das einheitliche Zusammen von Materie und Kraft erblicken. Hier aber endet auch sein Verdienst um die Physik.
Zu einer Naturwissenschaft konnte sein Gedankengang nicht führen; dazu mußte er auf ein anderes Ziel gewendet werden. Sein Ausgangspunkt ist erkenntnistheoretisch und sucht Bedingungen für die Aktualität der Körperwelt. So lange er diese Untersuchungen führt, fördert er fruchtbare Begriffe zu Tage. Aber die empirische Wissenschaft der Em- pfindung, die Physik, welche ihm fehlte, konnte seine Speku- lation nicht schaffen; der Punkt, an welchem Mathematik die Körperwelt zu ergreifen vermag, war ihm noch verborgen. Daher nimmt sein Denken sogleich die metaphysische Wen- dung. Sein Minimum hat er mit Hilfe des Denkmittels der Variabilität entdeckt, aber statt dieses Begriffes sich zu be- dienen, um die Wechselwirkung dadurch zu fixieren und denk- bar zu machen, faßt er dasselbe als Substanz und bleibt damit auf dem beschränkten Standpunkte der Metaphysik seines Jahrhunderts.
Zwar erkennt Bruno einen allgemeinen Zusammenhang aller Dinge und ihre unablässige aktuelle Veränderung, aber diese Veränderung gewinnt bei ihm nicht Selbständigkeit durch das Denkmittel der Variabilität als mechanische Kausalität, nicht in der körperlichen Wirkung sucht er die Ursachen des Geschehens, sondern er verlegt sie in die Substanz selbst. Bewegung entsteht nicht aus Bewegung, sondern aus der Ent- faltung der lebendigen Substanz. Fast scheint es, als berühre er sich mit der Naturwissenschaft unsrer Tage, mit welcher er ja auch in seinen kosmologischen Anschauungen überein- stimmt; aber es scheint nur so. Der Unterschied ist ein fun- damentaler. Die Naturwissenschaft braucht den Mechanismus, Bruno kennt nur eine innerlich belebte, durch und durch be- seelte Welt. Allerdings sind seine physikalischen Atome an- geblich unveränderlich und undurchdringlich, aber sie sind doch zugleich Monaden, welche auf einander einwirken und sich zusammenfügen zu einem lebendigen Ganzen. Sowohl das Universum als jede einzelne Welt für sich sind Lebewesen, welche unsre Ehrfurcht erfordern,1 und ebenso ist jedes ein-
1De imm. V, 12. p. 495. De l'inf.Wagner II p. 49.
Schranken der Metaphysik Brunos.
das einheitliche Zusammen von Materie und Kraft erblicken. Hier aber endet auch sein Verdienst um die Physik.
Zu einer Naturwissenschaft konnte sein Gedankengang nicht führen; dazu mußte er auf ein anderes Ziel gewendet werden. Sein Ausgangspunkt ist erkenntnistheoretisch und sucht Bedingungen für die Aktualität der Körperwelt. So lange er diese Untersuchungen führt, fördert er fruchtbare Begriffe zu Tage. Aber die empirische Wissenschaft der Em- pfindung, die Physik, welche ihm fehlte, konnte seine Speku- lation nicht schaffen; der Punkt, an welchem Mathematik die Körperwelt zu ergreifen vermag, war ihm noch verborgen. Daher nimmt sein Denken sogleich die metaphysische Wen- dung. Sein Minimum hat er mit Hilfe des Denkmittels der Variabilität entdeckt, aber statt dieses Begriffes sich zu be- dienen, um die Wechselwirkung dadurch zu fixieren und denk- bar zu machen, faßt er dasselbe als Substanz und bleibt damit auf dem beschränkten Standpunkte der Metaphysik seines Jahrhunderts.
