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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Galen gegen die Atomistik.
hippokratisch-aristotelische Theorie der vier Elemente entgegen
und hebt dem Porismus der Methodiker gegenüber den Humo-
rismus des Hippokrates wieder hervor, alles durchdringend mit
ausgesuchter Teleologie, welche die Zusammensetzung der
Körper nur nach Maßgabe ihres Zweckes betrachtet. Wenn
man aber die weitschweifigen Bücher Galens durchgeht, um
zu sehen, welche Argumente er gegen die atomistische Lehre
vorgebracht habe, so ist die Ausbeute eine höchst geringe.
Man kann sagen, es reduziert sich alles auf eine einzige, dem
Hippokrates zugeschriebene Redensart, welche lautet: "Ich be-
haupte, daß der Mensch, wenn er aus einem einzigen Ele-
mente bestände, nicht krank werden könne."1 Diesen Beweis-
grund wiederholt Galen bis zum Überdruß, und nach ihm
finden wir ihn unzähligemal in der medizinischen Litteratur
als vermeintlich unwiderleglichen Grund gegen die Atomistik
angeführt. Wegen dieser historischen Bedeutung, welchen
Galens Einspruch gewonnen hat, soll derselbe hier ausführ-
lich dargelegt werden, zugleich als eine Ergänzung zu den
ungleich schärferen Einwänden des Aristoteles gegen die
Atomistik. Galens Polemik gehört mit zu den Hauptquellen
für die Kenntnis der antiken Atomistik während des Mittelalters.

Zunächst erleichtert sich Galen die Bekämpfung der ver-
schiedenen philosophischen Sekten dadurch, daß er alle die-
jenigen zusammenfaßt, welche Grundstoffe ohne sinnliche
Qualitäten annehmen, und unter absichtlicher Vernachlässigung
aller übrigen Verschiedenheiten diese gemeinsame Grundansicht
bestreitet. Auf diese Weise glaubt er die Atomiker Leukipp,
Demokrit, Epikur
, ebenso wie Anaxagoras, Empedokles und
Asklepiades mit einem Schlage vernichten zu können; denn
sie alle nehmen an, daß der zugrundeliegende Urstoff keine
sinnlichen Qualitäten besitze.2 Bei dieser Gelegenheit beschreibt

1 #. Hippokr.
# cp. 5. Galeni op. XV, p. 35. -- Galeni De constitutione
artis medicae
c. 7. I p. 247. -- De elementis, c. 1. I p. 413, dsgl. pp. 419,
434, 449, 482, 483, 484 u. an vielen andern Stellen. -- De elem. I, 434 wird
noch als Ansicht des Hippokrates angeführt, daß, wenn der Mensch nur aus
einem Elemente bestände, es auch nur ein Heilmittel geben könne.
2 De elem. I, p. 416, 417. Vgl. auch m. Abh. über Sennert. Viertelj. f.
w. Ph.
III. S. 428.

Galen gegen die Atomistik.
hippokratisch-aristotelische Theorie der vier Elemente entgegen
und hebt dem Porismus der Methodiker gegenüber den Humo-
rismus des Hippokrates wieder hervor, alles durchdringend mit
ausgesuchter Teleologie, welche die Zusammensetzung der
Körper nur nach Maßgabe ihres Zweckes betrachtet. Wenn
man aber die weitschweifigen Bücher Galens durchgeht, um
zu sehen, welche Argumente er gegen die atomistische Lehre
vorgebracht habe, so ist die Ausbeute eine höchst geringe.
Man kann sagen, es reduziert sich alles auf eine einzige, dem
Hippokrates zugeschriebene Redensart, welche lautet: „Ich be-
haupte, daß der Mensch, wenn er aus einem einzigen Ele-
mente bestände, nicht krank werden könne.‟1 Diesen Beweis-
grund wiederholt Galen bis zum Überdruß, und nach ihm
finden wir ihn unzähligemal in der medizinischen Litteratur
als vermeintlich unwiderleglichen Grund gegen die Atomistik
angeführt. Wegen dieser historischen Bedeutung, welchen
Galens Einspruch gewonnen hat, soll derselbe hier ausführ-
lich dargelegt werden, zugleich als eine Ergänzung zu den
ungleich schärferen Einwänden des Aristoteles gegen die
Atomistik. Galens Polemik gehört mit zu den Hauptquellen
für die Kenntnis der antiken Atomistik während des Mittelalters.

