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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Paracelsus: Elemente und Grundstoffe.

Die Elemente sind von den Alten nicht richtig aufgefaßt
worden. Allerdings gibt es vier Elemente, aber sie sind nur
"Mütter ihrer Frucht",1 d. h. sie bewirken Neubildungen, und
daher müssen sie selbst zersetzbar sein.2 Denn Zersetzung
ist die Bedingung jedes Entstehens, und erst durch die Schei-
dung (Fäulung) gewinnen die Dinge ihr Einzeldasein.3 Die
Grundbestandteile aller Dinge aber sind die drei: Mercurius,
Sulfur
und Sal. Das beweist die chemische Analyse, welche
stets nur auf diese drei Grundbestandteile oder Pinzipien führt.
Was brennt, ist Sulfur, nichts anderes brennt, als Sulfur.
Was raucht und sich sublimiert, das ist Mercurius, was
als unverbrennliche Asche zurückbleibt, das ist Sal.4 Diese
drei Grundsubstanzen (tres primae substantiae) können zwar
nicht selbständig dargestellt werden, aber sie sind bei
der Verbrennung und durch das Feuer zu erkennen. Sie
können nicht ohne einander sein, denn der Sulphur bedingt
Wachstum und Gedeihen, der Mercurius die Flüssigkeit, das
Sal die Form und Festigkeit der Körper.5 Salz herrscht über
das, "was zur Fäulung geht", Sulfur über das, was zu viel wird
aus den beiden andern, oder zerbricht, Merkur nimmt hinweg,
"das in die Consumption geht." Merkur ist ein Liquor, Sulfur
ein Oel, Salz ein Alcali.6 Die verschiedenen Stoffe haben ihre
besonderen Mercurii, Sulfura und Sales. Von ihrer normalen
Mischung im Körper hängt das Bestehen der Gesundheit ab.

Die drei Grundsubstanzen selbst bilden die Elemente und
alle Dinge.7 Von den Elementen kann man drei irdische und
ein himmliches unterscheiden; die irdischen sind Erde, Wasser
und Luft, das himmlische aber ist nicht das Feuer, son-
dern der Himmel selbst
. Es gibt kein Elementum ignis,
sondern nur ein Elementum coeli. Das Feuer gibt dem Menschen

1 Paramirum l. I c. 3. I p. 87. Met. VIII. p. 178.
2 Paramirum l. IV. I p. 192. Dies Buch ist weniger beglaubigt, aber die
Auffassung ist jedenfalls echt.
3 Labyrinthus Medicorum c. 10. II p. 232, 233.
4 Paramirum l. I. I p. 74.
5 A. a. O. und l. II. c. 5. I p. 129.
6 Von den ersten dreyen Essentiis III. p. 15. (Ex aliorum mss.)
7 I, p. 75, 114. u. a. Meteor. VIII p. 186 u. 187, wo die Namen Ignis
Sal, Balsamus
gebraucht werden. Ignis = Sulfur = Feuer, Balsam = Li-
quor
= Mercurius.
Paracelsus: Elemente und Grundstoffe.

Die Elemente sind von den Alten nicht richtig aufgefaßt
worden. Allerdings gibt es vier Elemente, aber sie sind nur
„Mütter ihrer Frucht‟,1 d. h. sie bewirken Neubildungen, und
daher müssen sie selbst zersetzbar sein.2 Denn Zersetzung
ist die Bedingung jedes Entstehens, und erst durch die Schei-
dung (Fäulung) gewinnen die Dinge ihr Einzeldasein.3 Die
Grundbestandteile aller Dinge aber sind die drei: Mercurius,
Sulfur
und Sal. Das beweist die chemische Analyse, welche
stets nur auf diese drei Grundbestandteile oder Pinzipien führt.
Was brennt, ist Sulfur, nichts anderes brennt, als Sulfur.
Was raucht und sich sublimiert, das ist Mercurius, was
als unverbrennliche Asche zurückbleibt, das ist Sal.4 Diese
drei Grundsubstanzen (tres primae substantiae) können zwar
nicht selbständig dargestellt werden, aber sie sind bei
der Verbrennung und durch das Feuer zu erkennen. Sie
können nicht ohne einander sein, denn der Sulphur bedingt
Wachstum und Gedeihen, der Mercurius die Flüssigkeit, das
Sal die Form und Festigkeit der Körper.5 Salz herrscht über
das, „was zur Fäulung geht‟, Sulfur über das, was zu viel wird
aus den beiden andern, oder zerbricht, Merkur nimmt hinweg,
„das in die Consumption geht.‟ Merkur ist ein Liquor, Sulfur
ein Oel, Salz ein Alcali.6 Die verschiedenen Stoffe haben ihre
besonderen Mercurii, Sulfura und Sales. Von ihrer normalen
Mischung im Körper hängt das Bestehen der Gesundheit ab.

