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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Bassos Bedeutung.
die mathematische Atomistik Bassos, in welcher er wie Bruno
daran festhält, daß die Eigenschaften der Figur dem Minimum
in Bezug auf seine Gestalt ebenfalls zukommen. Auch er ab-
strahiert nur von der Größe und bewahrt im kleinsten den
Charakter der Bestimmung der Ausdehnung. Nur ist an Stelle
der Entwickelung der Monade der mechanische Verkehr der
Korpuskeln getreten. Das Denkmittel der Variabilität hat
seine Übertragung von der Substanz auf die Wechselwir-
kung der Substanzen
erhalten. Das ist der bedeu-
tendste Schritt in der Entwickelung der Korpus-
kulartheorie, welcher ohne Hilfe der mathema-
tischen Mechanik geschehen konnte
. Zwar kommt
diese Realität der Bewegung, die Aktualität der Materie, nicht
den Korpuskeln selbst, sondern dem Weltäther zu; insofern
handelt es sich im Systeme Bassos um eine Übergangsform
zwischen Bruno und Descartes. Aber eben diese Zwischen-
stufe ist vom höchsten Interesse für die Entwickelung des
Körperproblems und erweist sich als eine unvermeidliche Etappe
in der kontinuierlichen Entwickelung des Denkens. Die Ver-
änderung der Dinge tritt unter Erhaltung der Elementarsub-
stanzen als eine mechanische Wirkung der Materie auf. Ein
solcher Gedanke mußte vorangehen, bevor die völlige Ablösung
der mechanischen Naturerklärung von der inneren, nach Ana-
logie der Organismen gedachten Entwickelung der Atome er-
folgen konnte. So steht Basso zwischen Bruno und Descartes,
und dies nicht bloß dem Zusammenhange des Gedankens nach,
sondern offenbar als Träger der historischen Tradition. Daß
Bruno bei Basso nicht erwähnt wird, erklärt sich zur Genüge
aus der äußeren Rücksicht auf das 1603 ergangene Verbot
der Bücher des verbrannten Ketzers. Bruno gehörte wohl, wie
Spinoza, zu jenen "kompromittierenden" Philosophen, die man
nicht gern nannte.1 Daß Descartes Bassos Ansichten kannte,
ist urkundlich sicher.2

1 Bezugnahmen auf Bruno dürften im Anfang des 17. Jahrhunderts über-
haupt sehr selten sein. Einen Versuch zur Widerlegung der Lehre Brunos,
daß Wasser schwerer sei als Erde, vom scholastischen Standpunkte aus, fand
ich in M. Fabiani Hippii, Physici in acad. Lips. prof. ord., Problemata physica
et logica peripatetica
etc. Wittenb. 1604. XXVII. p. 155 ff.
2 S. Anm. 4 S. 464. Descartes, Oeuvr. VI p. 146.
Laßwitz. 31

Bassos Bedeutung.
die mathematische Atomistik Bassos, in welcher er wie Bruno
daran festhält, daß die Eigenschaften der Figur dem Minimum
in Bezug auf seine Gestalt ebenfalls zukommen. Auch er ab-
strahiert nur von der Größe und bewahrt im kleinsten den
Charakter der Bestimmung der Ausdehnung. Nur ist an Stelle
der Entwickelung der Monade der mechanische Verkehr der
Korpuskeln getreten. Das Denkmittel der Variabilität hat
seine Übertragung von der Substanz auf die Wechselwir-
kung der Substanzen
erhalten. Das ist der bedeu-
tendste Schritt in der Entwickelung der Korpus-
kulartheorie, welcher ohne Hilfe der mathema-
tischen Mechanik geschehen konnte
. Zwar kommt
diese Realität der Bewegung, die Aktualität der Materie, nicht
den Korpuskeln selbst, sondern dem Weltäther zu; insofern
handelt es sich im Systeme Bassos um eine Übergangsform
zwischen Bruno und Descartes. Aber eben diese Zwischen-
stufe ist vom höchsten Interesse für die Entwickelung des
Körperproblems und erweist sich als eine unvermeidliche Etappe
in der kontinuierlichen Entwickelung des Denkens. Die Ver-
änderung der Dinge tritt unter Erhaltung der Elementarsub-
stanzen als eine mechanische Wirkung der Materie auf. Ein
solcher Gedanke mußte vorangehen, bevor die völlige Ablösung
der mechanischen Naturerklärung von der inneren, nach Ana-
logie der Organismen gedachten Entwickelung der Atome er-
folgen konnte. So steht Basso zwischen Bruno und Descartes,
und dies nicht bloß dem Zusammenhange des Gedankens nach,
sondern offenbar als Träger der historischen Tradition. Daß
Bruno bei Basso nicht erwähnt wird, erklärt sich zur Genüge
aus der äußeren Rücksicht auf das 1603 ergangene Verbot
der Bücher des verbrannten Ketzers. Bruno gehörte wohl, wie
Spinoza, zu jenen „kompromittierenden‟ Philosophen, die man
nicht gern nannte.1 Daß Descartes Bassos Ansichten kannte,
ist urkundlich sicher.2

