sich denken läßt, höchst gezwungene Deutung der in jenen Stellen gepriesenen "Weisheit" auf die Atome wird von Saadia, dem diese Angabe entnommen ist, als unzulässig nachge- wiesen.1
2. Saadia al-Fajjumi.
Saadia ben Joseph al-Fajjumi, geboren zu Fajjum in Ägypten um 892, wirkte zu Sora in Babylonien als Vorsteher der jüdischen Schule und starb 942. Er ist der erste, welcher im Gegensatz zu den Karaim das rabbanitische Religionsge- bäude mit philosophischen Beweisen zu stützen versuchte. In seinem Buche Uber Glaubenslehre und Meinungen (oder "Glauben und Wissen" oder "Religion und Philosophie"), 933 in arabischer Sprache verfaßt, verteidigt er den religiösen Glauben gegen fremde Lehrmeinungen und bekämpft bei dieser Gelegenheit ausführlich die Atomistik. Er findet, daß der oben erwähnte (von den Eleaten herrührende) Einwurf gegen die unendliche Teilbarkeit des Raumes, der seine Glaubens- genossen zur Annahme der Atomistik getrieben habe, höchst sonderbar sei, da die unendliche Teilbarkeit nicht wirklich besteht, sondern vom Gedanken gesetzt wird und ein wirkliches Vor- nehmen der Teilung ins Unendliche ja ganz unfaßbar ist; vielmehr ist Zeit und Raum in Wirklichkeit endlich und nur das Denken nimmt die unendliche Teilbarkeit an.2Saadia setzt dann die Ansicht der Atomisten, als welche er Leukipp, Anaxagoras, Demokrit, Epikur nennt, auseinander und schreibt ihnen die Annahme zu, daß der Schöpfer die Welt aus den Atomen zusammengesetzt habe. Die Konstruktion der Welt aus Atomen schildert Saadia unter Verbindung mit der (miß- verständlich aufgefaßten) platonischen Lehre folgendermaßen:3
"Die zweite Ansicht ist die Meinung dessen, welcher sagt, der Schöpfer der Dinge habe ideelle (nur in der Idee exi- stierende) ewige Körper gehabt; aus diesen habe er die zu-
1Saadia, a. a. O. I, 19. S. 73. I, 20. S. 75.
2Saadia, a. a. O. I, 6. S. 61.
3Saadia, Emunot we-Deot. c. 1. (S. 26 ed. Leipzig). Die obige Übersetzung verdanke ich der Güte von S. Maybaum in Berlin. Bei Fürst (Leipzig 1845) 1, 17. S. 69.
Saadia: Gegen die Karaim.
sich denken läßt, höchst gezwungene Deutung der in jenen Stellen gepriesenen „Weisheit‟ auf die Atome wird von Saadia, dem diese Angabe entnommen ist, als unzulässig nachge- wiesen.1
2. Saadia al-Fajjumi.
Saadia ben Joseph al-Fajjumi, geboren zu Fajjum in Ägypten um 892, wirkte zu Sora in Babylonien als Vorsteher der jüdischen Schule und starb 942. Er ist der erste, welcher im Gegensatz zu den Karaim das rabbanitische Religionsge- bäude mit philosophischen Beweisen zu stützen versuchte. In seinem Buche Uber Glaubenslehre und Meinungen (oder „Glauben und Wissen‟ oder „Religion und Philosophie‟), 933 in arabischer Sprache verfaßt, verteidigt er den religiösen Glauben gegen fremde Lehrmeinungen und bekämpft bei dieser Gelegenheit ausführlich die Atomistik. Er findet, daß der oben erwähnte (von den Eleaten herrührende) Einwurf gegen die unendliche Teilbarkeit des Raumes, der seine Glaubens- genossen zur Annahme der Atomistik getrieben habe, höchst sonderbar sei, da die unendliche Teilbarkeit nicht wirklich besteht, sondern vom Gedanken gesetzt wird und ein wirkliches Vor- nehmen der Teilung ins Unendliche ja ganz unfaßbar ist; vielmehr ist Zeit und Raum in Wirklichkeit endlich und nur das Denken nimmt die unendliche Teilbarkeit an.2Saadia setzt dann die Ansicht der Atomisten, als welche er Leukipp, Anaxagoras, Demokrit, Epikur nennt, auseinander und schreibt ihnen die Annahme zu, daß der Schöpfer die Welt aus den Atomen zusammengesetzt habe. Die Konstruktion der Welt aus Atomen schildert Saadia unter Verbindung mit der (miß- verständlich aufgefaßten) platonischen Lehre folgendermaßen:3
„Die zweite Ansicht ist die Meinung dessen, welcher sagt, der Schöpfer der Dinge habe ideelle (nur in der Idee exi- stierende) ewige Körper gehabt; aus diesen habe er die zu-
1Saadia, a. a. O. I, 19. S. 73. I, 20. S. 75.
