Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

im Lande wären, von welchen bei der damaligen Klassensteuer
den beiden ersten Hauptklassen nur 86,632 Steuerpflichtige
mit einem Steuerertrage von 1,661,509 Thlr. angehörten,
während die beiden untersten Hauptklassen 4,805,145 Steuer-
pflichtige mit einem Beitrag von 6,118,781 Thlr. umfaßten.

Und eben so weiß die K. Staatsregierung natürlich sehr
gut, daß dies Verhältniß in einem noch weit höheren
Grade bei den in directen Steuern
stattfinde. Denn
sie fährt unmittelbar hierauf wörtlich also fort: "Es liegt aber
eben dieses Umstands wegen die Anordnung einer
durchgreifenden, die untersten Volksklassen mit umfassenden
directen Steuer für Stadt und Land im eigensten Jnteresse
dieser Volksklassen, indem es nur dadurch möglich wird, die Er-
hebung allgemeiner Verbrauchssteuern in den größeren Städten,
welche, wie oben ausgeführt, die ersteren viel härter
treffen
-- viel härter treffen, meine Herren; also noch weit
mehr von ihnen erheben, als die directen Steuern -- entbehrlich
zu machen, während andererseits der Umstand, daß jetzt allen
Volksklassen durch die Verfassung dem Staate gegenüber un-
mittelbare Rechte eingeräumt sind, auch deren Verpflichtung, zu
den Staatslasten nach Maßgabe ihrer Kräfte beizutragen, noch
mehr als bisher zu begründen im Stande sein dürfte."

Ja sogar das gesteht die Staatsregierung ein, daß die
directe Einkommensteuer, um gerecht zu sein, eigentlich eine
progressive Steuer sein müsse, wovon sie jedoch Abstand
nehmen wolle.

Sie sehen also jetzt, meine Herren, handgreiflich, wie die
Sache steht. Alles, was ich Jhnen gesagt habe, Sie finden es
in den Motiven der Königlichen Botschaft wieder. Die Männer
der Wissenschaft haben sich so sehr die Hälse abgeschrieen die
Jahrhunderte hindurch, daß es endlich auch bis zu den Ohren
der Staatsregierung gedrungen ist. Nur Ein Staatsan-
walt
und Ein Gerichtshof haben sich unberührt erhalten von
dem allgemeinen Geräusch, die Ohren mit Wachs verstopft wie
Odysseus vor dem Gesang der Sirenen, und deshalb soll ich
ins Gefängniß gehen? Wie unbillig! --

Fragen Sie mich nun: welches war das Schicksal dieses
vom Ministerium Manteuffel vorgeschlagenen Gesetz-
entwurfes?

Infandum regina jubes etc.! Schon in der Kommission der

im Lande wären, von welchen bei der damaligen Klaſſenſteuer
den beiden erſten Hauptklaſſen nur 86,632 Steuerpflichtige
mit einem Steuerertrage von 1,661,509 Thlr. angehörten,
während die beiden unterſten Hauptklaſſen 4,805,145 Steuer-
pflichtige mit einem Beitrag von 6,118,781 Thlr. umfaßten.

Und eben ſo weiß die K. Staatsregierung natürlich ſehr
gut, daß dies Verhältniß in einem noch weit höheren
Grade bei den in directen Steuern
ſtattfinde. Denn
ſie fährt unmittelbar hierauf wörtlich alſo fort: „Es liegt aber
eben dieſes Umſtands wegen die Anordnung einer
durchgreifenden, die unterſten Volksklaſſen mit umfaſſenden
directen Steuer für Stadt und Land im eigenſten Jntereſſe
dieſer Volksklaſſen, indem es nur dadurch möglich wird, die Er-
hebung allgemeiner Verbrauchsſteuern in den größeren Städten,
welche, wie oben ausgeführt, die erſteren viel härter
treffen
— viel härter treffen, meine Herren; alſo noch weit
mehr von ihnen erheben, als die directen Steuern — entbehrlich
zu machen, während andererſeits der Umſtand, daß jetzt allen
Volksklaſſen durch die Verfaſſung dem Staate gegenüber un-
mittelbare Rechte eingeräumt ſind, auch deren Verpflichtung, zu
den Staatslaſten nach Maßgabe ihrer Kräfte beizutragen, noch
mehr als bisher zu begründen im Stande ſein dürfte.“

Ja ſogar das geſteht die Staatsregierung ein, daß die
directe Einkommenſteuer, um gerecht zu ſein, eigentlich eine
progreſſive Steuer ſein müſſe, wovon ſie jedoch Abſtand
nehmen wolle.

