Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

lipp der Schöne beruft zum ersten Mal den tiers etat zu den
etats generaux ein, die ihm im Jahre 1302 eine Einkommen-
steuer von 20 Procent aller Einkünfte bewilligen.

Was würden wohl heutzutage die besitzenden Klassen
sagen, wenn eine Einkommensteuer 20 Procent ihres Ein-
kommens begehrte?

Unter Johann dem Guten wird 1350 von den Ständen
eine von den Königlichen Prinzen bis zum Tagelöhner gehende
Steuer von 4 Procent des Einkommens bewilligt.

Erst mit Karl VII. wird die taille, die Grundsteuer, zur
bleibenden Steuer, wie gewisse andre Steuern in der Mitte des
14. Jahrhunderts seit Philipp VI. von Valois zuerst bleibend
geworden waren.

Unter Johann dem Guten hatte man in der Mitte des
14. Jahrhunderts den schüchternen Versuch gemacht, bei allen
Victualien und Handelswaaren eine Auflage von 8 Pfennigen
auf das Pfund Geldes zu erheben.

Aber diese Steuern waren noch nicht nach dem Geschmack
des Zeitalters. Karl VIII. verwandelt 1484 diese Abgaben
von Victualien in einen Aufschlag der Taille, die beiläufig,
unter den damaligen Productionsverhältnissen etwas ganz
anderes war, als unsere heutige Grundsteuer.

Für Deutschland verweise ich Sie der Kürze halber auf
das treffliche Werk von Lang "Historische Entwicklung der
Teutschen Steuerverfassungen" Berlin 1793, aus welchem ich
mir eine einzige Stelle anzuführen erlaube, die Jhnen zeigen
wird, wenn und wie unsere Consumtionssteuern entstanden
sind und um sich gegriffen haben. Lang spricht von der Zeit
des westphälischen Friedens. "Damit verfiel man -- sagt er
p. 234 -- auf die Einführung einer Consumtionssteuer, Accis,
Licenz, Aufschlag, Jmpost, welches man dermalen als gleichbe-
deutende Wörter gebraucht. Der Name der Accise war schon
im 14. Jahrhundert nichts mehr Unbekanntes, jedoch mehr eine
vorübergehende Zollauflage als eine beständige Staatsabgabe.
Jn dem nämlichen Gesichtspunkt muß auch schon der a. 1556
im Oesterreichischen gesetzte Aufschlag auf Wein, Mehl, Fische
und dergleichen, zur Beihilfe gegen die Türken beurtheilt werden.

"Jnsgemein glaubt man, der Ursprung der heut zu Tag
gewöhnlichen Consumtionssteuern schreibe sich aus den vereinig-
ten Niederlanden her, die für die Erlaubniß (licentia) ihren

lipp der Schöne beruft zum erſten Mal den tiers état zu den
états généraux ein, die ihm im Jahre 1302 eine Einkommen-
ſteuer von 20 Procent aller Einkünfte bewilligen.

Was würden wohl heutzutage die beſitzenden Klaſſen
ſagen, wenn eine Einkommenſteuer 20 Procent ihres Ein-
kommens begehrte?

Unter Johann dem Guten wird 1350 von den Ständen
eine von den Königlichen Prinzen bis zum Tagelöhner gehende
Steuer von 4 Procent des Einkommens bewilligt.

Erſt mit Karl VII. wird die taille, die Grundſteuer, zur
bleibenden Steuer, wie gewiſſe andre Steuern in der Mitte des
14. Jahrhunderts ſeit Philipp VI. von Valois zuerſt bleibend
geworden waren.

Unter Johann dem Guten hatte man in der Mitte des
14. Jahrhunderts den ſchüchternen Verſuch gemacht, bei allen
Victualien und Handelswaaren eine Auflage von 8 Pfennigen
auf das Pfund Geldes zu erheben.

Aber dieſe Steuern waren noch nicht nach dem Geſchmack
des Zeitalters. Karl VIII. verwandelt 1484 dieſe Abgaben
von Victualien in einen Aufſchlag der Taille, die beiläufig,
unter den damaligen Productionsverhältniſſen etwas ganz
anderes war, als unſere heutige Grundſteuer.

