ersteres keine Poren besitzt und sich daher nicht zusammen- drücken läßt, letzteres dagegen ohne Poren nicht bestehen kann. Es ist deshalb auch unmöglich, wie die Experimente be- weisen, daß Luft zu Wasser zusammengedrückt werde; viel- mehr dehnt sie sich nach der Zusammendrückung mit der Kraft der Schießpulvers wieder aus und treibt eine Kugel durch ein Brett, während sich im Innern des Gefäßes keine Spur von Feuchtigkeit zeigt.
Wenn auch der Übergang des Wassers in seine verschie- denen Erscheinungsformen bei Helmont dadurch erklärt wird, daß er in ihm Mercurius, Sal und Sulfur als Bestandteile be- trachtet, so darf dies doch keineswegs so verstanden werden, daß dieselben das Element Wasser als Grundsubstanzen zu- sammensetzen. Vielmehr sind sie, wie gesagt, untrennbar und existieren nur an dem Wasser, nicht für sich. Sie sind keine allgemeine Prinzipien, welche vor der Zusammensetzung der Körper bestanden, auch fließen sie nicht zur Bildung der Ver- bindung zusammen, noch treten sie jemals in der Natur als Endergebnis der natürlichen Auflösung der Körper auf; sie können vielmehr nur künstlich und keineswegs aus allen, son- dern bloß aus gewissen Körpern unter Umständen hergestellt werden und bilden sich zum Teil erst bei der Zersetzung. Letzteres behauptet Helmont besonders von dem fixen Alkali, welches beim Verbrennen der Pflanzen sich bildet.1 Hier liegt der Fall vor, daß eine für den Fortschritt der Theorie förderliche Annahme sich beim Fortschritt der chemischen Praxis als that- sächlich falsch erwies, da das Alkali wirklich in der Pflanze präexistiert. Nach Helmont sind die sogenannten Grundsubstanzen das Letzte, nicht das Erste in der Gestaltung der Körper. Sie stammen aus dem Wasser und können wieder in Wasser um- gewandelt werden. Allerdings bleibt es schwierig, hierbei zu verstehen, wie ihr Verhältnis zum Wasser zu denken ist. Bei der inneren Gestaltungskraft, welche Helmont in den Dingen selbst annimmt, konnten seine Elemente nichts absolut Ein- faches sein. Er war gezwungen, sich in dem Wasser selbst eine Anlage zu denken, wodurch seine verschiedenen Erschei-
1 Vgl. Kopp, Beitr. 3. St. S. 159 u. die dort aus Helmont, Ortus ange- führten Stellen.
Van Helmont: Die chemischen Substanzen.
ersteres keine Poren besitzt und sich daher nicht zusammen- drücken läßt, letzteres dagegen ohne Poren nicht bestehen kann. Es ist deshalb auch unmöglich, wie die Experimente be- weisen, daß Luft zu Wasser zusammengedrückt werde; viel- mehr dehnt sie sich nach der Zusammendrückung mit der Kraft der Schießpulvers wieder aus und treibt eine Kugel durch ein Brett, während sich im Innern des Gefäßes keine Spur von Feuchtigkeit zeigt.