Sie ſehen alſo jetzt, meine Herren, handgreiflich, wie die
Sache ſteht. Alles, was ich Jhnen geſagt habe, Sie finden es
in den Motiven der Königlichen Botſchaft wieder. Die Männer
der Wiſſenſchaft haben ſich ſo ſehr die Hälſe abgeſchrieen die
Jahrhunderte hindurch, daß es endlich auch bis zu den Ohren
der Staatsregierung gedrungen iſt. Nur Ein Staatsan-
walt
und Ein Gerichtshof haben ſich unberührt erhalten von
dem allgemeinen Geräuſch, die Ohren mit Wachs verſtopft wie
Odyſſeus vor dem Geſang der Sirenen, und deshalb ſoll ich
ins Gefängniß gehen? Wie unbillig! —

Fragen Sie mich nun: welches war das Schickſal dieſes
vom Miniſterium Manteuffel vorgeſchlagenen Geſetz-
entwurfes?

Infandum regina jubes etc.! Schon in der Kommiſſion der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="109"/>
im Lande wären, von welchen bei der damaligen Kla&#x017F;&#x017F;en&#x017F;teuer<lb/>
den <hi rendition="#g">beiden er&#x017F;ten</hi> Hauptkla&#x017F;&#x017F;en nur 86,632 Steuerpflichtige<lb/>
mit einem Steuerertrage von 1,661,509 Thlr. angehörten,<lb/>
während die beiden unter&#x017F;ten Hauptkla&#x017F;&#x017F;en 4,805,145 Steuer-<lb/>
pflichtige mit einem Beitrag von 6,118,781 Thlr. umfaßten.</p><lb/>
        <p>Und eben &#x017F;o weiß die K. Staatsregierung natürlich &#x017F;ehr<lb/>
gut, daß dies Verhältniß in einem <hi rendition="#g">noch weit höheren<lb/>
Grade bei den in directen Steuern</hi> &#x017F;tattfinde. Denn<lb/>
&#x017F;ie fährt unmittelbar hierauf wörtlich al&#x017F;o fort: &#x201E;Es liegt aber<lb/><hi rendition="#g">eben die&#x017F;es Um&#x017F;tands wegen</hi> die Anordnung einer<lb/>
durchgreifenden, die unter&#x017F;ten Volkskla&#x017F;&#x017F;en mit umfa&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
directen Steuer für Stadt und Land im eigen&#x017F;ten Jntere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
die&#x017F;er Volkskla&#x017F;&#x017F;en, indem es nur dadurch möglich wird, die Er-<lb/>
hebung allgemeiner Verbrauchs&#x017F;teuern in den größeren Städten,<lb/>
welche, wie oben ausgeführt, <hi rendition="#g">die er&#x017F;teren viel härter<lb/>
treffen</hi> &#x2014; viel härter treffen, meine Herren; al&#x017F;o noch weit<lb/>
mehr von ihnen erheben, als die directen Steuern &#x2014; entbehrlich<lb/>
zu machen, während anderer&#x017F;eits der Um&#x017F;tand, daß jetzt allen<lb/>
Volkskla&#x017F;&#x017F;en durch die Verfa&#x017F;&#x017F;ung dem Staate gegenüber un-<lb/>
mittelbare Rechte eingeräumt &#x017F;ind, auch deren Verpflichtung, zu<lb/>
den Staatsla&#x017F;ten nach Maßgabe ihrer Kräfte beizutragen, noch<lb/>
mehr als bisher zu begründen im Stande &#x017F;ein dürfte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ja &#x017F;ogar <hi rendition="#g">das</hi> ge&#x017F;teht die Staatsregierung ein, daß die<lb/>
directe Einkommen&#x017F;teuer, um <hi rendition="#g">gerecht</hi> zu &#x017F;ein, eigentlich eine<lb/><hi rendition="#g">progre&#x017F;&#x017F;ive</hi> Steuer &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;e, wovon &#x017F;ie jedoch Ab&#x017F;tand<lb/>
nehmen wolle.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;ehen al&#x017F;o jetzt, meine Herren, handgreiflich, wie die<lb/>
Sache &#x017F;teht. Alles, was ich Jhnen ge&#x017F;agt habe, Sie finden es<lb/>
