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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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aufmerksam an, und hielt inne. Mit ei-
nem halb erstickten Seufzer sagte ich: O
Lord Rich! -- und er fuhr mit einem
männlich freundlichen Tone fort: Sie ha-
ben die Gewalt, einen edlen jungen Mann
in der Marter einer verworfenen Liebe
vergehen zu machen; wenden Sie, beste
weibliche Seele, diese Gewalt zu dem Glück
einer ganzen Familie an! Sie können mei-
ner Mutter, einer würdigen Frau, den
Kummer abnehmen, Jhre Söhne unver-
heurathet zu sehen. Jhre schwesterliche
Liebe wird mich glücklich machen, und sie
werden alle Jhre Tugenden in einem gro-
ßen wirksamen Kreis gesetzt sehen! --
Theurer Lord Rich, antwortete ich gerührt,
wie nahe dringen Sie in mich! Sehen
Sie meine Bedenklichkeiten nicht? -- Jch
verbarg mein Gesicht mit meinen Händen;
er schloß mich in seine Arme und küßte
meine Stirne. "Beste, geliebteste Seele,
"ja ich kenne ihre feinen Bedenklichkeiten;
"Sie verdienen die vermehrte Anbetung
"meines Bruders; aber Sie sollen den
"Bau seiner Hoffnung nicht zerstören.
"Lassen Sie mich, ich bitte Sie, ihm die

"Erlaub-

aufmerkſam an, und hielt inne. Mit ei-
nem halb erſtickten Seufzer ſagte ich: O
Lord Rich! — und er fuhr mit einem
maͤnnlich freundlichen Tone fort: Sie ha-
ben die Gewalt, einen edlen jungen Mann
in der Marter einer verworfenen Liebe
vergehen zu machen; wenden Sie, beſte
weibliche Seele, dieſe Gewalt zu dem Gluͤck
einer ganzen Familie an! Sie koͤnnen mei-
ner Mutter, einer wuͤrdigen Frau, den
Kummer abnehmen, Jhre Soͤhne unver-
heurathet zu ſehen. Jhre ſchweſterliche
Liebe wird mich gluͤcklich machen, und ſie
werden alle Jhre Tugenden in einem gro-
ßen wirkſamen Kreis geſetzt ſehen! —
Theurer Lord Rich, antwortete ich geruͤhrt,
wie nahe dringen Sie in mich! Sehen
Sie meine Bedenklichkeiten nicht? — Jch
verbarg mein Geſicht mit meinen Haͤnden;
er ſchloß mich in ſeine Arme und kuͤßte
meine Stirne. „Beſte, geliebteſte Seele,
„ja ich kenne ihre feinen Bedenklichkeiten;
„Sie verdienen die vermehrte Anbetung
„meines Bruders; aber Sie ſollen den
„Bau ſeiner Hoffnung nicht zerſtoͤren.
„Laſſen Sie mich, ich bitte Sie, ihm die

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[287/0293] aufmerkſam an, und hielt inne. Mit ei- nem halb erſtickten Seufzer ſagte ich: O Lord Rich! — und er fuhr mit einem maͤnnlich freundlichen Tone fort: Sie ha- ben die Gewalt, einen edlen jungen Mann in der Marter einer verworfenen Liebe vergehen zu machen; wenden Sie, beſte weibliche Seele, dieſe Gewalt zu dem Gluͤck einer ganzen Familie an! Sie koͤnnen mei- ner Mutter, einer wuͤrdigen Frau, den Kummer abnehmen, Jhre Soͤhne unver- heurathet zu ſehen. Jhre ſchweſterliche Liebe wird mich gluͤcklich machen, und ſie werden alle Jhre Tugenden in einem gro- ßen wirkſamen Kreis geſetzt ſehen! — Theurer Lord Rich, antwortete ich geruͤhrt, wie nahe dringen Sie in mich! Sehen Sie meine Bedenklichkeiten nicht? — Jch verbarg mein Geſicht mit meinen Haͤnden; er ſchloß mich in ſeine Arme und kuͤßte meine Stirne. „Beſte, geliebteſte Seele, „ja ich kenne ihre feinen Bedenklichkeiten; „Sie verdienen die vermehrte Anbetung „meines Bruders; aber Sie ſollen den „Bau ſeiner Hoffnung nicht zerſtoͤren. „Laſſen Sie mich, ich bitte Sie, ihm die „Erlaub-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/293>, abgerufen am 22.11.2024.