Wenn auch der Übergang des Wassers in seine verschie- denen Erscheinungsformen bei Helmont dadurch erklärt wird, daß er in ihm Mercurius, Sal und Sulfur als Bestandteile be- trachtet, so darf dies doch keineswegs so verstanden werden, daß dieselben das Element Wasser als Grundsubstanzen zu- sammensetzen. Vielmehr sind sie, wie gesagt, untrennbar und existieren nur an dem Wasser, nicht für sich. Sie sind keine allgemeine Prinzipien, welche vor der Zusammensetzung der Körper bestanden, auch fließen sie nicht zur Bildung der Ver- bindung zusammen, noch treten sie jemals in der Natur als Endergebnis der natürlichen Auflösung der Körper auf; sie können vielmehr nur künstlich und keineswegs aus allen, son- dern bloß aus gewissen Körpern unter Umständen hergestellt werden und bilden sich zum Teil erst bei der Zersetzung. Letzteres behauptet Helmont besonders von dem fixen Alkali, welches beim Verbrennen der Pflanzen sich bildet.1 Hier liegt der Fall vor, daß eine für den Fortschritt der Theorie förderliche Annahme sich beim Fortschritt der chemischen Praxis als that- sächlich falsch erwies, da das Alkali wirklich in der Pflanze präexistiert. Nach Helmont sind die sogenannten Grundsubstanzen das Letzte, nicht das Erste in der Gestaltung der Körper. Sie stammen aus dem Wasser und können wieder in Wasser um- gewandelt werden. Allerdings bleibt es schwierig, hierbei zu verstehen, wie ihr Verhältnis zum Wasser zu denken ist. Bei der inneren Gestaltungskraft, welche Helmont in den Dingen selbst annimmt, konnten seine Elemente nichts absolut Ein- faches sein. Er war gezwungen, sich in dem Wasser selbst eine Anlage zu denken, wodurch seine verschiedenen Erschei-
1 Vgl. Kopp, Beitr. 3. St. S. 159 u. die dort aus Helmont, Ortus ange- führten Stellen.
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Van Helmont: Die chemischen Substanzen.
ersteres keine Poren besitzt und sich daher nicht zusammen-
drücken läßt, letzteres dagegen ohne Poren nicht bestehen
kann. Es ist deshalb auch unmöglich, wie die Experimente be-
weisen, daß Luft zu Wasser zusammengedrückt werde; viel-
mehr dehnt sie sich nach der Zusammendrückung mit der
Kraft der Schießpulvers wieder aus und treibt eine Kugel
durch ein Brett, während sich im Innern des Gefäßes keine
Spur von Feuchtigkeit zeigt.
Wenn auch der Übergang des Wassers in seine verschie-
denen Erscheinungsformen bei Helmont dadurch erklärt wird,
daß er in ihm Mercurius, Sal und Sulfur als Bestandteile be-
trachtet, so darf dies doch keineswegs so verstanden werden,
daß dieselben das Element Wasser als Grundsubstanzen zu-
sammensetzen. Vielmehr sind sie, wie gesagt, untrennbar und
existieren nur an dem Wasser, nicht für sich. Sie sind keine
allgemeine Prinzipien, welche vor der Zusammensetzung der
Körper bestanden, auch fließen sie nicht zur Bildung der Ver-
bindung zusammen, noch treten sie jemals in der Natur als
Endergebnis der natürlichen Auflösung der Körper auf; sie
können vielmehr nur künstlich und keineswegs aus allen, son-
dern bloß aus gewissen Körpern unter Umständen hergestellt
werden und bilden sich zum Teil erst bei der Zersetzung.
Letzteres behauptet Helmont besonders von dem fixen Alkali,
welches beim Verbrennen der Pflanzen sich bildet. 1 Hier liegt der
Fall vor, daß eine für den Fortschritt der Theorie förderliche
Annahme sich beim Fortschritt der chemischen Praxis als that-
sächlich falsch erwies, da das Alkali wirklich in der Pflanze
präexistiert. Nach Helmont sind die sogenannten Grundsubstanzen
das Letzte, nicht das Erste in der Gestaltung der Körper. Sie
stammen aus dem Wasser und können wieder in Wasser um-
gewandelt werden. Allerdings bleibt es schwierig, hierbei zu
verstehen, wie ihr Verhältnis zum Wasser zu denken ist. Bei
der inneren Gestaltungskraft, welche Helmont in den Dingen
selbst annimmt, konnten seine Elemente nichts absolut Ein-
faches sein. Er war gezwungen, sich in dem Wasser selbst
eine Anlage zu denken, wodurch seine verschiedenen Erschei-
1 Vgl. Kopp, Beitr. 3. St. S. 159 u. die dort aus Helmont, Ortus ange-
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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