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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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Zufall in der Geschichte, und am allerwenigsten bei so großen
und auffälligen, Hand in Hand mit einander sich entwickelnden
weltbeherrschenden Thatsachen.

Einer der scharfsichtigsten englischen Oekonomen, Sir
James Steuart, der noch über zehn Jahre vor Adam Smith,
im Jahre 1760 schrieb, hat bereits einen hellen Blick in diesen
Zusammenhang des Steuermodus und der politischen Herrschaft
geworfen. "I think -- sagt der englische Baronet in seinem
höchst verdienstvollen Werk

"an inquiry into the principles of
political economy,
Bd. II. p. 119 -- I have observed one
remarkable difference in the point of view in levying taxes in
countries where these two forms of government are esta-
blished. Under the pure monarchy, the Prince seems jealous,
as it were, of growing wealth and therefore imposes taxes
upon people who are growing richer. Under the limited
government they are calculated chiefly to affect those who are
growing poorer."

"Jch glaube einen bemerkenswerthen Unterschied wahrge-
nommen zu haben in dem Gesichtspunkt bei der Besteuerung in
Ländern, in welchen diese beiden Regierungsformen -- nämlich
die absolute und die constitutionelle -- eingeführt sind. Unter
der reinen (absoluten) Monarchie scheint der Fürst eifersüchtig auf
den wachsenden Reichthum und legt daher die Steuern auf die-
jenigen, welche reich werden. Unter der constitutionellen
Monarchte sind sie darauf berechnet, hauptsächlich diejenigen zu
treffen, welche arm werden."

Die unsichtbaren diamantnen Fäden jenes innern Zu-
sammenhanges klar zu legen, welcher die welthistorischen
Thatsachen mit einander verbindet, das gerade nennen wir
Philosophie, nennen wir Wissenschaft, nicht die Aufschüt-
tung von Material und prangender bibliographischer Belesenheit.
Sie finden in meinem angeklagten Vortrag so wenig äußeres Ma-
terial wie möglich angegeben. Mit diesen Zusammenhängen
gerade beschäftigte er sich, während das Material als solches
stillschweigend auf seinem Grunde lag. Er war deshalb gerade
nur von einer um so tieferen Wissenschaftlichkeit, denn nicht
in einem Vortrag, sondern unter ihm soll bergetief, in "pur-
purner Finsterniß" die Masse des positiven Materials ruhen,
dessen Gedankenextract er zu geben hat.

Und diesen Vortrag hat der Staatsanwalt den unerhörten

Zufall in der Geſchichte, und am allerwenigſten bei ſo großen
und auffälligen, Hand in Hand mit einander ſich entwickelnden
weltbeherrſchenden Thatſachen.

Einer der ſcharfſichtigſten engliſchen Oekonomen, Sir
James Steuart, der noch über zehn Jahre vor Adam Smith,
im Jahre 1760 ſchrieb, hat bereits einen hellen Blick in dieſen
Zuſammenhang des Steuermodus und der politiſchen Herrſchaft
geworfen. „I think — ſagt der engliſche Baronet in ſeinem
höchſt verdienſtvollen Werk

„an inquiry into the principles of
political economy,
Bd. II. p. 119 — I have observed one
remarkable difference in the point of view in levying taxes in
countries where these two forms of government are esta-
blished. Under the pure monarchy, the Prince seems jealous,
as it were, of growing wealth and therefore imposes taxes
upon people who are growing richer. Under the limited
government they are calculated chiefly to affect those who are
growing poorer.“

„Jch glaube einen bemerkenswerthen Unterſchied wahrge-
nommen zu haben in dem Geſichtspunkt bei der Beſteuerung in
Ländern, in welchen dieſe beiden Regierungsformen — nämlich
die abſolute und die conſtitutionelle — eingeführt ſind. Unter
der reinen (abſoluten) Monarchie ſcheint der Fürſt eiferſüchtig auf
den wachſenden Reichthum und legt daher die Steuern auf die-
jenigen, welche reich werden. Unter der conſtitutionellen
Monarchte ſind ſie darauf berechnet, hauptſächlich diejenigen zu
treffen, welche arm werden.