Zunächst erleichtert sich Galen die Bekämpfung der ver-
schiedenen philosophischen Sekten dadurch, daß er alle die-
jenigen zusammenfaßt, welche Grundstoffe ohne sinnliche
Qualitäten annehmen, und unter absichtlicher Vernachlässigung
aller übrigen Verschiedenheiten diese gemeinsame Grundansicht
bestreitet. Auf diese Weise glaubt er die Atomiker Leukipp,
Demokrit, Epikur
, ebenso wie Anaxagoras, Empedokles und
Asklepiades mit einem Schlage vernichten zu können; denn
sie alle nehmen an, daß der zugrundeliegende Urstoff keine
sinnlichen Qualitäten besitze.2 Bei dieser Gelegenheit beschreibt

1 #. Hippokr.
# cp. 5. Galeni op. XV, p. 35. — Galeni De constitutione
artis medicae
c. 7. I p. 247. — De elementis, c. 1. I p. 413, dsgl. pp. 419,
434, 449, 482, 483, 484 u. an vielen andern Stellen. — De elem. I, 434 wird
noch als Ansicht des Hippokrates angeführt, daß, wenn der Mensch nur aus
einem Elemente bestände, es auch nur ein Heilmittel geben könne.
2 De elem. I, p. 416, 417. Vgl. auch m. Abh. über Sennert. Viertelj. f.
w. Ph.
III. S. 428.
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[231/0249] Galen gegen die Atomistik. hippokratisch-aristotelische Theorie der vier Elemente entgegen und hebt dem Porismus der Methodiker gegenüber den Humo- rismus des Hippokrates wieder hervor, alles durchdringend mit ausgesuchter Teleologie, welche die Zusammensetzung der Körper nur nach Maßgabe ihres Zweckes betrachtet. Wenn man aber die weitschweifigen Bücher Galens durchgeht, um zu sehen, welche Argumente er gegen die atomistische Lehre vorgebracht habe, so ist die Ausbeute eine höchst geringe. Man kann sagen, es reduziert sich alles auf eine einzige, dem Hippokrates zugeschriebene Redensart, welche lautet: „Ich be- haupte, daß der Mensch, wenn er aus einem einzigen Ele- mente bestände, nicht krank werden könne.‟ 1 Diesen Beweis- grund wiederholt Galen bis zum Überdruß, und nach ihm finden wir ihn unzähligemal in der medizinischen Litteratur als vermeintlich unwiderleglichen Grund gegen die Atomistik angeführt. Wegen dieser historischen Bedeutung, welchen Galens Einspruch gewonnen hat, soll derselbe hier ausführ- lich dargelegt werden, zugleich als eine Ergänzung zu den ungleich schärferen Einwänden des Aristoteles gegen die Atomistik. Galens Polemik gehört mit zu den Hauptquellen für die Kenntnis der antiken Atomistik während des Mittelalters. Zunächst erleichtert sich Galen die Bekämpfung der ver- schiedenen philosophischen Sekten dadurch, daß er alle die- jenigen zusammenfaßt, welche Grundstoffe ohne sinnliche Qualitäten annehmen, und unter absichtlicher Vernachlässigung aller übrigen Verschiedenheiten diese gemeinsame Grundansicht bestreitet. Auf diese Weise glaubt er die Atomiker Leukipp, Demokrit, Epikur, ebenso wie Anaxagoras, Empedokles und Asklepiades mit einem Schlage vernichten zu können; denn sie alle nehmen an, daß der zugrundeliegende Urstoff keine sinnlichen Qualitäten besitze. 2 Bei dieser Gelegenheit beschreibt 1 #. Hippokr. # cp. 5. Galeni op. XV, p. 35. — Galeni De constitutione artis medicae c. 7. I p. 247. — De elementis, c. 1. I p. 413, dsgl. pp. 419, 434, 449, 482, 483, 484 u. an vielen andern Stellen. — De elem. I, 434 wird noch als Ansicht des Hippokrates angeführt, daß, wenn der Mensch nur aus einem Elemente bestände, es auch nur ein Heilmittel geben könne. 2 De elem. I, p. 416, 417. Vgl. auch m. Abh. über Sennert. Viertelj. f. w. Ph. III. S. 428.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/249>, abgerufen am 24.11.2024.