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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Urschrift in meine Gewalt gebe. Aber er-
lauben Sie mir, fuhr er fort, Sie um die-
ses Urbild Jhrer Empfindungen zu bitten;
lassen Sie, meine englische Freundinn, mich
diese Züge Jhrer Seele besitzen, und erhö-
ren Sie meinen Bruder Seymour. Das
Paquet seiner Briefe wird Jhnen die uner-
fahrne Redlichkeit seines Herzens bewie-
sen haben. Sie werden ihn durch An-
nehmung seiner Hand zu dem glücklich-
sten und rechtschaffensten Mann machen.
Nach einigem Stillschweigen legte er seine
Hand auf die Brust, sah mich zärtlich und
ehrerbietig an, und fuhr mit gerührtem
Ton fort: Sie kennen die unbegrenzte
Verehrung, die ewig in diesem Herzen für
Sie leben wird; Sie kennen die Wünsche
die ich machte, die nicht aufgehört haben,
aber unterdrückt sind. Jch würde gewiß
meine seligsten Tage, dafern es nur Hoff-
nungstage wären, nicht aufopfern, wenn
ich nicht mitten unter der Anbetung, unter
dem Verlangen meiner Seele, sagen müßte,
und sagen könnte: Seymour sey Jhrer
würdig, er verdiene Jhre Achtung und
Jhr Mitleiden. -- Er sah mich hier sehr

auf-

Urſchrift in meine Gewalt gebe. Aber er-
lauben Sie mir, fuhr er fort, Sie um die-
ſes Urbild Jhrer Empfindungen zu bitten;
laſſen Sie, meine engliſche Freundinn, mich
dieſe Zuͤge Jhrer Seele beſitzen, und erhoͤ-
ren Sie meinen Bruder Seymour. Das
Paquet ſeiner Briefe wird Jhnen die uner-
fahrne Redlichkeit ſeines Herzens bewie-
ſen haben. Sie werden ihn durch An-
nehmung ſeiner Hand zu dem gluͤcklich-
ſten und rechtſchaffenſten Mann machen.
Nach einigem Stillſchweigen legte er ſeine
Hand auf die Bruſt, ſah mich zaͤrtlich und
ehrerbietig an, und fuhr mit geruͤhrtem
Ton fort: Sie kennen die unbegrenzte
Verehrung, die ewig in dieſem Herzen fuͤr
Sie leben wird; Sie kennen die Wuͤnſche
die ich machte, die nicht aufgehoͤrt haben,
aber unterdruͤckt ſind. Jch wuͤrde gewiß
meine ſeligſten Tage, dafern es nur Hoff-
nungstage waͤren, nicht aufopfern, wenn
ich nicht mitten unter der Anbetung, unter
dem Verlangen meiner Seele, ſagen muͤßte,
und ſagen koͤnnte: Seymour ſey Jhrer
wuͤrdig, er verdiene Jhre Achtung und
Jhr Mitleiden. — Er ſah mich hier ſehr

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[286/0292] Urſchrift in meine Gewalt gebe. Aber er- lauben Sie mir, fuhr er fort, Sie um die- ſes Urbild Jhrer Empfindungen zu bitten; laſſen Sie, meine engliſche Freundinn, mich dieſe Zuͤge Jhrer Seele beſitzen, und erhoͤ- ren Sie meinen Bruder Seymour. Das Paquet ſeiner Briefe wird Jhnen die uner- fahrne Redlichkeit ſeines Herzens bewie- ſen haben. Sie werden ihn durch An- nehmung ſeiner Hand zu dem gluͤcklich- ſten und rechtſchaffenſten Mann machen. Nach einigem Stillſchweigen legte er ſeine Hand auf die Bruſt, ſah mich zaͤrtlich und ehrerbietig an, und fuhr mit geruͤhrtem Ton fort: Sie kennen die unbegrenzte Verehrung, die ewig in dieſem Herzen fuͤr Sie leben wird; Sie kennen die Wuͤnſche die ich machte, die nicht aufgehoͤrt haben, aber unterdruͤckt ſind. Jch wuͤrde gewiß meine ſeligſten Tage, dafern es nur Hoff- nungstage waͤren, nicht aufopfern, wenn ich nicht mitten unter der Anbetung, unter dem Verlangen meiner Seele, ſagen muͤßte, und ſagen koͤnnte: Seymour ſey Jhrer wuͤrdig, er verdiene Jhre Achtung und Jhr Mitleiden. — Er ſah mich hier ſehr auf-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/292>, abgerufen am 22.11.2024.