Zwar erkennt Bruno einen allgemeinen Zusammenhang aller Dinge und ihre unablässige aktuelle Veränderung, aber diese Veränderung gewinnt bei ihm nicht Selbständigkeit durch das Denkmittel der Variabilität als mechanische Kausalität, nicht in der körperlichen Wirkung sucht er die Ursachen des Geschehens, sondern er verlegt sie in die Substanz selbst. Bewegung entsteht nicht aus Bewegung, sondern aus der Ent- faltung der lebendigen Substanz. Fast scheint es, als berühre er sich mit der Naturwissenschaft unsrer Tage, mit welcher er ja auch in seinen kosmologischen Anschauungen überein- stimmt; aber es scheint nur so. Der Unterschied ist ein fun- damentaler. Die Naturwissenschaft braucht den Mechanismus, Bruno kennt nur eine innerlich belebte, durch und durch be- seelte Welt. Allerdings sind seine physikalischen Atome an- geblich unveränderlich und undurchdringlich, aber sie sind doch zugleich Monaden, welche auf einander einwirken und sich zusammenfügen zu einem lebendigen Ganzen. Sowohl das Universum als jede einzelne Welt für sich sind Lebewesen, welche unsre Ehrfurcht erfordern,1 und ebenso ist jedes ein-
1De imm. V, 12. p. 495. De l’inf.Wagner II p. 49.
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Schranken der Metaphysik Brunos.
das einheitliche Zusammen von Materie und Kraft erblicken.
Hier aber endet auch sein Verdienst um die Physik.
Zu einer Naturwissenschaft konnte sein Gedankengang
nicht führen; dazu mußte er auf ein anderes Ziel gewendet
werden. Sein Ausgangspunkt ist erkenntnistheoretisch und
sucht Bedingungen für die Aktualität der Körperwelt. So
lange er diese Untersuchungen führt, fördert er fruchtbare
Begriffe zu Tage. Aber die empirische Wissenschaft der Em-
pfindung, die Physik, welche ihm fehlte, konnte seine Speku-
lation nicht schaffen; der Punkt, an welchem Mathematik die
Körperwelt zu ergreifen vermag, war ihm noch verborgen.
Daher nimmt sein Denken sogleich die metaphysische Wen-
dung. Sein Minimum hat er mit Hilfe des Denkmittels der
Variabilität entdeckt, aber statt dieses Begriffes sich zu be-
dienen, um die Wechselwirkung dadurch zu fixieren und denk-
bar zu machen, faßt er dasselbe als Substanz und bleibt damit
auf dem beschränkten Standpunkte der Metaphysik seines
Jahrhunderts.
Zwar erkennt Bruno einen allgemeinen Zusammenhang
aller Dinge und ihre unablässige aktuelle Veränderung, aber
diese Veränderung gewinnt bei ihm nicht Selbständigkeit durch
das Denkmittel der Variabilität als mechanische Kausalität,
nicht in der körperlichen Wirkung sucht er die Ursachen des
Geschehens, sondern er verlegt sie in die Substanz selbst.
Bewegung entsteht nicht aus Bewegung, sondern aus der Ent-
faltung der lebendigen Substanz. Fast scheint es, als berühre
er sich mit der Naturwissenschaft unsrer Tage, mit welcher
er ja auch in seinen kosmologischen Anschauungen überein-
stimmt; aber es scheint nur so. Der Unterschied ist ein fun-
damentaler. Die Naturwissenschaft braucht den Mechanismus,
Bruno kennt nur eine innerlich belebte, durch und durch be-
seelte Welt. Allerdings sind seine physikalischen Atome an-
geblich unveränderlich und undurchdringlich, aber sie sind
doch zugleich Monaden, welche auf einander einwirken und
sich zusammenfügen zu einem lebendigen Ganzen. Sowohl
das Universum als jede einzelne Welt für sich sind Lebewesen,
welche unsre Ehrfurcht erfordern, 1 und ebenso ist jedes ein-
1 De imm. V, 12. p. 495. De l’inf. Wagner II p. 49.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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