Die unſichtbaren diamantnen Fäden jenes innern Zu-
ſammenhanges klar zu legen, welcher die welthiſtoriſchen
Thatſachen mit einander verbindet, das gerade nennen wir
Philoſophie, nennen wir Wiſſenſchaft, nicht die Aufſchüt-
tung von Material und prangender bibliographiſcher Beleſenheit.
Sie finden in meinem angeklagten Vortrag ſo wenig äußeres Ma-
terial wie möglich angegeben. Mit dieſen Zuſammenhängen
gerade beſchäftigte er ſich, während das Material als ſolches
ſtillſchweigend auf ſeinem Grunde lag. Er war deshalb gerade
nur von einer um ſo tieferen Wiſſenſchaftlichkeit, denn nicht
in einem Vortrag, ſondern unter ihm ſoll bergetief, in „pur-
purner Finſterniß“ die Maſſe des poſitiven Materials ruhen,
deſſen Gedankenextract er zu geben hat.

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[103/0109] Zufall in der Geſchichte, und am allerwenigſten bei ſo großen und auffälligen, Hand in Hand mit einander ſich entwickelnden weltbeherrſchenden Thatſachen. Einer der ſcharfſichtigſten engliſchen Oekonomen, Sir James Steuart, der noch über zehn Jahre vor Adam Smith, im Jahre 1760 ſchrieb, hat bereits einen hellen Blick in dieſen Zuſammenhang des Steuermodus und der politiſchen Herrſchaft geworfen. „I think — ſagt der engliſche Baronet in ſeinem höchſt verdienſtvollen Werk „an inquiry into the principles of political economy, Bd. II. p. 119 — I have observed one remarkable difference in the point of view in levying taxes in countries where these two forms of government are esta- blished. Under the pure monarchy, the Prince seems jealous, as it were, of growing wealth and therefore imposes taxes upon people who are growing richer. Under the limited government they are calculated chiefly to affect those who are growing poorer.“ „Jch glaube einen bemerkenswerthen Unterſchied wahrge- nommen zu haben in dem Geſichtspunkt bei der Beſteuerung in Ländern, in welchen dieſe beiden Regierungsformen — nämlich die abſolute und die conſtitutionelle — eingeführt ſind. Unter der reinen (abſoluten) Monarchie ſcheint der Fürſt eiferſüchtig auf den wachſenden Reichthum und legt daher die Steuern auf die- jenigen, welche reich werden. Unter der conſtitutionellen Monarchte ſind ſie darauf berechnet, hauptſächlich diejenigen zu treffen, welche arm werden.“ Die unſichtbaren diamantnen Fäden jenes innern Zu- ſammenhanges klar zu legen, welcher die welthiſtoriſchen Thatſachen mit einander verbindet, das gerade nennen wir Philoſophie, nennen wir Wiſſenſchaft, nicht die Aufſchüt- tung von Material und prangender bibliographiſcher Beleſenheit. Sie finden in meinem angeklagten Vortrag ſo wenig äußeres Ma- terial wie möglich angegeben. Mit dieſen Zuſammenhängen gerade beſchäftigte er ſich, während das Material als ſolches ſtillſchweigend auf ſeinem Grunde lag. Er war deshalb gerade nur von einer um ſo tieferen Wiſſenſchaftlichkeit, denn nicht in einem Vortrag, ſondern unter ihm ſoll bergetief, in „pur- purner Finſterniß“ die Maſſe des poſitiven Materials ruhen, deſſen Gedankenextract er zu geben hat. Und dieſen Vortrag hat der Staatsanwalt den unerhörten

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/109>, abgerufen am 04.12.2024.