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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Dionysius gegen die Atomisten.
lichen Weltanschauung zu illustrieren, durch deren Offenbarung
allein auch ein Verständnis der herrlichen Werke Gottes in der
Natur sich eröffne. Daher wendet sich Dionysius hauptsächlich
gegen die Lehre, daß die gesamte Welt ohne Zweck und ohne
göttliche Ordnung und Beihilfe entstanden sei; sie ist der
Stein des Anstoßes für den Christen.

Die Atomisten sind blinde und bedauernswerte Menschen,
daß sie die weisen und schönen Werke Gottes als ein Produkt
des Zufalls ansehen, von denen es doch heißt: "Und Gott sah
an alles was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut."
Kann doch nicht einmal ein Kleid, ein Haus oder ein Schiff
von selbst entstehen oder sich erhalten, sondern es bedarf dazu
der geregelten Leitung seiner Teile, und nun sollte das große aus
Erde und Himmel bestehende Haus, der Kosmos, die Ordnung
selbst aus der Unordnung geworden sein? "Wie können die
wohl geregelten Bewegungen und Bahnen durch ungeregelten
Antrieb hervorgebracht werden? Wie kann der harmonische
Reigen der Himmelskörper durch kunstfremde und unharmonische
Instrumente zusammenstimmen?" Wer teilt die Atome in
Klassen ein, daß sie für ihre Aufgabe passen, daß hier die
Sonne, da der Mond entstand, oder wer leitete und ordnete sie
als Führer? Wirklich ein bewunderungswürdiger Freistaat,
den die Selbstverwaltung dieser Atome bilden soll! Sehen
denn diese kurzsichtigen Menschen, welche jener Lehre anhängen,
nicht, daß die Regelmäßigkeit der astronomischen Erschei-
nungen, der Wechsel von Tag und Nacht, Sommer und Winter,
kurz die ganze Ordnung der Natur, durch die Atome uner-
klärbar sind? "Aber wenn auch jene Elenden es nicht wollen,
so ist es doch, wie die Gerechten glauben, der große Gott,
der sie gemacht hat und durch seine Worte ihre Bahn leitet.
Bringen euch denn, ihr Blinden, die Atome Schnee und Regen,
damit die Erde für euch und alle lebendigen Wesen auf ihr
Nahrungsmittel trage? Warum fallt ihr denn nicht vor den
Atomen nieder und opfert ihnen als Herren der Früchte? Ihr
Undankbaren, die ihr nicht einmal von den vielen Gaben,
welche ihr von ihnen empfangt, die Erstlingsfrüchte ihnen
weihet!" "Es mögen uns nun jene Männer, welche das Un-
trennbare trennen, das Unteilbare teilen, das Unvereinbare
vereinen, das Unfaßbare mit ihrem Verstande erfassen, sagen,

Dionysius gegen die Atomisten.
lichen Weltanschauung zu illustrieren, durch deren Offenbarung
allein auch ein Verständnis der herrlichen Werke Gottes in der
Natur sich eröffne. Daher wendet sich Dionysius hauptsächlich
gegen die Lehre, daß die gesamte Welt ohne Zweck und ohne
göttliche Ordnung und Beihilfe entstanden sei; sie ist der
Stein des Anstoßes für den Christen.