in den Motiven der Königlichen Bot&#x017F;chaft wieder. Die Männer<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft haben &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr die Häl&#x017F;e abge&#x017F;chrieen die<lb/>
Jahrhunderte hindurch, daß es endlich auch bis zu den Ohren<lb/>
der Staatsregierung gedrungen i&#x017F;t. Nur <hi rendition="#g">Ein Staatsan-<lb/>
walt</hi> und <hi rendition="#g">Ein</hi> Gerichtshof haben &#x017F;ich unberührt erhalten von<lb/>
dem allgemeinen Geräu&#x017F;ch, die Ohren mit Wachs ver&#x017F;topft wie<lb/>
Ody&#x017F;&#x017F;eus vor dem Ge&#x017F;ang der Sirenen, und deshalb &#x017F;oll <hi rendition="#g">ich</hi><lb/>
ins Gefängniß gehen? Wie unbillig! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Fragen Sie mich nun: welches war das Schick&#x017F;al die&#x017F;es<lb/>
vom <hi rendition="#g">Mini&#x017F;terium Manteuffel</hi> vorge&#x017F;chlagenen Ge&#x017F;etz-<lb/>
entwurfes?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Infandum regina jubes etc.!</hi> Schon in der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0115] im Lande wären, von welchen bei der damaligen Klaſſenſteuer den beiden erſten Hauptklaſſen nur 86,632 Steuerpflichtige mit einem Steuerertrage von 1,661,509 Thlr. angehörten, während die beiden unterſten Hauptklaſſen 4,805,145 Steuer- pflichtige mit einem Beitrag von 6,118,781 Thlr. umfaßten. Und eben ſo weiß die K. Staatsregierung natürlich ſehr gut, daß dies Verhältniß in einem noch weit höheren Grade bei den in directen Steuern ſtattfinde. Denn ſie fährt unmittelbar hierauf wörtlich alſo fort: „Es liegt aber eben dieſes Umſtands wegen die Anordnung einer durchgreifenden, die unterſten Volksklaſſen mit umfaſſenden directen Steuer für Stadt und Land im eigenſten Jntereſſe dieſer Volksklaſſen, indem es nur dadurch möglich wird, die Er- hebung allgemeiner Verbrauchsſteuern in den größeren Städten, welche, wie oben ausgeführt, die erſteren viel härter treffen — viel härter treffen, meine Herren; alſo noch weit mehr von ihnen erheben, als die directen Steuern — entbehrlich zu machen, während andererſeits der Umſtand, daß jetzt allen Volksklaſſen durch die Verfaſſung dem Staate gegenüber un- mittelbare Rechte eingeräumt ſind, auch deren Verpflichtung, zu den Staatslaſten nach Maßgabe ihrer Kräfte beizutragen, noch mehr als bisher zu begründen im Stande ſein dürfte.“ Ja ſogar das geſteht die Staatsregierung ein, daß die directe Einkommenſteuer, um gerecht zu ſein, eigentlich eine progreſſive Steuer ſein müſſe, wovon ſie jedoch Abſtand nehmen wolle. Sie ſehen alſo jetzt, meine Herren, handgreiflich, wie die Sache ſteht. Alles, was ich Jhnen geſagt habe, Sie finden es in den Motiven der Königlichen Botſchaft wieder. Die Männer der Wiſſenſchaft haben ſich ſo ſehr die Hälſe abgeſchrieen die Jahrhunderte hindurch, daß es endlich auch bis zu den Ohren der Staatsregierung gedrungen iſt. Nur Ein Staatsan- walt und Ein Gerichtshof haben ſich unberührt erhalten von dem allgemeinen Geräuſch, die Ohren mit Wachs verſtopft wie Odyſſeus vor dem Geſang der Sirenen, und deshalb ſoll ich ins Gefängniß gehen? Wie unbillig! — Fragen Sie mich nun: welches war das Schickſal dieſes vom Miniſterium Manteuffel vorgeſchlagenen Geſetz- entwurfes? Infandum regina jubes etc.! Schon in der Kommiſſion der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/115
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/115>, abgerufen am 04.12.2024.