genannt, Teile des Alls, aus welchen, da sie untrennbar (#) sind, alles zusammengesetzt und in welche alles aufgelöst wird. Diesen Namen der "teillosen Körper" soll Diodor eingeführt haben; einen andren Namen, sagt man, habe ihnen Heraklides gegeben, indem er sie "Körperchen" (Korpuskeln, #) nannte, von welchem auch der Arzt Askle- piades die Bezeichnung überkam."
Ihrer Substanz nach sind die Atome alle gleich, einfach und unvergänglich, sie unterscheiden sich nur ihrer Gestalt und Größe nach; ihr gemeinsamer Fall im Leeren bildet eine grosse Wirbelbewegung, bei welcher die Atome auf vielfache Weise durcheinander gewirrt und geworfen werden. Dabei sammeln und vereinigen sich die gleichartigen Atome und es entstehen sämtliche Dinge, welche die Welt erfüllen. Die Ver- schiedenheit der Körper aber in ihren Eigenschaften und ihrer Dauer erkläre sich aus der verschiedenartigen Verbindung der Atome. "Von den Körpern sollen nämlich die einen festge- macht und engverbunden worden sein, so daß sie zu überaus schwer trennbaren Verflechtungen wurden, andre dagegen sollen eine mehr oder minder lockere und schlaffe Verknüpfung der Atome empfangen haben, so daß sie mehr oder weniger schnell ihren Zusammenhang verlieren."1 Sowohl die sichtbaren wie die unsichtbaren Körper sind Bildungen der Atome; zu den ersteren gehören auch die Menschen, zu den letzteren die Seele. Selbst die Götter sind nach Epikur aus Atomen ent- standen und halten sich in den unbegrenzten leeren Räumen außerhalb der unermeßlichen Welten auf; sie besitzen keine Güter und gewähren keine, sie sind frei von jeder Arbeit, schaffen nicht und wirken nicht regierend und richtend auf die Menschen. Die Welt ist also ein Werk des blinden Zu- falls, der "vernunftlosen Menge der Atome".
Nur einen kleinen Teil der uns erhaltenen Schrift des Dionysius füllen die oben zusammengestellten Perichte über die Lehre der Atomiker, und auch diese sind mit Ausnahme des Anfangs ganz in die Polemik gegen die Atomisten einge- flochten. Man erkennt überall die Tendenz, durch die Absur- dität der atomistischen Lehre die Vortrefflichkeit der christ-
1 Cap. 25, 11. Dindorf p. 324.
Dionysius über die Atome.
genannt, Teile des Alls, aus welchen, da sie untrennbar (#) sind, alles zusammengesetzt und in welche alles aufgelöst wird. Diesen Namen der „teillosen Körper‟ soll Diodor eingeführt haben; einen andren Namen, sagt man, habe ihnen Heraklides gegeben, indem er sie „Körperchen‟ (Korpuskeln, #) nannte, von welchem auch der Arzt Askle- piades die Bezeichnung überkam.‟
Ihrer Substanz nach sind die Atome alle gleich, einfach und unvergänglich, sie unterscheiden sich nur ihrer Gestalt und Größe nach; ihr gemeinsamer Fall im Leeren bildet eine grosse Wirbelbewegung, bei welcher die Atome auf vielfache Weise durcheinander gewirrt und geworfen werden. Dabei sammeln und vereinigen sich die gleichartigen Atome und es entstehen sämtliche Dinge, welche die Welt erfüllen. Die Ver- schiedenheit der Körper aber in ihren Eigenschaften und ihrer Dauer erkläre sich aus der verschiedenartigen Verbindung der Atome. „Von den Körpern sollen nämlich die einen festge- macht und engverbunden worden sein, so daß sie zu überaus schwer trennbaren Verflechtungen wurden, andre dagegen sollen eine mehr oder minder lockere und schlaffe Verknüpfung der Atome empfangen haben, so daß sie mehr oder weniger schnell ihren Zusammenhang verlieren.‟1 Sowohl die sichtbaren wie die unsichtbaren Körper sind Bildungen der Atome; zu den ersteren gehören auch die Menschen, zu den letzteren die Seele. Selbst die Götter sind nach Epikur aus Atomen ent- standen und halten sich in den unbegrenzten leeren Räumen außerhalb der unermeßlichen Welten auf; sie besitzen keine Güter und gewähren keine, sie sind frei von jeder Arbeit, schaffen nicht und wirken nicht regierend und richtend auf die Menschen. Die Welt ist also ein Werk des blinden Zu- falls, der „vernunftlosen Menge der Atome‟.