Für Deutſchland verweiſe ich Sie der Kürze halber auf
das treffliche Werk von Lang „Hiſtoriſche Entwicklung der
Teutſchen Steuerverfaſſungen“ Berlin 1793, aus welchem ich
mir eine einzige Stelle anzuführen erlaube, die Jhnen zeigen
wird, wenn und wie unſere Conſumtionsſteuern entſtanden
ſind und um ſich gegriffen haben. Lang ſpricht von der Zeit
des weſtphäliſchen Friedens. „Damit verfiel man — ſagt er
p. 234 — auf die Einführung einer Conſumtionsſteuer, Accis,
Licenz, Aufſchlag, Jmpoſt, welches man dermalen als gleichbe-
deutende Wörter gebraucht. Der Name der Acciſe war ſchon
im 14. Jahrhundert nichts mehr Unbekanntes, jedoch mehr eine
vorübergehende Zollauflage als eine beſtändige Staatsabgabe.
Jn dem nämlichen Geſichtspunkt muß auch ſchon der a. 1556
im Oeſterreichiſchen geſetzte Aufſchlag auf Wein, Mehl, Fiſche
und dergleichen, zur Beihilfe gegen die Türken beurtheilt werden.

„Jnsgemein glaubt man, der Urſprung der heut zu Tag
gewöhnlichen Conſumtionsſteuern ſchreibe ſich aus den vereinig-
ten Niederlanden her, die für die Erlaubniß (licentia) ihren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="101"/>
lipp der Schöne beruft zum er&#x017F;ten Mal den <hi rendition="#aq">tiers état</hi> zu den<lb/><hi rendition="#aq">états généraux</hi> ein, die ihm im Jahre 1302 eine Einkommen-<lb/>
&#x017F;teuer von 20 Procent aller Einkünfte bewilligen.</p><lb/>
        <p>Was würden wohl <hi rendition="#g">heut</hi>zutage die be&#x017F;itzenden Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;agen, wenn eine Einkommen&#x017F;teuer 20 Procent ihres Ein-<lb/>
kommens begehrte?</p><lb/>
        <p>Unter Johann dem Guten wird 1350 von den Ständen<lb/>
eine von den Königlichen Prinzen bis zum Tagelöhner gehende<lb/>
Steuer von 4 Procent des Einkommens bewilligt.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;t mit Karl <hi rendition="#aq">VII.</hi> wird die <hi rendition="#aq">taille,</hi> die Grund&#x017F;teuer, zur<lb/>
bleibenden Steuer, wie gewi&#x017F;&#x017F;e andre Steuern in der Mitte des<lb/>
14. Jahrhunderts &#x017F;eit Philipp <hi rendition="#aq">VI.</hi> von Valois zuer&#x017F;t bleibend<lb/>
geworden waren.</p><lb/>
        <p>Unter Johann dem Guten hatte man in der Mitte des<lb/>
14. Jahrhunderts den &#x017F;chüchternen Ver&#x017F;uch gemacht, bei allen<lb/>
Victualien und Handelswaaren eine Auflage von 8 Pfennigen<lb/>
auf das Pfund Geldes zu erheben.</p><lb/>
        <p>Aber die&#x017F;e Steuern waren noch nicht nach dem Ge&#x017F;chmack<lb/>
des Zeitalters. Karl <hi rendition="#aq">VIII.</hi> verwandelt 1484 die&#x017F;e Abgaben<lb/>
von Victualien in einen Auf&#x017F;chlag der Taille, die beiläufig,<lb/>
unter den damaligen Productionsverhältni&#x017F;&#x017F;en etwas ganz<lb/>
anderes war, als un&#x017F;ere heutige Grund&#x017F;teuer.</p><lb/>
        <p>Für Deut&#x017F;chland verwei&#x017F;e ich Sie der Kürze halber auf<lb/>
das treffliche Werk von Lang &#x201E;Hi&#x017F;tori&#x017F;che Entwicklung der<lb/>
Teut&#x017F;chen Steuerverfa&#x017F;&#x017F;ungen&#x201C; Berlin 1793, aus welchem ich<lb/>
mir eine einzige Stelle anzuführen erlaube, die Jhnen zeigen<lb/>
wird, wenn und wie un&#x017F;ere Con&#x017F;umtions&#x017F;teuern ent&#x017F;tanden<lb/>
&#x017F;ind und um &#x017F;ich gegriffen haben. Lang &#x017F;pricht von der Zeit<lb/>
