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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Paracelsus: Die Archei.
nichts Elementisches, keine Frucht, sondern es tötet und
scheidet nur; es ist daher nicht zu den Elementen zu rechnen.1
Die Entstehung der einzelnen Elemente kann übergangen werden.2
Die Wirksamkeit der Elemente beruht auf dem in ihnen befind-
lichen Archeus oder Lebensgeiste. In jedem Elemente steckt ein
Fabricator, ein Arbeiter, der für uns durch den Befehl Gottes
sorgt Tag und Nacht. Diese Archei sind die schaffenden
Prinzipien oder wirkenden Kräfte (virtutes) in den Dingen,
sie sind keine persönlichen Geister, sondern Natur-
kräfte
, wirken unbewußt und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit
der stofflichen Elemente.3 So schwebt Paracelsus der Gedanke
vor, daß in den Elementen Stoff und Kraft vereinigt liegt;
der Stoff ist belebt, und das Leben ist selbst nichts andres,
als Bethätigung, Ursache einer Einwirkung auf andres, also
das, was wir Kraft nennen. Alles Vorhandene besitzt auch
Wirkungsfähigkeit; beide Begriffe, Sein und Wirken, sind nicht
zu trennen. Das Leben des Wassers ist seine Flüssigkeit, das des
Feuers seine Flüchtigkeit,4 die wesentliche Eigenschaft jedes
Dinges dasjenige, was sein Leben ausmacht. Leben ist Wirken
und Wirken ist Sein; eins ist nur erklärlich durch das andre.
So werden ihm Leben und chemischer Prozeß ein und dasselbe.

In diesem Gedanken liegt die Bedeutung des Paracelsus für
die neue Auffassung des Weltgeschehens. Die Ansicht der
Alchymisten von der Zusammensetzung der Dinge erweitert er
zu einer philosophischen Weltansicht. Der Gedanke der Varia-
bilität, welcher Cusanus vorschwebte, hat bei dem Empiriker
neues Leben gewonnen. Das größte Beispiel einer Veränder-
lichkeit, welche ihr Entwickelungsgesetz in sich selbst trägt,
ist der Organismus, dessen ganzes Werden im Keime vorge-
bildet liegt. Diese Entwickelung aber besteht nicht mehr
allein in der Entfaltung des Begriffes im Denken, sie liegt im
sinnlichen Naturgeschehen vor Augen. Körper sind es, welche
durch Abscheidung und Aufnahme von Stoffen entstehen.

1 Meteor. c. 1. VIII p. 182, 183.
2 Man vgl. darüber Rixner u. Siber, G. 1. S. 82--84, wo jedoch auch
die unsicheren Schriften benutzt sind.
3 Meteor. c. 4. VIII p. 206.
4 Dies ist besonders ausgeführt in der allerdings weniger beglaubigten
Schrift De natura rerum, c. IV. T. VI. p. 277 ff.

Paracelsus: Die Archei.
nichts Elementisches, keine Frucht, sondern es tötet und
scheidet nur; es ist daher nicht zu den Elementen zu rechnen.1
Die Entstehung der einzelnen Elemente kann übergangen werden.2
Die Wirksamkeit der Elemente beruht auf dem in ihnen befind-
lichen Archeus oder Lebensgeiste. In jedem Elemente steckt ein
Fabricator, ein Arbeiter, der für uns durch den Befehl Gottes
sorgt Tag und Nacht. Diese Archei sind die schaffenden
Prinzipien oder wirkenden Kräfte (virtutes) in den Dingen,
sie sind keine persönlichen Geister, sondern Natur-
kräfte
, wirken unbewußt und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit
der stofflichen Elemente.3 So schwebt Paracelsus der Gedanke
vor, daß in den Elementen Stoff und Kraft vereinigt liegt;
der Stoff ist belebt, und das Leben ist selbst nichts andres,
als Bethätigung, Ursache einer Einwirkung auf andres, also
das, was wir Kraft nennen. Alles Vorhandene besitzt auch
Wirkungsfähigkeit; beide Begriffe, Sein und Wirken, sind nicht
zu trennen. Das Leben des Wassers ist seine Flüssigkeit, das des
Feuers seine Flüchtigkeit,4 die wesentliche Eigenschaft jedes
Dinges dasjenige, was sein Leben ausmacht. Leben ist Wirken
und Wirken ist Sein; eins ist nur erklärlich durch das andre.
So werden ihm Leben und chemischer Prozeß ein und dasselbe.