Die Atomisten sind blinde und bedauernswerte Menschen,
daß sie die weisen und schönen Werke Gottes als ein Produkt
des Zufalls ansehen, von denen es doch heißt: „Und Gott sah
an alles was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.‟
Kann doch nicht einmal ein Kleid, ein Haus oder ein Schiff
von selbst entstehen oder sich erhalten, sondern es bedarf dazu
der geregelten Leitung seiner Teile, und nun sollte das große aus
Erde und Himmel bestehende Haus, der Kosmos, die Ordnung
selbst aus der Unordnung geworden sein? „Wie können die
wohl geregelten Bewegungen und Bahnen durch ungeregelten
Antrieb hervorgebracht werden? Wie kann der harmonische
Reigen der Himmelskörper durch kunstfremde und unharmonische
Instrumente zusammenstimmen?‟ Wer teilt die Atome in
Klassen ein, daß sie für ihre Aufgabe passen, daß hier die
Sonne, da der Mond entstand, oder wer leitete und ordnete sie
als Führer? Wirklich ein bewunderungswürdiger Freistaat,
den die Selbstverwaltung dieser Atome bilden soll! Sehen
denn diese kurzsichtigen Menschen, welche jener Lehre anhängen,
nicht, daß die Regelmäßigkeit der astronomischen Erschei-
nungen, der Wechsel von Tag und Nacht, Sommer und Winter,
kurz die ganze Ordnung der Natur, durch die Atome uner-
klärbar sind? „Aber wenn auch jene Elenden es nicht wollen,
so ist es doch, wie die Gerechten glauben, der große Gott,
der sie gemacht hat und durch seine Worte ihre Bahn leitet.
Bringen euch denn, ihr Blinden, die Atome Schnee und Regen,
damit die Erde für euch und alle lebendigen Wesen auf ihr
Nahrungsmittel trage? Warum fallt ihr denn nicht vor den
Atomen nieder und opfert ihnen als Herren der Früchte? Ihr
Undankbaren, die ihr nicht einmal von den vielen Gaben,
welche ihr von ihnen empfangt, die Erstlingsfrüchte ihnen
weihet!‟ „Es mögen uns nun jene Männer, welche das Un-
trennbare trennen, das Unteilbare teilen, das Unvereinbare
vereinen, das Unfaßbare mit ihrem Verstande erfassen, sagen,

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[16/0034] Dionysius gegen die Atomisten. lichen Weltanschauung zu illustrieren, durch deren Offenbarung allein auch ein Verständnis der herrlichen Werke Gottes in der Natur sich eröffne. Daher wendet sich Dionysius hauptsächlich gegen die Lehre, daß die gesamte Welt ohne Zweck und ohne göttliche Ordnung und Beihilfe entstanden sei; sie ist der Stein des Anstoßes für den Christen. Die Atomisten sind blinde und bedauernswerte Menschen, daß sie die weisen und schönen Werke Gottes als ein Produkt des Zufalls ansehen, von denen es doch heißt: „Und Gott sah an alles was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.‟ Kann doch nicht einmal ein Kleid, ein Haus oder ein Schiff von selbst entstehen oder sich erhalten, sondern es bedarf dazu der geregelten Leitung seiner Teile, und nun sollte das große aus Erde und Himmel bestehende Haus, der Kosmos, die Ordnung selbst aus der Unordnung geworden sein? „Wie können die wohl geregelten Bewegungen und Bahnen durch ungeregelten Antrieb hervorgebracht werden? Wie kann der harmonische Reigen der Himmelskörper durch kunstfremde und unharmonische Instrumente zusammenstimmen?‟ Wer teilt die Atome in Klassen ein, daß sie für ihre Aufgabe passen, daß hier die Sonne, da der Mond entstand, oder wer leitete und ordnete sie als Führer? Wirklich ein bewunderungswürdiger Freistaat, den die Selbstverwaltung dieser Atome bilden soll! Sehen denn diese kurzsichtigen Menschen, welche jener Lehre anhängen, nicht, daß die Regelmäßigkeit der astronomischen Erschei- nungen, der Wechsel von Tag und Nacht, Sommer und Winter, kurz die ganze Ordnung der Natur, durch die Atome uner- klärbar sind? „Aber wenn auch jene Elenden es nicht wollen, so ist es doch, wie die Gerechten glauben, der große Gott, der sie gemacht hat und durch seine Worte ihre Bahn leitet. Bringen euch denn, ihr Blinden, die Atome Schnee und Regen, damit die Erde für euch und alle lebendigen Wesen auf ihr Nahrungsmittel trage? Warum fallt ihr denn nicht vor den Atomen nieder und opfert ihnen als Herren der Früchte? Ihr Undankbaren, die ihr nicht einmal von den vielen Gaben, welche ihr von ihnen empfangt, die Erstlingsfrüchte ihnen weihet!‟ „Es mögen uns nun jene Männer, welche das Un- trennbare trennen, das Unteilbare teilen, das Unvereinbare vereinen, das Unfaßbare mit ihrem Verstande erfassen, sagen,

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/34>, abgerufen am 21.11.2024.