2Saadia, a. a. O. I, 6. S. 61.
3Saadia, Emunot we-Dëot. c. 1. (S. 26 ed. Leipzig). Die obige Übersetzung verdanke ich der Güte von S. Maybaum in Berlin. Bei Fürst (Leipzig 1845) 1, 17. S. 69.
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Saadia: Gegen die Karaim.
sich denken läßt, höchst gezwungene Deutung der in jenen
Stellen gepriesenen „Weisheit‟ auf die Atome wird von Saadia,
dem diese Angabe entnommen ist, als unzulässig nachge-
wiesen. 1
2. Saadia al-Fajjumi.
Saadia ben Joseph al-Fajjumi, geboren zu Fajjum in
Ägypten um 892, wirkte zu Sora in Babylonien als Vorsteher
der jüdischen Schule und starb 942. Er ist der erste, welcher
im Gegensatz zu den Karaim das rabbanitische Religionsge-
bäude mit philosophischen Beweisen zu stützen versuchte.
In seinem Buche Uber Glaubenslehre und Meinungen (oder
„Glauben und Wissen‟ oder „Religion und Philosophie‟), 933
in arabischer Sprache verfaßt, verteidigt er den religiösen
Glauben gegen fremde Lehrmeinungen und bekämpft bei dieser
Gelegenheit ausführlich die Atomistik. Er findet, daß der
oben erwähnte (von den Eleaten herrührende) Einwurf gegen
die unendliche Teilbarkeit des Raumes, der seine Glaubens-
genossen zur Annahme der Atomistik getrieben habe, höchst
sonderbar sei, da die unendliche Teilbarkeit nicht wirklich besteht,
sondern vom Gedanken gesetzt wird und ein wirkliches Vor-
nehmen der Teilung ins Unendliche ja ganz unfaßbar ist;
vielmehr ist Zeit und Raum in Wirklichkeit endlich und nur
das Denken nimmt die unendliche Teilbarkeit an. 2 Saadia
setzt dann die Ansicht der Atomisten, als welche er Leukipp,
Anaxagoras, Demokrit, Epikur nennt, auseinander und schreibt
ihnen die Annahme zu, daß der Schöpfer die Welt aus den
Atomen zusammengesetzt habe. Die Konstruktion der Welt
aus Atomen schildert Saadia unter Verbindung mit der (miß-
verständlich aufgefaßten) platonischen Lehre folgendermaßen: 3
„Die zweite Ansicht ist die Meinung dessen, welcher sagt,
der Schöpfer der Dinge habe ideelle (nur in der Idee exi-
stierende) ewige Körper gehabt; aus diesen habe er die zu-
1 Saadia, a. a. O. I, 19. S. 73. I, 20. S. 75.
2 Saadia, a. a. O. I, 6. S. 61.
3 Saadia, Emunot we-Dëot. c. 1. (S. 26 ed. Leipzig). Die obige Übersetzung
verdanke ich der Güte von S. Maybaum in Berlin. Bei Fürst (Leipzig 1845)
1, 17. S. 69.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/170>, abgerufen am 04.12.2024.
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