Schranken unserer Begierden, schwächt das Vergnügen des Genusses, und setzt, wie ich erfahre, ein grausames Herz und seine mäßigen Wünsche in eine Art unan- genehmer Verlegenheit. -- Sie wissen vermuthlich nicht, meine Freundinn, wo Sie die Ursache dieses Ausfalls auf einen Zustand, der von meinem dermaligen so weit entfernt ist, suchen sollen. Aber Sie wissen doch, daß mich alle Gegen- stände auf eine besondere Art rühren, und werden sich nicht wundern, wenn ich Jhnen sage, daß die Gesinnungen des Lord Rich der eigentliche Anlaß zu meiner anmuthi- gen Betrachtung des Ueberflusses waren. Er verfolgte mich mit Liebe, mit Bewun- derung, mit Vorschlägen, und (was mir Kummer macht) mit der Ueberzeugung, daß ich ihn glücklich machen würde. O, hätte ich denken können, daß die Sympa- thie unsers Geschmacks an den Vergnü- gungen und Beschäfftigungen des Geistes in ihm die Jdee hervorbringen würde, daß ich auch eine sympathetische Liebe empfin- den müßte, so sollte er nicht die Hälfte
der
Schranken unſerer Begierden, ſchwaͤcht das Vergnuͤgen des Genuſſes, und ſetzt, wie ich erfahre, ein grauſames Herz und ſeine maͤßigen Wuͤnſche in eine Art unan- genehmer Verlegenheit. — Sie wiſſen vermuthlich nicht, meine Freundinn, wo Sie die Urſache dieſes Ausfalls auf einen Zuſtand, der von meinem dermaligen ſo weit entfernt iſt, ſuchen ſollen. Aber Sie wiſſen doch, daß mich alle Gegen- ſtaͤnde auf eine beſondere Art ruͤhren, und werden ſich nicht wundern, wenn ich Jhnen ſage, daß die Geſinnungen des Lord Rich der eigentliche Anlaß zu meiner anmuthi- gen Betrachtung des Ueberfluſſes waren. Er verfolgte mich mit Liebe, mit Bewun- derung, mit Vorſchlaͤgen, und (was mir Kummer macht) mit der Ueberzeugung, daß ich ihn gluͤcklich machen wuͤrde. O, haͤtte ich denken koͤnnen, daß die Sympa- thie unſers Geſchmacks an den Vergnuͤ- gungen und Beſchaͤfftigungen des Geiſtes in ihm die Jdee hervorbringen wuͤrde, daß ich auch eine ſympathetiſche Liebe empfin- den muͤßte, ſo ſollte er nicht die Haͤlfte
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Schranken unſerer Begierden, ſchwaͤcht
das Vergnuͤgen des Genuſſes, und ſetzt,
wie ich erfahre, ein grauſames Herz und
ſeine maͤßigen Wuͤnſche in eine Art unan-
genehmer Verlegenheit. — Sie wiſſen
vermuthlich nicht, meine Freundinn, wo
Sie die Urſache dieſes Ausfalls auf einen
Zuſtand, der von meinem dermaligen ſo
weit entfernt iſt, ſuchen ſollen. Aber
Sie wiſſen doch, daß mich alle Gegen-
ſtaͤnde auf eine beſondere Art ruͤhren, und
werden ſich nicht wundern, wenn ich Jhnen
ſage, daß die Geſinnungen des Lord Rich
der eigentliche Anlaß zu meiner anmuthi-
gen Betrachtung des Ueberfluſſes waren.
Er verfolgte mich mit Liebe, mit Bewun-
derung, mit Vorſchlaͤgen, und (was mir
Kummer macht) mit der Ueberzeugung,
daß ich ihn gluͤcklich machen wuͤrde. O,
haͤtte ich denken koͤnnen, daß die Sympa-
thie unſers Geſchmacks an den Vergnuͤ-
gungen und Beſchaͤfftigungen des Geiſtes
in ihm die Jdee hervorbringen wuͤrde, daß
ich auch eine ſympathetiſche Liebe empfin-
den muͤßte, ſo ſollte er nicht die Haͤlfte
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/184>, abgerufen am 21.11.2024.
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