und gleich zu meiner Frau Mutter nach Seymour-House gieng, dem Uebel mei- nes Körpers und meiner Seele nachzu- hängen. Jch fragte endlich nach Derby, itzo Lord N., man sagte mir, daß er auf seinem Landhause zu Windsor krank liege. Jch wollte seine und meine Genesung abwarten; aber etliche Tage nach meiner Frage um ihn, ließ er mich zu sich bit- ten. Jch war nicht wohl, und schlug es ab. Einige Tage hernach reisete ich zu meinem Bruder Rich, den ich freund- schaftlich eben so finster fand als ich es selbst war. Die brüderliche Vertraulich- keit wurde ohnehin schon durch die funf- zehn Jahre gehindert, die er älter ist als ich, und seine trockne Stille munterte mich nicht auf, eine Erleichterung bey ihm zu suchen. Wir brachten vierzehn Tage hin, ohne von was anders als unsern Reisen, und auch dieses nur abgebrochen, zu reden; bis wir endlich in einer Mi- nute zur offenherzigen Sprache kamen, da ein Kammerdiener von Lord N. einen Brief an mich brachte, worinn er mich
bat,
und gleich zu meiner Frau Mutter nach Seymour-Houſe gieng, dem Uebel mei- nes Koͤrpers und meiner Seele nachzu- haͤngen. Jch fragte endlich nach Derby, itzo Lord N., man ſagte mir, daß er auf ſeinem Landhauſe zu Windſor krank liege. Jch wollte ſeine und meine Geneſung abwarten; aber etliche Tage nach meiner Frage um ihn, ließ er mich zu ſich bit- ten. Jch war nicht wohl, und ſchlug es ab. Einige Tage hernach reiſete ich zu meinem Bruder Rich, den ich freund- ſchaftlich eben ſo finſter fand als ich es ſelbſt war. Die bruͤderliche Vertraulich- keit wurde ohnehin ſchon durch die funf- zehn Jahre gehindert, die er aͤlter iſt als ich, und ſeine trockne Stille munterte mich nicht auf, eine Erleichterung bey ihm zu ſuchen. Wir brachten vierzehn Tage hin, ohne von was anders als unſern Reiſen, und auch dieſes nur abgebrochen, zu reden; bis wir endlich in einer Mi- nute zur offenherzigen Sprache kamen, da ein Kammerdiener von Lord N. einen Brief an mich brachte, worinn er mich
bat,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0254"n="248"/>
und gleich zu meiner Frau Mutter nach<lb/>
Seymour-Houſe gieng, dem Uebel mei-<lb/>
nes Koͤrpers und meiner Seele nachzu-<lb/>
haͤngen. Jch fragte endlich nach Derby,<lb/>
itzo Lord N., man ſagte mir, daß er auf<lb/>ſeinem Landhauſe zu Windſor krank liege.<lb/>
Jch wollte ſeine und meine Geneſung<lb/>
abwarten; aber etliche Tage nach meiner<lb/>
Frage um ihn, ließ er mich zu ſich bit-<lb/>
ten. Jch war nicht wohl, und ſchlug<lb/>
es ab. Einige Tage hernach reiſete ich<lb/>
zu meinem Bruder Rich, den ich freund-<lb/>ſchaftlich eben ſo finſter fand als ich es<lb/>ſelbſt war. Die bruͤderliche Vertraulich-<lb/>
keit wurde ohnehin ſchon durch die funf-<lb/>
zehn Jahre gehindert, die er aͤlter iſt als<lb/>
ich, und ſeine trockne Stille munterte mich<lb/>
nicht auf, eine Erleichterung bey ihm zu<lb/>ſuchen. Wir brachten vierzehn Tage<lb/>
hin, ohne von was anders als unſern<lb/>
Reiſen, und auch dieſes nur abgebrochen,<lb/>
zu reden; bis wir endlich in einer Mi-<lb/>
nute zur offenherzigen Sprache kamen,<lb/>
da ein Kammerdiener von Lord N. einen<lb/>
Brief an mich brachte, worinn er mich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bat,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[248/0254]
und gleich zu meiner Frau Mutter nach
Seymour-Houſe gieng, dem Uebel mei-
nes Koͤrpers und meiner Seele nachzu-
haͤngen. Jch fragte endlich nach Derby,
itzo Lord N., man ſagte mir, daß er auf
ſeinem Landhauſe zu Windſor krank liege.
Jch wollte ſeine und meine Geneſung
abwarten; aber etliche Tage nach meiner
Frage um ihn, ließ er mich zu ſich bit-
ten. Jch war nicht wohl, und ſchlug
es ab. Einige Tage hernach reiſete ich
zu meinem Bruder Rich, den ich freund-
ſchaftlich eben ſo finſter fand als ich es
ſelbſt war. Die bruͤderliche Vertraulich-
keit wurde ohnehin ſchon durch die funf-
zehn Jahre gehindert, die er aͤlter iſt als
ich, und ſeine trockne Stille munterte mich
nicht auf, eine Erleichterung bey ihm zu
ſuchen. Wir brachten vierzehn Tage
hin, ohne von was anders als unſern
Reiſen, und auch dieſes nur abgebrochen,
zu reden; bis wir endlich in einer Mi-
nute zur offenherzigen Sprache kamen,
da ein Kammerdiener von Lord N. einen
Brief an mich brachte, worinn er mich
bat,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/254>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.