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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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2. Kammer wird nur mit Mühe und Noth die Majorität von
10 gegen 8 Stimmen für den Gesetzesvorschlag erlangt. Um-
sonst ruft im Plenum der Finanzminister aus (p. 2323 der
Stenogr. Protocoll-Session 1849/50): "Die Regierung Sr.
Majestät des Königs hat es seit Jahren für eine unabweis-
bare Forderung der Zeit
erachtet", diese Reform vorzu-
nehmen. Ein Abgeordneter von Berlin entgegnet, worüber sich
der Regierungskommissar Bitter sehr bitter beschwert (p. 2333
Stenogr. Pr.), der Regierungsvorlage sogar, daß sie "lediglich
auf einer hohlen Theorie beruhe", genau so, wie mir
der Staatsanwalt sagt, mein Vortrag beruhe darin auf So-
phismen und Unwahrheiten.

Endlich wird, wie man in England sagen würde, vom mi-
nisteriellen Einpeitscher mit knapper Noth eine äußerst schwache
Majorität, eine Majorität von nur 32 Stimmen zu Stande
gebracht.

Die höheren Stände erregen aus allen Kräften gegen das
Gesetz die öffentliche Meinung, worin sie, denen alle
Mittel zu Gebote stehen öffentliche Meinung zu machen, natür-
lich leichtes Spiel haben, und als der Gesetzentwurf in die erste
Kammer kommt -- fällt er und wird verworfen!

Dieser Gesetzentwurf, trotz der Richtigkeit und Klarheit
seiner Motive, so furchtsam, zitternd und schonend in seinem
dispositiven Theil, daß ich ihn niemals unterschrieben hätte,
dieser Gesetzentwurf, der übrigens auch, wie die K. Staats-
regierung selbst erklärte, nur der erste vorläufige Schritt
auf der neuen Bahn sein sollte, er wird von der ersten Kammer
verworfen! Es wird gleich beim ersten Schritt die neue Bahn
gründlich verriegelt! Jhm entgegen votirt die erste
Kammer einen andern Gesetzentwurf, welcher noch jenen so
schonenden, so mehr als gemäßigten Gesetzesvorschlag gerade in
den wichtigsten und principiellsten Punkten in sein Gegentheil
umändert. Die Mahl- und Schlachtsteuer wird beibehalten,
an Stelle des reinen Procentsatzes der Einkommensteuer werden
weite Stufen gesetzt, für ein sehr großes Einkommen wird ein
Maximum eingeführt, so daß ein noch größeres Einkommen un-
besteuert bleiben soll u. s. w.

Doch lassen wir wiederum dem Ministerium Manteuffel das
Wort!

Jn der ersten Kammer unterlegen, in der zweiten bei einer

2. Kammer wird nur mit Mühe und Noth die Majorität von
10 gegen 8 Stimmen für den Geſetzesvorſchlag erlangt. Um-
ſonſt ruft im Plenum der Finanzminiſter aus (p. 2323 der
Stenogr. Protocoll-Seſſion 1849/50): „Die Regierung Sr.
Majeſtät des Königs hat es ſeit Jahren für eine unabweis-
bare Forderung der Zeit
erachtet“, dieſe Reform vorzu-
nehmen. Ein Abgeordneter von Berlin entgegnet, worüber ſich
der Regierungskommiſſar Bitter ſehr bitter beſchwert (p. 2333
Stenogr. Pr.), der Regierungsvorlage ſogar, daß ſie „lediglich
auf einer hohlen Theorie beruhe“, genau ſo, wie mir
der Staatsanwalt ſagt, mein Vortrag beruhe darin auf So-
phismen und Unwahrheiten.

Endlich wird, wie man in England ſagen würde, vom mi-
niſteriellen Einpeitſcher mit knapper Noth eine äußerſt ſchwache
Majorität, eine Majorität von nur 32 Stimmen zu Stande
gebracht.

Die höheren Stände erregen aus allen Kräften gegen das
Geſetz die öffentliche Meinung, worin ſie, denen alle
Mittel zu Gebote ſtehen öffentliche Meinung zu machen, natür-
lich leichtes Spiel haben, und als der Geſetzentwurf in die erſte
Kammer kommt — fällt er und wird verworfen!

