der Diagonale nur infolge einer Sinnestäuschung reden, wie uns ja z. B. auch infolge der Perspektive oft gleiche Linien ungleich lang erscheinen. Denn nicht nur auf die Grenzen unsrer Wahrnehmungsfähigkeit, sondern auch auf die große Zahl der Sinnestäuschungen berufen sie sich bei der Begrün- dung der Atomistik, so z. B. auf die Wirkungen der Per- spektive, die optischen Täuschungen durch brechende Mittel, subjektive Änderung des Farbensinns, Kontrasterscheinungen (beim Geschmack) und ähnliches.
Gerade diese Einwendungen gegen die Atomistik der Mutakallimun sind es, welche derselben eine Stelle in der Geschichte des Körperproblems verschaffen. Sie weisen bereits auf die Rolle hin, welche der Kontinuitätsbegriff in der Naturwissenschaft wie in der Mathematik zu spielen hat. Dieser Zusammenhang der Frage nach dem Stetigen mit der Entwickelung des mathematischen Denkens wird später zu einer besonderen Behandlung der hier erwähnten Kontroversen Veranlassung geben.
Für die Erkenntnis der verschlungenen Wege, auf denen die Denkmittel des menschlichen Geistes in der Wechsel- wirkung sämtlicher Interessen der Kultur sich vervollkommnen, ist jene Atomistik der Mutakallimun ein im hohen Grade fesselndes Objekt. Sie bietet das seltsame Schauspiel, wie ein vermeintlicher Streit der beiden großen Griechen, Demokrit und Aristoteles, um eine Lehre, in welcher sie thatsächlich einig sind, nämlich in der unendlichen mathematischen Teilbarkeit des Raumes, im orientalischen Geiste den Gedanken anregt, beiden gerecht zu werden; wie dadurch die Forderung des Kalam, die Willkür Gottes zu beweisen, thatsächlich erreicht wird, wie die Arbeit der beiden größten Physiker durch die Verschmelzung ihrer Lehren von Grund aus zerstört, die Gesetzmäßigkeit der Welt, die sie beide erklären wollten, vernichtet wird; und wie doch schließlich die Zersetzung der Erkenntnis dazu dienen muß, das tiefste Problem, in dessen Lösung die Möglichkeit moderner Wissenschaft wurzelt, der Zukunft des abendländischen Geistes zugänglich zu machen.
der Diagonale nur infolge einer Sinnestäuschung reden, wie uns ja z. B. auch infolge der Perspektive oft gleiche Linien ungleich lang erscheinen. Denn nicht nur auf die Grenzen unsrer Wahrnehmungsfähigkeit, sondern auch auf die große Zahl der Sinnestäuschungen berufen sie sich bei der Begrün- dung der Atomistik, so z. B. auf die Wirkungen der Per- spektive, die optischen Täuschungen durch brechende Mittel, subjektive Änderung des Farbensinns, Kontrasterscheinungen (beim Geschmack) und ähnliches.
Gerade diese Einwendungen gegen die Atomistik der Mutakallimun sind es, welche derselben eine Stelle in der Geschichte des Körperproblems verschaffen. Sie weisen bereits auf die Rolle hin, welche der Kontinuitätsbegriff in der Naturwissenschaft wie in der Mathematik zu spielen hat. Dieser Zusammenhang der Frage nach dem Stetigen mit der Entwickelung des mathematischen Denkens wird später zu einer besonderen Behandlung der hier erwähnten Kontroversen Veranlassung geben.
Für die Erkenntnis der verschlungenen Wege, auf denen die Denkmittel des menschlichen Geistes in der Wechsel- wirkung sämtlicher Interessen der Kultur sich vervollkommnen, ist jene Atomistik der Mutakallimun ein im hohen Grade fesselndes Objekt. Sie bietet das seltsame Schauspiel, wie ein vermeintlicher Streit der beiden großen Griechen, Demokrit und Aristoteles, um eine Lehre, in welcher sie thatsächlich einig sind, nämlich in der unendlichen mathematischen Teilbarkeit des Raumes, im orientalischen Geiste den Gedanken anregt, beiden gerecht zu werden; wie dadurch die Forderung des Kalâm, die Willkür Gottes zu beweisen, thatsächlich erreicht wird, wie die Arbeit der beiden größten Physiker durch die Verschmelzung ihrer Lehren von Grund aus zerstört, die Gesetzmäßigkeit der Welt, die sie beide erklären wollten, vernichtet wird; und wie doch schließlich die Zersetzung der Erkenntnis dazu dienen muß, das tiefste Problem, in dessen Lösung die Möglichkeit moderner Wissenschaft wurzelt, der Zukunft des abendländischen Geistes zugänglich zu machen.
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Mutakallimun: Sinnestäuschungen. — Rekapitulation.
der Diagonale nur infolge einer Sinnestäuschung reden, wie
uns ja z. B. auch infolge der Perspektive oft gleiche Linien
ungleich lang erscheinen. Denn nicht nur auf die Grenzen
unsrer Wahrnehmungsfähigkeit, sondern auch auf die große
Zahl der Sinnestäuschungen berufen sie sich bei der Begrün-
dung der Atomistik, so z. B. auf die Wirkungen der Per-
spektive, die optischen Täuschungen durch brechende Mittel,
subjektive Änderung des Farbensinns, Kontrasterscheinungen
(beim Geschmack) und ähnliches.
Gerade diese Einwendungen gegen die Atomistik der
Mutakallimun sind es, welche derselben eine Stelle in der
Geschichte des Körperproblems verschaffen. Sie weisen bereits
auf die Rolle hin, welche der Kontinuitätsbegriff in der
Naturwissenschaft wie in der Mathematik zu spielen hat.
Dieser Zusammenhang der Frage nach dem Stetigen mit der
Entwickelung des mathematischen Denkens wird später zu
einer besonderen Behandlung der hier erwähnten Kontroversen
Veranlassung geben.
Für die Erkenntnis der verschlungenen Wege, auf denen
die Denkmittel des menschlichen Geistes in der Wechsel-
wirkung sämtlicher Interessen der Kultur sich vervollkommnen,
ist jene Atomistik der Mutakallimun ein im hohen Grade
fesselndes Objekt. Sie bietet das seltsame Schauspiel, wie ein
vermeintlicher Streit der beiden großen Griechen, Demokrit und
Aristoteles, um eine Lehre, in welcher sie thatsächlich einig
sind, nämlich in der unendlichen mathematischen Teilbarkeit
des Raumes, im orientalischen Geiste den Gedanken anregt,
beiden gerecht zu werden; wie dadurch die Forderung des
Kalâm, die Willkür Gottes zu beweisen, thatsächlich erreicht
wird, wie die Arbeit der beiden größten Physiker durch die
Verschmelzung ihrer Lehren von Grund aus zerstört, die
Gesetzmäßigkeit der Welt, die sie beide erklären wollten,
vernichtet wird; und wie doch schließlich die Zersetzung der
Erkenntnis dazu dienen muß, das tiefste Problem, in dessen
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/168>, abgerufen am 04.12.2024.
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