Gnade für meine armen Wirthe bitten; die guten Leute wissen sich vor Freude über die Versorgung ihrer Tochter und über das Geld, so sie bekommen haben, nicht zu fassen; sie liebkosen und segnen mich wechselsweise. Meine Waise lasse ich nicht zurück; das Kind würde nun, da ich sie an gutes Bezeigen gewöhnt habe, durch den Verlust doppelt unglücklich seyn, und alle meine Tage würden durch ihr Anden- ken beunruhiget, wenn ich zum Glücke zurückkehrte, und sie dem offenbaren Elend zum Raube ließe.
O! Meine Freundinn, es war Vor- bedeutung, die mich in meinem letzten Blatte das Gleichniß eines auf der toben- den See irrenden Kahns finden ließ; ich war bestimmt die höchsten Schmerzen der Seele zu fühlen, und dann in dem Augenblick der Hoffnung zu sterben. Die unaussprechliche Bosheit meines Verfolgers reißt mich dahin, wie eine schäumende Welle Kahn und Menschen in
den
Gnade fuͤr meine armen Wirthe bitten; die guten Leute wiſſen ſich vor Freude uͤber die Verſorgung ihrer Tochter und uͤber das Geld, ſo ſie bekommen haben, nicht zu faſſen; ſie liebkoſen und ſegnen mich wechſelsweiſe. Meine Waiſe laſſe ich nicht zuruͤck; das Kind wuͤrde nun, da ich ſie an gutes Bezeigen gewoͤhnt habe, durch den Verluſt doppelt ungluͤcklich ſeyn, und alle meine Tage wuͤrden durch ihr Anden- ken beunruhiget, wenn ich zum Gluͤcke zuruͤckkehrte, und ſie dem offenbaren Elend zum Raube ließe.
O! Meine Freundinn, es war Vor- bedeutung, die mich in meinem letzten Blatte das Gleichniß eines auf der toben- den See irrenden Kahns finden ließ; ich war beſtimmt die hoͤchſten Schmerzen der Seele zu fuͤhlen, und dann in dem Augenblick der Hoffnung zu ſterben. Die unausſprechliche Bosheit meines Verfolgers reißt mich dahin, wie eine ſchaͤumende Welle Kahn und Menſchen in
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Gnade fuͤr meine armen Wirthe bitten; die
guten Leute wiſſen ſich vor Freude uͤber
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das Geld, ſo ſie bekommen haben, nicht
zu faſſen; ſie liebkoſen und ſegnen mich
wechſelsweiſe. Meine Waiſe laſſe ich nicht
zuruͤck; das Kind wuͤrde nun, da ich ſie
an gutes Bezeigen gewoͤhnt habe, durch
den Verluſt doppelt ungluͤcklich ſeyn, und
alle meine Tage wuͤrden durch ihr Anden-
ken beunruhiget, wenn ich zum Gluͤcke
zuruͤckkehrte, und ſie dem offenbaren
Elend zum Raube ließe.
O! Meine Freundinn, es war Vor-
bedeutung, die mich in meinem letzten
Blatte das Gleichniß eines auf der toben-
den See irrenden Kahns finden ließ;
ich war beſtimmt die hoͤchſten Schmerzen
der Seele zu fuͤhlen, und dann in dem
Augenblick der Hoffnung zu ſterben.
Die unausſprechliche Bosheit meines
Verfolgers reißt mich dahin, wie eine
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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