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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Elementenlehre: Kepler. Fludd.
so daß die Erde kälter ist als die Luft; letztere wirkt nur ab-
kühlender durch ihre Bewegung. Wärme, Thätigkeit, Be-
wegung und Leben bekommen alle Dinge erst durch die Seele,
den Spiritus, welcher sie durchdringt.1 Außer dem allgemeinen
ätherischen Spiritus hat noch die Erde ihren eigenen Lebens-
geist, welcher die innere geologische Thätigkeit, Wärme, Me-
tallerzeugung, Quellenbereitung u. s. w. veranlaßt und bewirkt.
Die Wärme in den Körpern ist daher keine elementarische,
sondern eine Wirkung der Seele, welche auf die körperlichen
Substanzen, wie die des Herzens, allmählich verzehrend ein-
wirkt. Das materielle Feuer ist in Bewegung begriffener
Sulfur, Sulfur ist aber selbst ein Werk der Seele, wie das
Blut; und darum ist das materielle Feuer, das da im Ofen
brennt, obwohl es wie die drei übrigen Elemente ein ein-
facher Körper ist, doch von ihnen verschieden, insofern es
nicht zur Zusammensetzung der Körper dient, sondern eher
für ein himmlisches Accidens gehalten werden könnte, das der
Sonne verwandt ist. Jedenfalls wäre es grundfalsch, eine
Feuersphäre anzunehmen; zwischen Himmel und Erde gibt es
kein Feuer; "dann ich Cardano vor vilen Jahren hierinnen
beygefallen".

Während sich Kepler hier über die Natur des Feuers
noch einigermaßen unsicher ausspricht, schließt er dasselbe in
einer späteren Schrift gegen Fludd mit voller Entschiedenheit
aus der Zahl der Elemente aus, weil aus demselben nichts ent-
steht, sondern weil es nur verzehrt. Diese Neuerung rühre nicht
von ihm (Kepler) her, sondern schon Cardanus und viele
andre haben die Vierzahl der Elemente geleugnet.2

Von dem eben erwähnten Engländer Robert Fludd (De
Fluctibus)
(1574--1637), welchen außer Kepler auch Gassendi
und Mersenne energisch zurechtgewiesen haben, ist hier nur
zu erwähnen, daß er zur paracelsischen Schule gehört und in
höchst phantastischer Weise spekuliert hat. Das bedeutende
Aufsehen, welches seine Werke gemacht haben, verdanken sie
wohl zum größten Teile ihrem Reichtum an absonderlichen

1 Op. I, p. 542.
2 Jo. Kepleri Math. pro suo Opere Harmonices Mundi Apologia. Francof.
1622, Op. ed. Frisch Tom. V. p. 455.

Elementenlehre: Kepler. Fludd.
so daß die Erde kälter ist als die Luft; letztere wirkt nur ab-
kühlender durch ihre Bewegung. Wärme, Thätigkeit, Be-
wegung und Leben bekommen alle Dinge erst durch die Seele,
den Spiritus, welcher sie durchdringt.1 Außer dem allgemeinen
ätherischen Spiritus hat noch die Erde ihren eigenen Lebens-
geist, welcher die innere geologische Thätigkeit, Wärme, Me-
tallerzeugung, Quellenbereitung u. s. w. veranlaßt und bewirkt.
Die Wärme in den Körpern ist daher keine elementarische,
sondern eine Wirkung der Seele, welche auf die körperlichen
Substanzen, wie die des Herzens, allmählich verzehrend ein-
wirkt. Das materielle Feuer ist in Bewegung begriffener
Sulfur, Sulfur ist aber selbst ein Werk der Seele, wie das
Blut; und darum ist das materielle Feuer, das da im Ofen
brennt, obwohl es wie die drei übrigen Elemente ein ein-
facher Körper ist, doch von ihnen verschieden, insofern es
nicht zur Zusammensetzung der Körper dient, sondern eher
für ein himmlisches Accidens gehalten werden könnte, das der
Sonne verwandt ist. Jedenfalls wäre es grundfalsch, eine
Feuersphäre anzunehmen; zwischen Himmel und Erde gibt es
kein Feuer; „dann ich Cardano vor vilen Jahren hierinnen
beygefallen‟.