Nur einen kleinen Teil der uns erhaltenen Schrift des Dionysius füllen die oben zusammengestellten Perichte über die Lehre der Atomiker, und auch diese sind mit Ausnahme des Anfangs ganz in die Polemik gegen die Atomisten einge- flochten. Man erkennt überall die Tendenz, durch die Absur- dität der atomistischen Lehre die Vortrefflichkeit der christ-
1 Cap. 25, 11. Dindorf p. 324.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0033"n="15"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#k">Dionysius</hi> über die Atome.</fw><lb/>
genannt, Teile des Alls, aus welchen, da sie <hirendition="#g">untrennbar</hi><lb/><hirendition="#i">(</hi>#<hirendition="#i">)</hi> sind, alles zusammengesetzt und in welche alles<lb/>
aufgelöst wird. Diesen Namen der „teillosen Körper‟ soll<lb/><hirendition="#k">Diodor</hi> eingeführt haben; einen andren Namen, sagt man,<lb/>
habe ihnen <hirendition="#k">Heraklides</hi> gegeben, indem er sie „Körperchen‟<lb/>
(Korpuskeln, #) nannte, von welchem auch der Arzt <hirendition="#k">Askle-<lb/>
piades</hi> die Bezeichnung überkam.‟</p><lb/><p>Ihrer Substanz nach sind die Atome alle gleich, einfach<lb/>
und unvergänglich, sie unterscheiden sich nur ihrer Gestalt<lb/>
und Größe nach; ihr gemeinsamer Fall im Leeren bildet eine<lb/>
grosse Wirbelbewegung, bei welcher die Atome auf vielfache<lb/>
Weise durcheinander gewirrt und geworfen werden. Dabei<lb/>
sammeln und vereinigen sich die gleichartigen Atome und es<lb/>
entstehen sämtliche Dinge, welche die Welt erfüllen. Die Ver-<lb/>
schiedenheit der Körper aber in ihren Eigenschaften und ihrer<lb/>
Dauer erkläre sich aus der verschiedenartigen Verbindung der<lb/>
Atome. „Von den Körpern sollen nämlich die einen festge-<lb/>
macht und engverbunden worden sein, so daß sie zu überaus<lb/>
schwer trennbaren Verflechtungen wurden, andre dagegen sollen<lb/>
eine mehr oder minder lockere und schlaffe Verknüpfung der<lb/>
Atome empfangen haben, so daß sie mehr oder weniger schnell<lb/>
ihren Zusammenhang verlieren.‟<noteplace="foot"n="1">Cap. 25, 11. <hirendition="#k">Dindorf</hi> p. 324.</note> Sowohl die sichtbaren wie<lb/>
die unsichtbaren Körper sind Bildungen der Atome; zu den<lb/>
ersteren gehören auch die Menschen, zu den letzteren die<lb/>
Seele. Selbst die Götter sind nach <hirendition="#k">Epikur</hi> aus Atomen ent-<lb/>
standen und halten sich in den unbegrenzten leeren Räumen<lb/>
außerhalb der unermeßlichen Welten auf; sie besitzen keine<lb/>
Güter und gewähren keine, sie sind frei von jeder Arbeit,<lb/>
schaffen nicht und wirken nicht regierend und richtend auf<lb/>
die Menschen. Die Welt ist also ein Werk des blinden Zu-<lb/>
falls, der „vernunftlosen Menge der Atome‟.</p><lb/><p>Nur einen kleinen Teil der uns erhaltenen Schrift des<lb/><hirendition="#k">Dionysius</hi> füllen die oben zusammengestellten Perichte über<lb/>
die Lehre der Atomiker, und auch diese sind mit Ausnahme<lb/>
des Anfangs ganz in die Polemik gegen die Atomisten einge-<lb/>
flochten. Man erkennt überall die Tendenz, durch die Absur-<lb/>
dität der atomistischen Lehre die Vortrefflichkeit der christ-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[15/0033]
Dionysius über die Atome.
genannt, Teile des Alls, aus welchen, da sie untrennbar
(#) sind, alles zusammengesetzt und in welche alles
aufgelöst wird. Diesen Namen der „teillosen Körper‟ soll
Diodor eingeführt haben; einen andren Namen, sagt man,
habe ihnen Heraklides gegeben, indem er sie „Körperchen‟
(Korpuskeln, #) nannte, von welchem auch der Arzt Askle-
piades die Bezeichnung überkam.‟
Ihrer Substanz nach sind die Atome alle gleich, einfach
und unvergänglich, sie unterscheiden sich nur ihrer Gestalt
und Größe nach; ihr gemeinsamer Fall im Leeren bildet eine
grosse Wirbelbewegung, bei welcher die Atome auf vielfache
Weise durcheinander gewirrt und geworfen werden. Dabei
sammeln und vereinigen sich die gleichartigen Atome und es
entstehen sämtliche Dinge, welche die Welt erfüllen. Die Ver-
schiedenheit der Körper aber in ihren Eigenschaften und ihrer
Dauer erkläre sich aus der verschiedenartigen Verbindung der
Atome. „Von den Körpern sollen nämlich die einen festge-
macht und engverbunden worden sein, so daß sie zu überaus
schwer trennbaren Verflechtungen wurden, andre dagegen sollen
eine mehr oder minder lockere und schlaffe Verknüpfung der
Atome empfangen haben, so daß sie mehr oder weniger schnell
ihren Zusammenhang verlieren.‟ 1 Sowohl die sichtbaren wie
die unsichtbaren Körper sind Bildungen der Atome; zu den
ersteren gehören auch die Menschen, zu den letzteren die
Seele. Selbst die Götter sind nach Epikur aus Atomen ent-
standen und halten sich in den unbegrenzten leeren Räumen
außerhalb der unermeßlichen Welten auf; sie besitzen keine
Güter und gewähren keine, sie sind frei von jeder Arbeit,
schaffen nicht und wirken nicht regierend und richtend auf
die Menschen. Die Welt ist also ein Werk des blinden Zu-
falls, der „vernunftlosen Menge der Atome‟.
Nur einen kleinen Teil der uns erhaltenen Schrift des
Dionysius füllen die oben zusammengestellten Perichte über
die Lehre der Atomiker, und auch diese sind mit Ausnahme
des Anfangs ganz in die Polemik gegen die Atomisten einge-
flochten. Man erkennt überall die Tendenz, durch die Absur-
dität der atomistischen Lehre die Vortrefflichkeit der christ-
1 Cap. 25, 11. Dindorf p. 324.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/33>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.