1 Bezugnahmen auf Bruno dürften im Anfang des 17. Jahrhunderts über-
haupt sehr selten sein. Einen Versuch zur Widerlegung der Lehre Brunos,
daß Wasser schwerer sei als Erde, vom scholastischen Standpunkte aus, fand
ich in M. Fabiani Hippii, Physici in acad. Lips. prof. ord., Problemata physica
et logica peripatetica
etc. Wittenb. 1604. XXVII. p. 155 ff.
2 S. Anm. 4 S. 464. Descartes, Oeuvr. VI p. 146.
Laßwitz. 31
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[481/0499] Bassos Bedeutung. die mathematische Atomistik Bassos, in welcher er wie Bruno daran festhält, daß die Eigenschaften der Figur dem Minimum in Bezug auf seine Gestalt ebenfalls zukommen. Auch er ab- strahiert nur von der Größe und bewahrt im kleinsten den Charakter der Bestimmung der Ausdehnung. Nur ist an Stelle der Entwickelung der Monade der mechanische Verkehr der Korpuskeln getreten. Das Denkmittel der Variabilität hat seine Übertragung von der Substanz auf die Wechselwir- kung der Substanzen erhalten. Das ist der bedeu- tendste Schritt in der Entwickelung der Korpus- kulartheorie, welcher ohne Hilfe der mathema- tischen Mechanik geschehen konnte. Zwar kommt diese Realität der Bewegung, die Aktualität der Materie, nicht den Korpuskeln selbst, sondern dem Weltäther zu; insofern handelt es sich im Systeme Bassos um eine Übergangsform zwischen Bruno und Descartes. Aber eben diese Zwischen- stufe ist vom höchsten Interesse für die Entwickelung des Körperproblems und erweist sich als eine unvermeidliche Etappe in der kontinuierlichen Entwickelung des Denkens. Die Ver- änderung der Dinge tritt unter Erhaltung der Elementarsub- stanzen als eine mechanische Wirkung der Materie auf. Ein solcher Gedanke mußte vorangehen, bevor die völlige Ablösung der mechanischen Naturerklärung von der inneren, nach Ana- logie der Organismen gedachten Entwickelung der Atome er- folgen konnte. So steht Basso zwischen Bruno und Descartes, und dies nicht bloß dem Zusammenhange des Gedankens nach, sondern offenbar als Träger der historischen Tradition. Daß Bruno bei Basso nicht erwähnt wird, erklärt sich zur Genüge aus der äußeren Rücksicht auf das 1603 ergangene Verbot der Bücher des verbrannten Ketzers. Bruno gehörte wohl, wie Spinoza, zu jenen „kompromittierenden‟ Philosophen, die man nicht gern nannte. 1 Daß Descartes Bassos Ansichten kannte, ist urkundlich sicher. 2 1 Bezugnahmen auf Bruno dürften im Anfang des 17. Jahrhunderts über- haupt sehr selten sein. Einen Versuch zur Widerlegung der Lehre Brunos, daß Wasser schwerer sei als Erde, vom scholastischen Standpunkte aus, fand ich in M. Fabiani Hippii, Physici in acad. Lips. prof. ord., Problemata physica et logica peripatetica etc. Wittenb. 1604. XXVII. p. 155 ff. 2 S. Anm. 4 S. 464. Descartes, Oeuvr. VI p. 146. Laßwitz. 31

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/499>, abgerufen am 22.11.2024.