gütigen Lady ihres, loskaufen, ich wollte mich bemühen nicht mehr zu sagen, daß ich leide; aber das Schicksal wußte, was mich am meisten quälen würde; es wuß- te, daß mich meine Unschuld und meine Grundsätze trösten und beruhigen würden, es wußte, daß ich Armuth und Mangel ertragen lernen würde; daher gab es mir das Gefühl von dem Weh meiner Freun- de, ein Gefühl, dessen Wunde unheilbar ist, weil es ein Vergehen wäre, wenn ich mich davon loszumachen suchte. -- Wie glücklich machte mich dieses Gefühl ehemals, da ich im Besitz meiner Güter jeden belauschten Wunsch meiner Freunde befriedigen, und jeden bemerkten Schmer- zen lindern konnte. Zwey Jahre sind es, daß ich glänzend unter den schimmernden Haufen trat, und Aussichten von Glück vor mir hatte, mich geliebt sah, und wählen oder verwerfen konnte. -- O mein Herz, warum hütetest du dich so lange vor dieser Erinnerung! Niemals mehr getrautest du dir den Namen Seymour zu denken, nun fragst du,
was
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guͤtigen Lady ihres, loskaufen, ich wollte mich bemuͤhen nicht mehr zu ſagen, daß ich leide; aber das Schickſal wußte, was mich am meiſten quaͤlen wuͤrde; es wuß- te, daß mich meine Unſchuld und meine Grundſaͤtze troͤſten und beruhigen wuͤrden, es wußte, daß ich Armuth und Mangel ertragen lernen wuͤrde; daher gab es mir das Gefuͤhl von dem Weh meiner Freun- de, ein Gefuͤhl, deſſen Wunde unheilbar iſt, weil es ein Vergehen waͤre, wenn ich mich davon loszumachen ſuchte. — Wie gluͤcklich machte mich dieſes Gefuͤhl ehemals, da ich im Beſitz meiner Guͤter jeden belauſchten Wunſch meiner Freunde befriedigen, und jeden bemerkten Schmer- zen lindern konnte. Zwey Jahre ſind es, daß ich glaͤnzend unter den ſchimmernden Haufen trat, und Ausſichten von Gluͤck vor mir hatte, mich geliebt ſah, und waͤhlen oder verwerfen konnte. — O mein Herz, warum huͤteteſt du dich ſo lange vor dieſer Erinnerung! Niemals mehr getrauteſt du dir den Namen Seymour zu denken, nun fragſt du,
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guͤtigen Lady ihres, loskaufen, ich wollte
mich bemuͤhen nicht mehr zu ſagen, daß
ich leide; aber das Schickſal wußte, was
mich am meiſten quaͤlen wuͤrde; es wuß-
te, daß mich meine Unſchuld und meine
Grundſaͤtze troͤſten und beruhigen wuͤrden,
es wußte, daß ich Armuth und Mangel
ertragen lernen wuͤrde; daher gab es mir
das Gefuͤhl von dem Weh meiner Freun-
de, ein Gefuͤhl, deſſen Wunde unheilbar
iſt, weil es ein Vergehen waͤre, wenn
ich mich davon loszumachen ſuchte. —
Wie gluͤcklich machte mich dieſes Gefuͤhl
ehemals, da ich im Beſitz meiner Guͤter
jeden belauſchten Wunſch meiner Freunde
befriedigen, und jeden bemerkten Schmer-
zen lindern konnte. Zwey Jahre ſind es,
daß ich glaͤnzend unter den ſchimmernden
Haufen trat, und Ausſichten von Gluͤck
vor mir hatte, mich geliebt ſah, und
waͤhlen oder verwerfen konnte. — O
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lange vor dieſer Erinnerung! Niemals
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/235>, abgerufen am 24.11.2024.
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