſuche, und mit Ruͤhrung betrachte.
Denn immer binden ſich in mir die Jdeen
des Vergangenen, mit der Empfindung
des Gegenwaͤrtigen bey allen Anlaͤſſen zu-
ſammen. Ein freundliches Moos, und

Zweige,
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[158/0164] ihrem Bette ſegnete, und ihre Hausbe- diente mit zufriedner Mine und einem liebenden Ton mir gute Ruhe wuͤnſchten; und mit einer ſuͤßen Bewegung gehe ich Morgens bey Aufgang der Sonne in den Park, wo der Hirt mich wundernd an- ſieht, und mir mit ſeinem Knaben guten Morgen, gute Miß, zuruft. Dieſer Zu- ruf duͤnkt mich in dem Augenblick, wo ich auf der Flur die Wohlthaten Gottes ver- breitet ſehe, ein Zeugniß zu ſeyn, daß ich auch gerne die Pflicht des Wohlthuns uͤbe; mit thraͤnenden Augen danke ich dann unſerm Urheber, daß er mir dieſe Macht meines Herzens gelaſſen hat. Sie wiſſen, daß mir ein Mooswaͤldchen und die ge- ringſten Arten von Bluͤmchen vergnuͤgte Stunden geben koͤnnen; und ſie denken alſo wohl, daß ich in unſerm Park dieſe alten Freunde meiner beſten Lebenszeit aufſuche, und mit Ruͤhrung betrachte. Denn immer binden ſich in mir die Jdeen des Vergangenen, mit der Empfindung des Gegenwaͤrtigen bey allen Anlaͤſſen zu- ſammen. Ein freundliches Moos, und Zweige,

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/164>, abgerufen am 21.11.2024.