Aristoteles: Gründe gg. d. Atom. aus d. Begriff des Stetigen.
Zugleich (#) in Bezug auf den Ort heißt das, was sich an ein und demselben Orte befindet. Gesondert (#) ist dasjenige, was an verschiedenen Orten ist. Diejenigen Dinge berühren sich (#), deren äußerste Enden "zugleich" sind. Dazwischen (#) nennt man das, wohin ein sich Veränderndes eher kommt, bevor es in naturgemäßer Entwickelung sein Endziel erreicht. Aufeinanderfolgend (#) ist dasjenige, was sich an ein andres reiht, ohne daß etwas anderes von der nämlichen Gattung dazwischen ist. Wenn sich das Aufeinanderfolgende auch berührt, so heißt es zusammenhängend (#). Das Zusammenhängende ist stetig (kontinuierlich, #), wenn die sich berührenden Grenzen der zusammenhängenden Teile ein und dieselben sind.
Danach ist es unmöglich, daß aus Unteilbarem eine stetige Größe entsteht. Denn wenn unteilbare Größen sich berühren, so müssen sie gänzlich zusammenfallen, wenn sie sich aber nicht berühren, so kann auch keine stetige Größe entstehen. Die Linie kann nicht aus Punkten bestehen.1
Da die stetige Größe nicht aus Unteilbarem entstehen kann, so ist sie auch nicht actu in Unteilbares zerlegbar. Denn wäre dies der Fall, so würde ein Unteilbares das andere berühren, was, wie oben gesagt, nicht möglich ist.2 Das Stetige ist daher ins Unendliche teilbar, doch ist die unendliche Teilbarkeit nur der Möglichkeit nach (potenziell, #), nicht actu, vorhanden.3 Auch der Punkt ist nicht für sich, sondern nur potenziell im Teilbaren vorhanden.
Da schließlich die unendliche Größe nicht in Wirklichkeit existieren kann, so ist es auch nicht gestattet, wie die Atomisten thun, eine unendlich große Anzahl von Atomen anzu- nehmen.
Auf jeden Fall gerät die Annahme von unteilbaren Größen demnach in Widerspruch mit der Mathematik.4
Sie gerät aber nicht minder in Widerspruch mit der Lehre von der Bewegung.
Wenn die Größe aus Unteilbaren bestände, so müßte Be- wegung ebenfalls aus gleichen unteilbaren Bewegungen bestehen.5
1Phys. VI, 1. 231 b. De coelo III, 8. 306 b.
2Phys. VI, 1. 231 b.
3Phys. III, 6. 207 b.
4De coelo III, 4. 303a. 21.
5Phys. VI, 1. 231 b.
Aristoteles: Gründe gg. d. Atom. aus d. Begriff des Stetigen.
Zugleich (#) in Bezug auf den Ort heißt das, was sich an ein und demselben Orte befindet. Gesondert (#) ist dasjenige, was an verschiedenen Orten ist. Diejenigen Dinge berühren sich (#), deren äußerste Enden „zugleich‟ sind. Dazwischen (#) nennt man das, wohin ein sich Veränderndes eher kommt, bevor es in naturgemäßer Entwickelung sein Endziel erreicht. Aufeinanderfolgend (#) ist dasjenige, was sich an ein andres reiht, ohne daß etwas anderes von der nämlichen Gattung dazwischen ist. Wenn sich das Aufeinanderfolgende auch berührt, so heißt es zusammenhängend (#). Das Zusammenhängende ist stetig (kontinuierlich, #), wenn die sich berührenden Grenzen der zusammenhängenden Teile ein und dieselben sind.
