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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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keit meines Herzens gegen die Liebe dieses
Geschöpfs mischte sich die Empfindung,
daß Gott diesem armen Kinde die Gewalt
gegeben hätte, mich die Süßigkeit des
Mitleidens schmecken zu lassen. Von
diesem Tage an rechne ich die Wieder-
herstellung meiner Seele
Jch fieng
nun an dankbar die kleinen Brosamen
von Glückseligkeit aufzusammlen, die hier
neben mir im Staube lagen. Meine er-
schöpften Kräfte, die Schmerzen, welche
mir das Haberbrodt verursachte, ließen
mich meinen Tod nahe glauben; ich hatte
keinen Zeugen meines Lebens mehr um
mich; ich wollte meinem Schöpfer ein
gelassenes, ihn liebendes Herz zurückge-
ben, und dieser Gedanke gab den tugend-
haften Triebfedern meiner Seele ihre
ganze Stärke wieder. Jch nahm meine
kleine Wohlthäterinn zu mir in den ar-
men abgesonderten Winkel, den ich in der
Hütte besitze, ich theilte mein Lager mit
ihr, und von ihr nahm ich die erste Un-
terweisung der armen Sprache, die hier
geredet wird. Jch gieng mit ihr in die

Stube

keit meines Herzens gegen die Liebe dieſes
Geſchoͤpfs miſchte ſich die Empfindung,
daß Gott dieſem armen Kinde die Gewalt
gegeben haͤtte, mich die Suͤßigkeit des
Mitleidens ſchmecken zu laſſen. Von
dieſem Tage an rechne ich die Wieder-
herſtellung meiner Seele
Jch fieng
nun an dankbar die kleinen Broſamen
von Gluͤckſeligkeit aufzuſammlen, die hier
neben mir im Staube lagen. Meine er-
ſchoͤpften Kraͤfte, die Schmerzen, welche
mir das Haberbrodt verurſachte, ließen
mich meinen Tod nahe glauben; ich hatte
keinen Zeugen meines Lebens mehr um
mich; ich wollte meinem Schoͤpfer ein
gelaſſenes, ihn liebendes Herz zuruͤckge-
ben, und dieſer Gedanke gab den tugend-
haften Triebfedern meiner Seele ihre
ganze Staͤrke wieder. Jch nahm meine
kleine Wohlthaͤterinn zu mir in den ar-
men abgeſonderten Winkel, den ich in der
Huͤtte beſitze, ich theilte mein Lager mit
ihr, und von ihr nahm ich die erſte Un-
terweiſung der armen Sprache, die hier
geredet wird. Jch gieng mit ihr in die

Stube
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[220/0226] keit meines Herzens gegen die Liebe dieſes Geſchoͤpfs miſchte ſich die Empfindung, daß Gott dieſem armen Kinde die Gewalt gegeben haͤtte, mich die Suͤßigkeit des Mitleidens ſchmecken zu laſſen. Von dieſem Tage an rechne ich die Wieder- herſtellung meiner Seele Jch fieng nun an dankbar die kleinen Broſamen von Gluͤckſeligkeit aufzuſammlen, die hier neben mir im Staube lagen. Meine er- ſchoͤpften Kraͤfte, die Schmerzen, welche mir das Haberbrodt verurſachte, ließen mich meinen Tod nahe glauben; ich hatte keinen Zeugen meines Lebens mehr um mich; ich wollte meinem Schoͤpfer ein gelaſſenes, ihn liebendes Herz zuruͤckge- ben, und dieſer Gedanke gab den tugend- haften Triebfedern meiner Seele ihre ganze Staͤrke wieder. Jch nahm meine kleine Wohlthaͤterinn zu mir in den ar- men abgeſonderten Winkel, den ich in der Huͤtte beſitze, ich theilte mein Lager mit ihr, und von ihr nahm ich die erſte Un- terweiſung der armen Sprache, die hier geredet wird. Jch gieng mit ihr in die Stube

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/226>, abgerufen am 24.11.2024.