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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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freyen Athemzug durch Erduldung eines
widrigen Urtheils bezahlen müsse. Jch
wollte diese Begriffe keine Wurzeln in der
Lady Douglaß fassen lassen, und ver-
langte Schreibzeug und Papier. Jch
schrieb den andern Tag der Lady die Er-
klärung ihrer Zweifel wegen der kleinen
Lidy, und zeigte die Beweggründe an,
warum ich mich des Kindes angenommen
hätte. Jch bat sie daneben mir bald Ge-
legenheit zu geben, Nachrichten an Lady
Summers gelangen zu lassen; denn durch
diese Dame würde sie auch überzeugt
werden, daß alles was ich ihr sagte, die
Wahrheit sey, und daß sie ihre bisherige
Güte für mich nicht zu bereuen haben
würde. Sie konnte die drey Blätter
kaum gelesen haben, so kam sie zu mir,
und bat mich gleich beym Eintritt in das
Zimmer, ihr die Unruhe zu vergeben, die
sie mir gemacht hätte; aber es wäre nicht
leicht möglich gewesen bey einer fremden
Person einen solchen Grad von Liebe und
Sorge für das Kind eines Feindes zu
denken, und ich könne glauben, daß, da sie

mich

freyen Athemzug durch Erduldung eines
widrigen Urtheils bezahlen muͤſſe. Jch
wollte dieſe Begriffe keine Wurzeln in der
Lady Douglaß faſſen laſſen, und ver-
langte Schreibzeug und Papier. Jch
ſchrieb den andern Tag der Lady die Er-
klaͤrung ihrer Zweifel wegen der kleinen
Lidy, und zeigte die Beweggruͤnde an,
warum ich mich des Kindes angenommen
haͤtte. Jch bat ſie daneben mir bald Ge-
legenheit zu geben, Nachrichten an Lady
Summers gelangen zu laſſen; denn durch
dieſe Dame wuͤrde ſie auch uͤberzeugt
werden, daß alles was ich ihr ſagte, die
Wahrheit ſey, und daß ſie ihre bisherige
Guͤte fuͤr mich nicht zu bereuen haben
wuͤrde. Sie konnte die drey Blaͤtter
kaum geleſen haben, ſo kam ſie zu mir,
und bat mich gleich beym Eintritt in das
Zimmer, ihr die Unruhe zu vergeben, die
ſie mir gemacht haͤtte; aber es waͤre nicht
leicht moͤglich geweſen bey einer fremden
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Sorge fuͤr das Kind eines Feindes zu
denken, und ich koͤnne glauben, daß, da ſie

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[268/0274] freyen Athemzug durch Erduldung eines widrigen Urtheils bezahlen muͤſſe. Jch wollte dieſe Begriffe keine Wurzeln in der Lady Douglaß faſſen laſſen, und ver- langte Schreibzeug und Papier. Jch ſchrieb den andern Tag der Lady die Er- klaͤrung ihrer Zweifel wegen der kleinen Lidy, und zeigte die Beweggruͤnde an, warum ich mich des Kindes angenommen haͤtte. Jch bat ſie daneben mir bald Ge- legenheit zu geben, Nachrichten an Lady Summers gelangen zu laſſen; denn durch dieſe Dame wuͤrde ſie auch uͤberzeugt werden, daß alles was ich ihr ſagte, die Wahrheit ſey, und daß ſie ihre bisherige Guͤte fuͤr mich nicht zu bereuen haben wuͤrde. Sie konnte die drey Blaͤtter kaum geleſen haben, ſo kam ſie zu mir, und bat mich gleich beym Eintritt in das Zimmer, ihr die Unruhe zu vergeben, die ſie mir gemacht haͤtte; aber es waͤre nicht leicht moͤglich geweſen bey einer fremden Perſon einen ſolchen Grad von Liebe und Sorge fuͤr das Kind eines Feindes zu denken, und ich koͤnne glauben, daß, da ſie mich

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/274>, abgerufen am 22.11.2024.