[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.mich alles an sie erinnert, ist mir uner- träglich. Halte mir eine lustige Bekannt- schaft zurechte, wie sie für einen engli- schen Erben gehört, um meine wieder erhaltene Portion Freyheit mit ihr zu ver- zehren. Denn mein Vater wird mir das Joch über den Hals werfen, so bald ich ihm nahe genug dazu seyn werde. Er kann mir geben, welche er will; keine Liebe bring ich ihr nicht zu. Das wenige was von meinem Herzen noch übrig war, hat mein deutsches Landmädchen aufge- zehrt; -- der Platz ist nun völlig leer, ich fühle es; hier und da schwärmen noch einige verirrte Lebensgeister herum, und wenn ich ihnen glaubte, so flüsterten sie mir was von dem Bilde meiner vierzigtä- gigen Gemahlin zu, deren Schatten noch darinn herumwandern soll; aber ich achte nicht auf dieses Gesumse. Meine Ver- nunft und die Umstände reden meinem ausgeführten Plan das Wort; und am Ende ist es doch nichts anders, als die Ge- wohnheit, die mir ihr Bild in D. zurück- ruft,
mich alles an ſie erinnert, iſt mir uner- traͤglich. Halte mir eine luſtige Bekannt- ſchaft zurechte, wie ſie fuͤr einen engli- ſchen Erben gehoͤrt, um meine wieder erhaltene Portion Freyheit mit ihr zu ver- zehren. Denn mein Vater wird mir das Joch uͤber den Hals werfen, ſo bald ich ihm nahe genug dazu ſeyn werde. Er kann mir geben, welche er will; keine Liebe bring ich ihr nicht zu. Das wenige was von meinem Herzen noch uͤbrig war, hat mein deutſches Landmaͤdchen aufge- zehrt; — der Platz iſt nun voͤllig leer, ich fuͤhle es; hier und da ſchwaͤrmen noch einige verirrte Lebensgeiſter herum, und wenn ich ihnen glaubte, ſo fluͤſterten ſie mir was von dem Bilde meiner vierzigtaͤ- gigen Gemahlin zu, deren Schatten noch darinn herumwandern ſoll; aber ich achte nicht auf dieſes Geſumſe. Meine Ver- nunft und die Umſtaͤnde reden meinem ausgefuͤhrten Plan das Wort; und am Ende iſt es doch nichts anders, als die Ge- wohnheit, die mir ihr Bild in D. zuruͤck- ruft,
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aber D., wo alles von ihr ſpricht, wo
mich alles an ſie erinnert, iſt mir uner-
traͤglich. Halte mir eine luſtige Bekannt-
ſchaft zurechte, wie ſie fuͤr einen engli-
ſchen Erben gehoͤrt, um meine wieder
erhaltene Portion Freyheit mit ihr zu ver-
zehren. Denn mein Vater wird mir das
Joch uͤber den Hals werfen, ſo bald ich
ihm nahe genug dazu ſeyn werde. Er
kann mir geben, welche er will; keine
Liebe bring ich ihr nicht zu. Das wenige
was von meinem Herzen noch uͤbrig war,
hat mein deutſches Landmaͤdchen aufge-
zehrt; — der Platz iſt nun voͤllig leer,
ich fuͤhle es; hier und da ſchwaͤrmen noch
einige verirrte Lebensgeiſter herum, und
wenn ich ihnen glaubte, ſo fluͤſterten ſie
mir was von dem Bilde meiner vierzigtaͤ-
gigen Gemahlin zu, deren Schatten noch
darinn herumwandern ſoll; aber ich achte
nicht auf dieſes Geſumſe. Meine Ver-
nunft und die Umſtaͤnde reden meinem
ausgefuͤhrten Plan das Wort; und am
Ende iſt es doch nichts anders, als die Ge-
wohnheit, die mir ihr Bild in D. zuruͤck-
ruft,
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Zitationshilfe: | [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/64>, abgerufen am 16.02.2025. |