des we&#x017F;tphäli&#x017F;chen Friedens. &#x201E;Damit verfiel man &#x2014; &#x017F;agt er<lb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 234 &#x2014; auf die Einführung einer Con&#x017F;umtions&#x017F;teuer, Accis,<lb/>
Licenz, Auf&#x017F;chlag, Jmpo&#x017F;t, welches man dermalen als gleichbe-<lb/>
deutende Wörter gebraucht. Der Name der Acci&#x017F;e war &#x017F;chon<lb/>
im 14. Jahrhundert nichts mehr Unbekanntes, jedoch mehr eine<lb/>
vorübergehende Zollauflage als eine be&#x017F;tändige Staatsabgabe.<lb/>
Jn dem nämlichen Ge&#x017F;ichtspunkt muß auch &#x017F;chon der <hi rendition="#aq">a.</hi> 1556<lb/>
im Oe&#x017F;terreichi&#x017F;chen ge&#x017F;etzte Auf&#x017F;chlag auf Wein, Mehl, Fi&#x017F;che<lb/>
und dergleichen, zur Beihilfe gegen die Türken beurtheilt werden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jnsgemein glaubt man, der Ur&#x017F;prung der heut zu Tag<lb/>
gewöhnlichen Con&#x017F;umtions&#x017F;teuern &#x017F;chreibe &#x017F;ich aus den vereinig-<lb/>
ten Niederlanden her, die für die Erlaubniß <hi rendition="#aq">(licentia)</hi> ihren<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0107] lipp der Schöne beruft zum erſten Mal den tiers état zu den états généraux ein, die ihm im Jahre 1302 eine Einkommen- ſteuer von 20 Procent aller Einkünfte bewilligen. Was würden wohl heutzutage die beſitzenden Klaſſen ſagen, wenn eine Einkommenſteuer 20 Procent ihres Ein- kommens begehrte? Unter Johann dem Guten wird 1350 von den Ständen eine von den Königlichen Prinzen bis zum Tagelöhner gehende Steuer von 4 Procent des Einkommens bewilligt. Erſt mit Karl VII. wird die taille, die Grundſteuer, zur bleibenden Steuer, wie gewiſſe andre Steuern in der Mitte des 14. Jahrhunderts ſeit Philipp VI. von Valois zuerſt bleibend geworden waren. Unter Johann dem Guten hatte man in der Mitte des 14. Jahrhunderts den ſchüchternen Verſuch gemacht, bei allen Victualien und Handelswaaren eine Auflage von 8 Pfennigen auf das Pfund Geldes zu erheben. Aber dieſe Steuern waren noch nicht nach dem Geſchmack des Zeitalters. Karl VIII. verwandelt 1484 dieſe Abgaben von Victualien in einen Aufſchlag der Taille, die beiläufig, unter den damaligen Productionsverhältniſſen etwas ganz anderes war, als unſere heutige Grundſteuer. Für Deutſchland verweiſe ich Sie der Kürze halber auf das treffliche Werk von Lang „Hiſtoriſche Entwicklung der Teutſchen Steuerverfaſſungen“ Berlin 1793, aus welchem ich mir eine einzige Stelle anzuführen erlaube, die Jhnen zeigen wird, wenn und wie unſere Conſumtionsſteuern entſtanden ſind und um ſich gegriffen haben. Lang ſpricht von der Zeit des weſtphäliſchen Friedens. „Damit verfiel man — ſagt er p. 234 — auf die Einführung einer Conſumtionsſteuer, Accis, Licenz, Aufſchlag, Jmpoſt, welches man dermalen als gleichbe- deutende Wörter gebraucht. Der Name der Acciſe war ſchon im 14. Jahrhundert nichts mehr Unbekanntes, jedoch mehr eine vorübergehende Zollauflage als eine beſtändige Staatsabgabe. Jn dem nämlichen Geſichtspunkt muß auch ſchon der a. 1556 im Oeſterreichiſchen geſetzte Aufſchlag auf Wein, Mehl, Fiſche und dergleichen, zur Beihilfe gegen die Türken beurtheilt werden. „Jnsgemein glaubt man, der Urſprung der heut zu Tag gewöhnlichen Conſumtionsſteuern ſchreibe ſich aus den vereinig- ten Niederlanden her, die für die Erlaubniß (licentia) ihren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/107
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/107>, abgerufen am 10.05.2024.