In diesem Gedanken liegt die Bedeutung des Paracelsus für
die neue Auffassung des Weltgeschehens. Die Ansicht der
Alchymisten von der Zusammensetzung der Dinge erweitert er
zu einer philosophischen Weltansicht. Der Gedanke der Varia-
bilität, welcher Cusanus vorschwebte, hat bei dem Empiriker
neues Leben gewonnen. Das größte Beispiel einer Veränder-
lichkeit, welche ihr Entwickelungsgesetz in sich selbst trägt,
ist der Organismus, dessen ganzes Werden im Keime vorge-
bildet liegt. Diese Entwickelung aber besteht nicht mehr
allein in der Entfaltung des Begriffes im Denken, sie liegt im
sinnlichen Naturgeschehen vor Augen. Körper sind es, welche
durch Abscheidung und Aufnahme von Stoffen entstehen.

1 Meteor. c. 1. VIII p. 182, 183.
2 Man vgl. darüber Rixner u. Siber, G. 1. S. 82—84, wo jedoch auch
die unsicheren Schriften benutzt sind.
3 Meteor. c. 4. VIII p. 206.
4 Dies ist besonders ausgeführt in der allerdings weniger beglaubigten
Schrift De natura rerum, c. IV. T. VI. p. 277 ff.
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[301/0319] Paracelsus: Die Archei. nichts Elementisches, keine Frucht, sondern es tötet und scheidet nur; es ist daher nicht zu den Elementen zu rechnen. 1 Die Entstehung der einzelnen Elemente kann übergangen werden. 2 Die Wirksamkeit der Elemente beruht auf dem in ihnen befind- lichen Archeus oder Lebensgeiste. In jedem Elemente steckt ein Fabricator, ein Arbeiter, der für uns durch den Befehl Gottes sorgt Tag und Nacht. Diese Archei sind die schaffenden Prinzipien oder wirkenden Kräfte (virtutes) in den Dingen, sie sind keine persönlichen Geister, sondern Natur- kräfte, wirken unbewußt und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der stofflichen Elemente. 3 So schwebt Paracelsus der Gedanke vor, daß in den Elementen Stoff und Kraft vereinigt liegt; der Stoff ist belebt, und das Leben ist selbst nichts andres, als Bethätigung, Ursache einer Einwirkung auf andres, also das, was wir Kraft nennen. Alles Vorhandene besitzt auch Wirkungsfähigkeit; beide Begriffe, Sein und Wirken, sind nicht zu trennen. Das Leben des Wassers ist seine Flüssigkeit, das des Feuers seine Flüchtigkeit, 4 die wesentliche Eigenschaft jedes Dinges dasjenige, was sein Leben ausmacht. Leben ist Wirken und Wirken ist Sein; eins ist nur erklärlich durch das andre. So werden ihm Leben und chemischer Prozeß ein und dasselbe. In diesem Gedanken liegt die Bedeutung des Paracelsus für die neue Auffassung des Weltgeschehens. Die Ansicht der Alchymisten von der Zusammensetzung der Dinge erweitert er zu einer philosophischen Weltansicht. Der Gedanke der Varia- bilität, welcher Cusanus vorschwebte, hat bei dem Empiriker neues Leben gewonnen. Das größte Beispiel einer Veränder- lichkeit, welche ihr Entwickelungsgesetz in sich selbst trägt, ist der Organismus, dessen ganzes Werden im Keime vorge- bildet liegt. Diese Entwickelung aber besteht nicht mehr allein in der Entfaltung des Begriffes im Denken, sie liegt im sinnlichen Naturgeschehen vor Augen. Körper sind es, welche durch Abscheidung und Aufnahme von Stoffen entstehen. 1 Meteor. c. 1. VIII p. 182, 183. 2 Man vgl. darüber Rixner u. Siber, G. 1. S. 82—84, wo jedoch auch die unsicheren Schriften benutzt sind. 3 Meteor. c. 4. VIII p. 206. 4 Dies ist besonders ausgeführt in der allerdings weniger beglaubigten Schrift De natura rerum, c. IV. T. VI. p. 277 ff.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/319>, abgerufen am 22.11.2024.