Die drei Grundsubstanzen selbst bilden die Elemente und
alle Dinge.7 Von den Elementen kann man drei irdische und
ein himmliches unterscheiden; die irdischen sind Erde, Wasser
und Luft, das himmlische aber ist nicht das Feuer, son-
dern der Himmel selbst
. Es gibt kein Elementum ignis,
sondern nur ein Elementum coeli. Das Feuer gibt dem Menschen

1 Paramirum l. I c. 3. I p. 87. Met. VIII. p. 178.
2 Paramirum l. IV. I p. 192. Dies Buch ist weniger beglaubigt, aber die
Auffassung ist jedenfalls echt.
3 Labyrinthus Medicorum c. 10. II p. 232, 233.
4 Paramirum l. I. I p. 74.
5 A. a. O. und l. II. c. 5. I p. 129.
6 Von den ersten dreyen Essentiis III. p. 15. (Ex aliorum mss.)
7 I, p. 75, 114. u. a. Meteor. VIII p. 186 u. 187, wo die Namen Ignis
Sal, Balsamus
gebraucht werden. Ignis = Sulfur = Feuer, Balsam = Li-
quor
= Mercurius.
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[300/0318] Paracelsus: Elemente und Grundstoffe. Die Elemente sind von den Alten nicht richtig aufgefaßt worden. Allerdings gibt es vier Elemente, aber sie sind nur „Mütter ihrer Frucht‟, 1 d. h. sie bewirken Neubildungen, und daher müssen sie selbst zersetzbar sein. 2 Denn Zersetzung ist die Bedingung jedes Entstehens, und erst durch die Schei- dung (Fäulung) gewinnen die Dinge ihr Einzeldasein. 3 Die Grundbestandteile aller Dinge aber sind die drei: Mercurius, Sulfur und Sal. Das beweist die chemische Analyse, welche stets nur auf diese drei Grundbestandteile oder Pinzipien führt. Was brennt, ist Sulfur, nichts anderes brennt, als Sulfur. Was raucht und sich sublimiert, das ist Mercurius, was als unverbrennliche Asche zurückbleibt, das ist Sal. 4 Diese drei Grundsubstanzen (tres primae substantiae) können zwar nicht selbständig dargestellt werden, aber sie sind bei der Verbrennung und durch das Feuer zu erkennen. Sie können nicht ohne einander sein, denn der Sulphur bedingt Wachstum und Gedeihen, der Mercurius die Flüssigkeit, das Sal die Form und Festigkeit der Körper. 5 Salz herrscht über das, „was zur Fäulung geht‟, Sulfur über das, was zu viel wird aus den beiden andern, oder zerbricht, Merkur nimmt hinweg, „das in die Consumption geht.‟ Merkur ist ein Liquor, Sulfur ein Oel, Salz ein Alcali. 6 Die verschiedenen Stoffe haben ihre besonderen Mercurii, Sulfura und Sales. Von ihrer normalen Mischung im Körper hängt das Bestehen der Gesundheit ab. Die drei Grundsubstanzen selbst bilden die Elemente und alle Dinge. 7 Von den Elementen kann man drei irdische und ein himmliches unterscheiden; die irdischen sind Erde, Wasser und Luft, das himmlische aber ist nicht das Feuer, son- dern der Himmel selbst. Es gibt kein Elementum ignis, sondern nur ein Elementum coeli. Das Feuer gibt dem Menschen 1 Paramirum l. I c. 3. I p. 87. Met. VIII. p. 178. 2 Paramirum l. IV. I p. 192. Dies Buch ist weniger beglaubigt, aber die Auffassung ist jedenfalls echt. 3 Labyrinthus Medicorum c. 10. II p. 232, 233. 4 Paramirum l. I. I p. 74. 5 A. a. O. und l. II. c. 5. I p. 129. 6 Von den ersten dreyen Essentiis III. p. 15. (Ex aliorum mss.) 7 I, p. 75, 114. u. a. Meteor. VIII p. 186 u. 187, wo die Namen Ignis Sal, Balsamus gebraucht werden. Ignis = Sulfur = Feuer, Balsam = Li- quor = Mercurius.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/318>, abgerufen am 22.11.2024.