dem ersten Tage da er mich sah. Der Stolz seines Oheims, seine Abhänglichkeit von ihm, und eine übertriebne feine Em- pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß er schwieg, bis ich die Versuchungen des Fürsten überwunden hätte. Sie wissen, was dieses Schweigen mir zuzog; aber Sie wissen nicht, was Lord Seymour darunter gelitten hatte. Hier, lesen Sie seine Briefe, mit denen vom Lord Derby, und senden Sie sie mir mit allen den meinen an Sie zurück. Sie werden bey Derbys Briefen über den Misbrauch von Witz, Tugend und Liebe schaudern. Hätte ich nicht selbst böse seyn müssen, wenn ich seine Ränke hätte argwöhnen sollen? Was ist Seymours Herz dagegen? Jhren Rath hätte ich gewünscht, durch einen gemein- samen Geist erhalten zu können. Die Gräfinn Douglaß ist eingenommen; Lord Rich, der edle, unschätzbare Lord Rich, bittet mich seine Schwester zu werden; Der liebenswürdige Seymour ist täglich zu meinen Füssen! alle Einwendungen meiner Dilicatesse werden bestritten; und o Freundinn meines Herzens, du, die
du
dem erſten Tage da er mich ſah. Der Stolz ſeines Oheims, ſeine Abhaͤnglichkeit von ihm, und eine uͤbertriebne feine Em- pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß er ſchwieg, bis ich die Verſuchungen des Fuͤrſten uͤberwunden haͤtte. Sie wiſſen, was dieſes Schweigen mir zuzog; aber Sie wiſſen nicht, was Lord Seymour darunter gelitten hatte. Hier, leſen Sie ſeine Briefe, mit denen vom Lord Derby, und ſenden Sie ſie mir mit allen den meinen an Sie zuruͤck. Sie werden bey Derbys Briefen uͤber den Misbrauch von Witz, Tugend und Liebe ſchaudern. Haͤtte ich nicht ſelbſt boͤſe ſeyn muͤſſen, wenn ich ſeine Raͤnke haͤtte argwoͤhnen ſollen? Was iſt Seymours Herz dagegen? Jhren Rath haͤtte ich gewuͤnſcht, durch einen gemein- ſamen Geiſt erhalten zu koͤnnen. Die Graͤfinn Douglaß iſt eingenommen; Lord Rich, der edle, unſchaͤtzbare Lord Rich, bittet mich ſeine Schweſter zu werden; Der liebenswuͤrdige Seymour iſt taͤglich zu meinen Fuͤſſen! alle Einwendungen meiner Dilicateſſe werden beſtritten; und o Freundinn meines Herzens, du, die
du
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0290"n="284"/>
dem erſten Tage da er mich ſah. Der<lb/>
Stolz ſeines Oheims, ſeine Abhaͤnglichkeit<lb/>
von ihm, und eine uͤbertriebne feine Em-<lb/>
pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß<lb/>
er ſchwieg, bis ich die Verſuchungen des<lb/>
Fuͤrſten uͤberwunden haͤtte. Sie wiſſen,<lb/>
was dieſes Schweigen mir zuzog; aber<lb/>
Sie wiſſen nicht, was Lord Seymour<lb/>
darunter gelitten hatte. Hier, leſen Sie<lb/>ſeine Briefe, mit denen vom Lord Derby,<lb/>
und ſenden Sie ſie mir mit allen den meinen<lb/>
an Sie zuruͤck. Sie werden bey Derbys<lb/>
Briefen uͤber den Misbrauch von Witz,<lb/>
Tugend und Liebe ſchaudern. Haͤtte ich<lb/>
nicht ſelbſt boͤſe ſeyn muͤſſen, wenn ich<lb/>ſeine Raͤnke haͤtte argwoͤhnen ſollen? Was<lb/>
iſt Seymours Herz dagegen? Jhren Rath<lb/>
haͤtte ich gewuͤnſcht, durch einen gemein-<lb/>ſamen Geiſt erhalten zu koͤnnen. Die<lb/>
Graͤfinn Douglaß iſt eingenommen; Lord<lb/>
Rich, der edle, unſchaͤtzbare Lord Rich,<lb/>
bittet mich ſeine Schweſter zu werden;<lb/>
Der liebenswuͤrdige Seymour iſt taͤglich<lb/>
zu meinen Fuͤſſen! alle Einwendungen<lb/>
meiner Dilicateſſe werden beſtritten; und<lb/>
o Freundinn meines Herzens, du, die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">du</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[284/0290]
dem erſten Tage da er mich ſah. Der
Stolz ſeines Oheims, ſeine Abhaͤnglichkeit
von ihm, und eine uͤbertriebne feine Em-
pfindung von Tugend und Ehre wollte, daß
er ſchwieg, bis ich die Verſuchungen des
Fuͤrſten uͤberwunden haͤtte. Sie wiſſen,
was dieſes Schweigen mir zuzog; aber
Sie wiſſen nicht, was Lord Seymour
darunter gelitten hatte. Hier, leſen Sie
ſeine Briefe, mit denen vom Lord Derby,
und ſenden Sie ſie mir mit allen den meinen
an Sie zuruͤck. Sie werden bey Derbys
Briefen uͤber den Misbrauch von Witz,
Tugend und Liebe ſchaudern. Haͤtte ich
nicht ſelbſt boͤſe ſeyn muͤſſen, wenn ich
ſeine Raͤnke haͤtte argwoͤhnen ſollen? Was
iſt Seymours Herz dagegen? Jhren Rath
haͤtte ich gewuͤnſcht, durch einen gemein-
ſamen Geiſt erhalten zu koͤnnen. Die
Graͤfinn Douglaß iſt eingenommen; Lord
Rich, der edle, unſchaͤtzbare Lord Rich,
bittet mich ſeine Schweſter zu werden;
Der liebenswuͤrdige Seymour iſt taͤglich
zu meinen Fuͤſſen! alle Einwendungen
meiner Dilicateſſe werden beſtritten; und
o Freundinn meines Herzens, du, die
du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/290>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.