Dieſer Geſetzentwurf, trotz der Richtigkeit und Klarheit
ſeiner Motive, ſo furchtſam, zitternd und ſchonend in ſeinem
dispoſitiven Theil, daß ich ihn niemals unterſchrieben hätte,
dieſer Geſetzentwurf, der übrigens auch, wie die K. Staats-
regierung ſelbſt erklärte, nur der erſte vorläufige Schritt
auf der neuen Bahn ſein ſollte, er wird von der erſten Kammer
verworfen! Es wird gleich beim erſten Schritt die neue Bahn
gründlich verriegelt! Jhm entgegen votirt die erſte
Kammer einen andern Geſetzentwurf, welcher noch jenen ſo
ſchonenden, ſo mehr als gemäßigten Geſetzesvorſchlag gerade in
den wichtigſten und principiellſten Punkten in ſein Gegentheil
umändert. Die Mahl- und Schlachtſteuer wird beibehalten,
an Stelle des reinen Procentſatzes der Einkommenſteuer werden
weite Stufen geſetzt, für ein ſehr großes Einkommen wird ein
Maximum eingeführt, ſo daß ein noch größeres Einkommen un-
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[110/0116] 2. Kammer wird nur mit Mühe und Noth die Majorität von 10 gegen 8 Stimmen für den Geſetzesvorſchlag erlangt. Um- ſonſt ruft im Plenum der Finanzminiſter aus (p. 2323 der Stenogr. Protocoll-Seſſion 1849/50): „Die Regierung Sr. Majeſtät des Königs hat es ſeit Jahren für eine unabweis- bare Forderung der Zeit erachtet“, dieſe Reform vorzu- nehmen. Ein Abgeordneter von Berlin entgegnet, worüber ſich der Regierungskommiſſar Bitter ſehr bitter beſchwert (p. 2333 Stenogr. Pr.), der Regierungsvorlage ſogar, daß ſie „lediglich auf einer hohlen Theorie beruhe“, genau ſo, wie mir der Staatsanwalt ſagt, mein Vortrag beruhe darin auf So- phismen und Unwahrheiten. Endlich wird, wie man in England ſagen würde, vom mi- niſteriellen Einpeitſcher mit knapper Noth eine äußerſt ſchwache Majorität, eine Majorität von nur 32 Stimmen zu Stande gebracht. Die höheren Stände erregen aus allen Kräften gegen das Geſetz die öffentliche Meinung, worin ſie, denen alle Mittel zu Gebote ſtehen öffentliche Meinung zu machen, natür- lich leichtes Spiel haben, und als der Geſetzentwurf in die erſte Kammer kommt — fällt er und wird verworfen! Dieſer Geſetzentwurf, trotz der Richtigkeit und Klarheit ſeiner Motive, ſo furchtſam, zitternd und ſchonend in ſeinem dispoſitiven Theil, daß ich ihn niemals unterſchrieben hätte, dieſer Geſetzentwurf, der übrigens auch, wie die K. Staats- regierung ſelbſt erklärte, nur der erſte vorläufige Schritt auf der neuen Bahn ſein ſollte, er wird von der erſten Kammer verworfen! Es wird gleich beim erſten Schritt die neue Bahn gründlich verriegelt! Jhm entgegen votirt die erſte Kammer einen andern Geſetzentwurf, welcher noch jenen ſo ſchonenden, ſo mehr als gemäßigten Geſetzesvorſchlag gerade in den wichtigſten und principiellſten Punkten in ſein Gegentheil umändert. Die Mahl- und Schlachtſteuer wird beibehalten, an Stelle des reinen Procentſatzes der Einkommenſteuer werden weite Stufen geſetzt, für ein ſehr großes Einkommen wird ein Maximum eingeführt, ſo daß ein noch größeres Einkommen un- beſteuert bleiben ſoll u. ſ. w. Doch laſſen wir wiederum dem Miniſterium Manteuffel das Wort! Jn der erſten Kammer unterlegen, in der zweiten bei einer

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/116>, abgerufen am 10.05.2024.