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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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die an dem feurigen Busen deines Freun-
des verwelkt sind. Sobald ich Nachricht
von ihrer zweytägigen Abreise hatte,
gieng ich mit meiner Lady und ihrem Va-
ter nach Summerhall, wo die Matrone
im Bette lag, und um ihre Pflegtochter
wehklagte. Alle Leute im Hause und im
Orte, die Familie des Pfarrers, beson-
ders Lord Rich, ein alter Knabe, der den
Philosophen spielt, bejammerten den Ver-
lust von Madam Leidens. Lady Sum-
mers flehte mich um Hülfe an; ich gab
mir auch das Ansehen aller Bewegungen,
sie suchen zu helfen, und erfuhr bey die-
fer Gelegenheit, wie sie nach England ge-
kommen war. Jedermann rühmte ihre
Reize, ihre Talente und ihr gutes Herz;
die Narren machten mich toll und müde
damit; besonders Rich, der Weise, der
mich zum Vertrauen seiner Leidenschaft
machte, und so weise ist sich einzubilden,
daß sie sich vor ihm geflüchtet habe,
weil er sie so weit gebracht hätte, ihm die
Erzählung ihrer Geschichte zu versprechen,
die gewiß besonders seyn müsse, indem

das

die an dem feurigen Buſen deines Freun-
des verwelkt ſind. Sobald ich Nachricht
von ihrer zweytaͤgigen Abreiſe hatte,
gieng ich mit meiner Lady und ihrem Va-
ter nach Summerhall, wo die Matrone
im Bette lag, und um ihre Pflegtochter
wehklagte. Alle Leute im Hauſe und im
Orte, die Familie des Pfarrers, beſon-
ders Lord Rich, ein alter Knabe, der den
Philoſophen ſpielt, bejammerten den Ver-
luſt von Madam Leidens. Lady Sum-
mers flehte mich um Huͤlfe an; ich gab
mir auch das Anſehen aller Bewegungen,
ſie ſuchen zu helfen, und erfuhr bey die-
fer Gelegenheit, wie ſie nach England ge-
kommen war. Jedermann ruͤhmte ihre
Reize, ihre Talente und ihr gutes Herz;
die Narren machten mich toll und muͤde
damit; beſonders Rich, der Weiſe, der
mich zum Vertrauen ſeiner Leidenſchaft
machte, und ſo weiſe iſt ſich einzubilden,
daß ſie ſich vor ihm gefluͤchtet habe,
weil er ſie ſo weit gebracht haͤtte, ihm die
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[203/0209] die an dem feurigen Buſen deines Freun- des verwelkt ſind. Sobald ich Nachricht von ihrer zweytaͤgigen Abreiſe hatte, gieng ich mit meiner Lady und ihrem Va- ter nach Summerhall, wo die Matrone im Bette lag, und um ihre Pflegtochter wehklagte. Alle Leute im Hauſe und im Orte, die Familie des Pfarrers, beſon- ders Lord Rich, ein alter Knabe, der den Philoſophen ſpielt, bejammerten den Ver- luſt von Madam Leidens. Lady Sum- mers flehte mich um Huͤlfe an; ich gab mir auch das Anſehen aller Bewegungen, ſie ſuchen zu helfen, und erfuhr bey die- fer Gelegenheit, wie ſie nach England ge- kommen war. Jedermann ruͤhmte ihre Reize, ihre Talente und ihr gutes Herz; die Narren machten mich toll und muͤde damit; beſonders Rich, der Weiſe, der mich zum Vertrauen ſeiner Leidenſchaft machte, und ſo weiſe iſt ſich einzubilden, daß ſie ſich vor ihm gefluͤchtet habe, weil er ſie ſo weit gebracht haͤtte, ihm die Erzaͤhlung ihrer Geſchichte zu verſprechen, die gewiß beſonders ſeyn muͤſſe, indem das

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/209>, abgerufen am 24.11.2024.