Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite


den war. Da ich bey den Zurüstungen
auf unsre Abreise ein paar mal die Thüre
des Wohnzimmers von Lord Derby öff-
nete, und sie einen Blick hinwarf, glaubte
ich, ihr Schmerz würde sie auf der Stelle
ersticken. Sie blieb mit dem äußersten
Jammer beladen in meinem Zimmer, wäh-
rend, daß ich einpacken mußte. Aber
alle Geschenke von Lord Derby, welche
sehr schön und in großer Menge da wa-
ren, mußte ich der Wirthinn übergeben.
Wir nahmen nichts als das wenige zu-
sammen, so wir von unsrer Flucht aus
D. mitgebracht hatten. Die Wirthinn,
welche auf einen Monat voraus bezahlt
war, wollte uns noch behalten; aber wir
reisten den zweyten Tag, von ihrem
Seegen für uns, und Flüchen über den
gottlosen Lord begleitet, Morgens um
vier Uhr ab.

Still und blaß wie der Tod, die Au-
gen zur Erde geschlagen, saß meine liebe
Dame bey mir; kein Wort, keine Thräne
erleichterte ihr beklemmtes Herz; zween
Tage reisten wir durch herrliche Land-

schaften,


den war. Da ich bey den Zuruͤſtungen
auf unſre Abreiſe ein paar mal die Thuͤre
des Wohnzimmers von Lord Derby oͤff-
nete, und ſie einen Blick hinwarf, glaubte
ich, ihr Schmerz wuͤrde ſie auf der Stelle
erſticken. Sie blieb mit dem aͤußerſten
Jammer beladen in meinem Zimmer, waͤh-
rend, daß ich einpacken mußte. Aber
alle Geſchenke von Lord Derby, welche
ſehr ſchoͤn und in großer Menge da wa-
ren, mußte ich der Wirthinn uͤbergeben.
Wir nahmen nichts als das wenige zu-
ſammen, ſo wir von unſrer Flucht aus
D. mitgebracht hatten. Die Wirthinn,
welche auf einen Monat voraus bezahlt
war, wollte uns noch behalten; aber wir
reiſten den zweyten Tag, von ihrem
Seegen fuͤr uns, und Fluͤchen uͤber den
gottloſen Lord begleitet, Morgens um
vier Uhr ab.

Still und blaß wie der Tod, die Au-
gen zur Erde geſchlagen, ſaß meine liebe
Dame bey mir; kein Wort, keine Thraͤne
erleichterte ihr beklemmtes Herz; zween
Tage reiſten wir durch herrliche Land-

ſchaften,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="61"/><fw place="top" type="header"><lb/></fw> den war. Da ich bey den Zuru&#x0364;&#x017F;tungen<lb/>
auf un&#x017F;re Abrei&#x017F;e ein paar mal die Thu&#x0364;re<lb/>
des Wohnzimmers von Lord Derby o&#x0364;ff-<lb/>
nete, und &#x017F;ie einen Blick hinwarf, glaubte<lb/>
ich, ihr Schmerz wu&#x0364;rde &#x017F;ie auf der Stelle<lb/>
er&#x017F;ticken. Sie blieb mit dem a&#x0364;ußer&#x017F;ten<lb/>
Jammer beladen in meinem Zimmer, wa&#x0364;h-<lb/>
rend, daß ich einpacken mußte. Aber<lb/>
alle Ge&#x017F;chenke von Lord Derby, welche<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n und in großer Menge da wa-<lb/>
ren, mußte ich der Wirthinn u&#x0364;bergeben.<lb/>
Wir nahmen nichts als das wenige zu-<lb/>
&#x017F;ammen, &#x017F;o wir von un&#x017F;rer Flucht aus<lb/>
D. mitgebracht hatten. Die Wirthinn,<lb/>
welche auf einen Monat voraus bezahlt<lb/>
war, wollte uns noch behalten; aber wir<lb/>
rei&#x017F;ten den zweyten Tag, von ihrem<lb/>
Seegen fu&#x0364;r uns, und Flu&#x0364;chen u&#x0364;ber den<lb/>
gottlo&#x017F;en Lord begleitet, Morgens um<lb/>
vier Uhr ab.</p><lb/>
          <p>Still und blaß wie der Tod, die Au-<lb/>
gen zur Erde ge&#x017F;chlagen, &#x017F;aß meine liebe<lb/>
Dame bey mir; kein Wort, keine Thra&#x0364;ne<lb/>
erleichterte ihr beklemmtes Herz; zween<lb/>
Tage rei&#x017F;ten wir durch herrliche Land-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chaften,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0067] den war. Da ich bey den Zuruͤſtungen auf unſre Abreiſe ein paar mal die Thuͤre des Wohnzimmers von Lord Derby oͤff- nete, und ſie einen Blick hinwarf, glaubte ich, ihr Schmerz wuͤrde ſie auf der Stelle erſticken. Sie blieb mit dem aͤußerſten Jammer beladen in meinem Zimmer, waͤh- rend, daß ich einpacken mußte. Aber alle Geſchenke von Lord Derby, welche ſehr ſchoͤn und in großer Menge da wa- ren, mußte ich der Wirthinn uͤbergeben. Wir nahmen nichts als das wenige zu- ſammen, ſo wir von unſrer Flucht aus D. mitgebracht hatten. Die Wirthinn, welche auf einen Monat voraus bezahlt war, wollte uns noch behalten; aber wir reiſten den zweyten Tag, von ihrem Seegen fuͤr uns, und Fluͤchen uͤber den gottloſen Lord begleitet, Morgens um vier Uhr ab. Still und blaß wie der Tod, die Au- gen zur Erde geſchlagen, ſaß meine liebe Dame bey mir; kein Wort, keine Thraͤne erleichterte ihr beklemmtes Herz; zween Tage reiſten wir durch herrliche Land- ſchaften,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/67
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/67>, abgerufen am 18.05.2024.