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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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bedauerte, daß wir sie durch eine falsche
Erzählung betrügen mußten; aber sie
nahm es anders; und fiel mir ein: "Meine
Tochter, sagen Sie mir, kein Ach warum
mehr; leiten Sie das Gefühl Jhres Her-
zens auf die Gegenstände der Zufrieden-
heit, die sich Jhnen anbieten, und zählen
Sie auf meine mütterliche Zärtlichkeit,
so lange Sie sie genießen mögen." Jch
drückte ihre Hand an meine Brust, und
sah sie voll Rührung an mit dem voll-
kommensten Gefühle kindlicher Liebe; ihr
Herz empfand es, und belohnte mich
durch eine mütterliche Umarmung. Lord
Rich hatte uns mit Bewegung betrachtet,
und ich sah den nehmlichen Augenblick die
schönen Augen der Emma voll schmelzen-
der Liebe euf ihn geheftet; Jch sagte ihm
auf italiänisch, dort wären unvermischte
Empfindungen, die allein fähig seyn, die
Tage eines edeldenkenden Mannes mit der
feinsten Glückseligkeit zu erfüllen. Er
antwortete in nehmlicher Sprache: Nicht
so Madam Leidens, denn diese Art Em-
pfindlichkeit ist nicht diejenige, welche

einsam-

bedauerte, daß wir ſie durch eine falſche
Erzaͤhlung betruͤgen mußten; aber ſie
nahm es anders; und fiel mir ein: „Meine
Tochter, ſagen Sie mir, kein Ach warum
mehr; leiten Sie das Gefuͤhl Jhres Her-
zens auf die Gegenſtaͤnde der Zufrieden-
heit, die ſich Jhnen anbieten, und zaͤhlen
Sie auf meine muͤtterliche Zaͤrtlichkeit,
ſo lange Sie ſie genießen moͤgen.“ Jch
druͤckte ihre Hand an meine Bruſt, und
ſah ſie voll Ruͤhrung an mit dem voll-
kommenſten Gefuͤhle kindlicher Liebe; ihr
Herz empfand es, und belohnte mich
durch eine muͤtterliche Umarmung. Lord
Rich hatte uns mit Bewegung betrachtet,
und ich ſah den nehmlichen Augenblick die
ſchoͤnen Augen der Emma voll ſchmelzen-
der Liebe euf ihn geheftet; Jch ſagte ihm
auf italiaͤniſch, dort waͤren unvermiſchte
Empfindungen, die allein faͤhig ſeyn, die
Tage eines edeldenkenden Mannes mit der
feinſten Gluͤckſeligkeit zu erfuͤllen. Er
antwortete in nehmlicher Sprache: Nicht
ſo Madam Leidens, denn dieſe Art Em-
pfindlichkeit iſt nicht diejenige, welche

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[176/0182] bedauerte, daß wir ſie durch eine falſche Erzaͤhlung betruͤgen mußten; aber ſie nahm es anders; und fiel mir ein: „Meine Tochter, ſagen Sie mir, kein Ach warum mehr; leiten Sie das Gefuͤhl Jhres Her- zens auf die Gegenſtaͤnde der Zufrieden- heit, die ſich Jhnen anbieten, und zaͤhlen Sie auf meine muͤtterliche Zaͤrtlichkeit, ſo lange Sie ſie genießen moͤgen.“ Jch druͤckte ihre Hand an meine Bruſt, und ſah ſie voll Ruͤhrung an mit dem voll- kommenſten Gefuͤhle kindlicher Liebe; ihr Herz empfand es, und belohnte mich durch eine muͤtterliche Umarmung. Lord Rich hatte uns mit Bewegung betrachtet, und ich ſah den nehmlichen Augenblick die ſchoͤnen Augen der Emma voll ſchmelzen- der Liebe euf ihn geheftet; Jch ſagte ihm auf italiaͤniſch, dort waͤren unvermiſchte Empfindungen, die allein faͤhig ſeyn, die Tage eines edeldenkenden Mannes mit der feinſten Gluͤckſeligkeit zu erfuͤllen. Er antwortete in nehmlicher Sprache: Nicht ſo Madam Leidens, denn dieſe Art Em- pfindlichkeit iſt nicht diejenige, welche einſam-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/182>, abgerufen am 21.11.2024.