Danach ist es unmöglich, daß aus Unteilbarem eine stetige Größe entsteht. Denn wenn unteilbare Größen sich berühren, so müssen sie gänzlich zusammenfallen, wenn sie sich aber nicht berühren, so kann auch keine stetige Größe entstehen. Die Linie kann nicht aus Punkten bestehen.1
Da die stetige Größe nicht aus Unteilbarem entstehen kann, so ist sie auch nicht actu in Unteilbares zerlegbar. Denn wäre dies der Fall, so würde ein Unteilbares das andere berühren, was, wie oben gesagt, nicht möglich ist.2 Das Stetige ist daher ins Unendliche teilbar, doch ist die unendliche Teilbarkeit nur der Möglichkeit nach (potenziell, #), nicht actu, vorhanden.3 Auch der Punkt ist nicht für sich, sondern nur potenziell im Teilbaren vorhanden.
Da schließlich die unendliche Größe nicht in Wirklichkeit existieren kann, so ist es auch nicht gestattet, wie die Atomisten thun, eine unendlich große Anzahl von Atomen anzu- nehmen.
Auf jeden Fall gerät die Annahme von unteilbaren Größen demnach in Widerspruch mit der Mathematik.4
Sie gerät aber nicht minder in Widerspruch mit der Lehre von der Bewegung.
Wenn die Größe aus Unteilbaren bestände, so müßte Be- wegung ebenfalls aus gleichen unteilbaren Bewegungen bestehen.5
1Phys. VI, 1. 231 b. De coelo III, 8. 306 b.
2Phys. VI, 1. 231 b.
3Phys. III, 6. 207 b.
4De coelo III, 4. 303a. 21.
5Phys. VI, 1. 231 b.
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Aristoteles: Gründe gg. d. Atom. aus d. Begriff des Stetigen.
Zugleich (#) in Bezug auf den Ort heißt das, was
sich an ein und demselben Orte befindet. Gesondert (#)
ist dasjenige, was an verschiedenen Orten ist. Diejenigen
Dinge berühren sich (#), deren äußerste Enden
„zugleich‟ sind. Dazwischen (#) nennt man das, wohin
ein sich Veränderndes eher kommt, bevor es in naturgemäßer
Entwickelung sein Endziel erreicht. Aufeinanderfolgend
(#) ist dasjenige, was sich an ein andres reiht, ohne daß
etwas anderes von der nämlichen Gattung dazwischen ist.
Wenn sich das Aufeinanderfolgende auch berührt, so heißt es
zusammenhängend (#). Das Zusammenhängende ist
stetig (kontinuierlich, #), wenn die sich berührenden
Grenzen der zusammenhängenden Teile ein und dieselben sind.
Danach ist es unmöglich, daß aus Unteilbarem eine stetige
Größe entsteht. Denn wenn unteilbare Größen sich berühren,
so müssen sie gänzlich zusammenfallen, wenn sie sich aber
nicht berühren, so kann auch keine stetige Größe entstehen.
Die Linie kann nicht aus Punkten bestehen. 1
Da die stetige Größe nicht aus Unteilbarem entstehen
kann, so ist sie auch nicht actu in Unteilbares zerlegbar.
Denn wäre dies der Fall, so würde ein Unteilbares das andere
berühren, was, wie oben gesagt, nicht möglich ist. 2 Das
Stetige ist daher ins Unendliche teilbar, doch ist die unendliche
Teilbarkeit nur der Möglichkeit nach (potenziell, #), nicht
actu, vorhanden. 3 Auch der Punkt ist nicht für sich, sondern
nur potenziell im Teilbaren vorhanden.
Da schließlich die unendliche Größe nicht in Wirklichkeit
existieren kann, so ist es auch nicht gestattet, wie die Atomisten
thun, eine unendlich große Anzahl von Atomen anzu-
nehmen.
Auf jeden Fall gerät die Annahme von unteilbaren Größen
demnach in Widerspruch mit der Mathematik. 4
Sie gerät aber nicht minder in Widerspruch mit der Lehre
von der Bewegung.
Wenn die Größe aus Unteilbaren bestände, so müßte Be-
wegung ebenfalls aus gleichen unteilbaren Bewegungen bestehen. 5
1 Phys. VI, 1. 231 b. De coelo III, 8. 306 b.
2 Phys. VI, 1. 231 b.
3 Phys. III, 6. 207 b.
4 De coelo III, 4. 303a. 21.
5 Phys. VI, 1. 231 b.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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