Während sich Kepler hier über die Natur des Feuers
noch einigermaßen unsicher ausspricht, schließt er dasselbe in
einer späteren Schrift gegen Fludd mit voller Entschiedenheit
aus der Zahl der Elemente aus, weil aus demselben nichts ent-
steht, sondern weil es nur verzehrt. Diese Neuerung rühre nicht
von ihm (Kepler) her, sondern schon Cardanus und viele
andre haben die Vierzahl der Elemente geleugnet.2

Von dem eben erwähnten Engländer Robert Fludd (De
Fluctibus)
(1574—1637), welchen außer Kepler auch Gassendi
und Mersenne energisch zurechtgewiesen haben, ist hier nur
zu erwähnen, daß er zur paracelsischen Schule gehört und in
höchst phantastischer Weise spekuliert hat. Das bedeutende
Aufsehen, welches seine Werke gemacht haben, verdanken sie
wohl zum größten Teile ihrem Reichtum an absonderlichen

1 Op. I, p. 542.
2 Jo. Kepleri Math. pro suo Opere Harmonices Mundi Apologia. Francof.
1622, Op. ed. Frisch Tom. V. p. 455.
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[329/0347] Elementenlehre: Kepler. Fludd. so daß die Erde kälter ist als die Luft; letztere wirkt nur ab- kühlender durch ihre Bewegung. Wärme, Thätigkeit, Be- wegung und Leben bekommen alle Dinge erst durch die Seele, den Spiritus, welcher sie durchdringt. 1 Außer dem allgemeinen ätherischen Spiritus hat noch die Erde ihren eigenen Lebens- geist, welcher die innere geologische Thätigkeit, Wärme, Me- tallerzeugung, Quellenbereitung u. s. w. veranlaßt und bewirkt. Die Wärme in den Körpern ist daher keine elementarische, sondern eine Wirkung der Seele, welche auf die körperlichen Substanzen, wie die des Herzens, allmählich verzehrend ein- wirkt. Das materielle Feuer ist in Bewegung begriffener Sulfur, Sulfur ist aber selbst ein Werk der Seele, wie das Blut; und darum ist das materielle Feuer, das da im Ofen brennt, obwohl es wie die drei übrigen Elemente ein ein- facher Körper ist, doch von ihnen verschieden, insofern es nicht zur Zusammensetzung der Körper dient, sondern eher für ein himmlisches Accidens gehalten werden könnte, das der Sonne verwandt ist. Jedenfalls wäre es grundfalsch, eine Feuersphäre anzunehmen; zwischen Himmel und Erde gibt es kein Feuer; „dann ich Cardano vor vilen Jahren hierinnen beygefallen‟. Während sich Kepler hier über die Natur des Feuers noch einigermaßen unsicher ausspricht, schließt er dasselbe in einer späteren Schrift gegen Fludd mit voller Entschiedenheit aus der Zahl der Elemente aus, weil aus demselben nichts ent- steht, sondern weil es nur verzehrt. Diese Neuerung rühre nicht von ihm (Kepler) her, sondern schon Cardanus und viele andre haben die Vierzahl der Elemente geleugnet. 2 Von dem eben erwähnten Engländer Robert Fludd (De Fluctibus) (1574—1637), welchen außer Kepler auch Gassendi und Mersenne energisch zurechtgewiesen haben, ist hier nur zu erwähnen, daß er zur paracelsischen Schule gehört und in höchst phantastischer Weise spekuliert hat. Das bedeutende Aufsehen, welches seine Werke gemacht haben, verdanken sie wohl zum größten Teile ihrem Reichtum an absonderlichen 1 Op. I, p. 542. 2 Jo. Kepleri Math. pro suo Opere Harmonices Mundi Apologia. Francof. 1622, Op. ed. Frisch Tom. V. p. 455.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/347>, abgerufen am 21.11.2024.