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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Berigard: Circulus Pisanus.
den könne; so erweckte er den Schein, für Aristoteles zu
sprechen, wo er thatsächlich gegen ihn sprach. Seine eigenen
Ansichten sind leicht zu erkennen, denn er legt sie dem Ari-
stäus
(der das "Beste" erwählt hat) in den Mund, während
die zweite Person des Dialogs, Charilaos (der "der Menge
zu Danke" redet), den Aristoteles verteidigt. Was Aristäus
gegen Aristoteles vorführt, sollen nicht neue Meinungen sein,
sondern nur eine Erneuerung der ältern Naturphilosophie
gegenüber der aristotelischen; er will nur zeigen "was die Alten
sagen könnten, um sich von den von Aristoteles erhobenen
Vorwürfen zu reinigen" und habe zu diesem Zwecke mehr aus
Anaximander und Anaxagoras entnommen als aus andern.1

Es soll untersucht werden, ob die Meinung der Alten,
welche alles für körperlich erklärten und den ersten Beweger
vom Universum selbst nicht unterschieden, nach Beseitigung
etwaiger Irrtümer zur Naturerklärung tauglich sei. Denn wenn
auch Aristoteles in der Lehre von der Seele und von Gott
ihnen sicherlich überlegen sei, so könne doch mit Hinzunahme
der Lehre des Anaxagoras vom Geiste ein mit dem aristote-
lischen konkurrierendes System geschaffen werden. Es mögen
also die Philosophen zusehen, ob als Prinzipien der Natur-
körper dienen können feine Körperchen, von Gott geschaffen,
durch deren Zusammenhäufung und Trennung allein alles Ent-
stehen und Vergehen zustande kommt, wie auch die meisten
der heiligen Väter gemeint haben, und ob jener Einklang und
Widerstreit von Körpern, ohne der heiligen Lehre zu wider-
sprechen, vorzuziehen sei der materia prima des Aristoteles.2

Die unter dem Namen Circulus Pisanus zusammengefaßten
Gespräche richten sich gegen die einzelnen physikalischen
Schriften des Aristoteles; unter ihnen enthält der Circulus
Pisanus in Aristotelis libros de Ortu et interitu
hauptsächlich die
auf die Korpuskulartheorie bezüglichen Ausführungen. Wie
schon gesagt, kommt es infolge der Gesprächsform nirgends
zu einer definitiven Entscheidung, aber die Gegnerschaft gegen

1 Circ. Pis. Prooemium p. 2.
2 A. a. O. p. 3. ... an principia rerum naturalium possint esse corpus-
cula tenuia a Deo creata, quorum sola congregatione et secretione omnium
ortus et obitus perficiatur etc.

Berigard: Circulus Pisanus.
den könne; so erweckte er den Schein, für Aristoteles zu
sprechen, wo er thatsächlich gegen ihn sprach. Seine eigenen
Ansichten sind leicht zu erkennen, denn er legt sie dem Ari-
stäus
(der das „Beste‟ erwählt hat) in den Mund, während
die zweite Person des Dialogs, Charilaos (der „der Menge
zu Danke‟ redet), den Aristoteles verteidigt. Was Aristäus
gegen Aristoteles vorführt, sollen nicht neue Meinungen sein,
sondern nur eine Erneuerung der ältern Naturphilosophie
gegenüber der aristotelischen; er will nur zeigen „was die Alten
sagen könnten, um sich von den von Aristoteles erhobenen
Vorwürfen zu reinigen‟ und habe zu diesem Zwecke mehr aus
Anaximander und Anaxagoras entnommen als aus andern.1

Es soll untersucht werden, ob die Meinung der Alten,
welche alles für körperlich erklärten und den ersten Beweger
vom Universum selbst nicht unterschieden, nach Beseitigung
etwaiger Irrtümer zur Naturerklärung tauglich sei. Denn wenn
auch Aristoteles in der Lehre von der Seele und von Gott
ihnen sicherlich überlegen sei, so könne doch mit Hinzunahme
der Lehre des Anaxagoras vom Geiste ein mit dem aristote-
lischen konkurrierendes System geschaffen werden. Es mögen
also die Philosophen zusehen, ob als Prinzipien der Natur-
körper dienen können feine Körperchen, von Gott geschaffen,
durch deren Zusammenhäufung und Trennung allein alles Ent-
stehen und Vergehen zustande kommt, wie auch die meisten
der heiligen Väter gemeint haben, und ob jener Einklang und
Widerstreit von Körpern, ohne der heiligen Lehre zu wider-
sprechen, vorzuziehen sei der materia prima des Aristoteles.2

Die unter dem Namen Circulus Pisanus zusammengefaßten
Gespräche richten sich gegen die einzelnen physikalischen
Schriften des Aristoteles; unter ihnen enthält der Circulus
Pisanus in Aristotelis libros de Ortu et interitu
hauptsächlich die
auf die Korpuskulartheorie bezüglichen Ausführungen. Wie
schon gesagt, kommt es infolge der Gesprächsform nirgends
zu einer definitiven Entscheidung, aber die Gegnerschaft gegen

1 Circ. Pis. Prooemium p. 2.
2 A. a. O. p. 3. … an principia rerum naturalium possint esse corpus-
cula tenuia a Deo creata, quorum sola congregatione et secretione omnium
ortus et obitus perficiatur etc.
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[489/0507] Berigard: Circulus Pisanus. den könne; so erweckte er den Schein, für Aristoteles zu sprechen, wo er thatsächlich gegen ihn sprach. Seine eigenen Ansichten sind leicht zu erkennen, denn er legt sie dem Ari- stäus (der das „Beste‟ erwählt hat) in den Mund, während die zweite Person des Dialogs, Charilaos (der „der Menge zu Danke‟ redet), den Aristoteles verteidigt. Was Aristäus gegen Aristoteles vorführt, sollen nicht neue Meinungen sein, sondern nur eine Erneuerung der ältern Naturphilosophie gegenüber der aristotelischen; er will nur zeigen „was die Alten sagen könnten, um sich von den von Aristoteles erhobenen Vorwürfen zu reinigen‟ und habe zu diesem Zwecke mehr aus Anaximander und Anaxagoras entnommen als aus andern. 1 Es soll untersucht werden, ob die Meinung der Alten, welche alles für körperlich erklärten und den ersten Beweger vom Universum selbst nicht unterschieden, nach Beseitigung etwaiger Irrtümer zur Naturerklärung tauglich sei. Denn wenn auch Aristoteles in der Lehre von der Seele und von Gott ihnen sicherlich überlegen sei, so könne doch mit Hinzunahme der Lehre des Anaxagoras vom Geiste ein mit dem aristote- lischen konkurrierendes System geschaffen werden. Es mögen also die Philosophen zusehen, ob als Prinzipien der Natur- körper dienen können feine Körperchen, von Gott geschaffen, durch deren Zusammenhäufung und Trennung allein alles Ent- stehen und Vergehen zustande kommt, wie auch die meisten der heiligen Väter gemeint haben, und ob jener Einklang und Widerstreit von Körpern, ohne der heiligen Lehre zu wider- sprechen, vorzuziehen sei der materia prima des Aristoteles. 2 Die unter dem Namen Circulus Pisanus zusammengefaßten Gespräche richten sich gegen die einzelnen physikalischen Schriften des Aristoteles; unter ihnen enthält der Circulus Pisanus in Aristotelis libros de Ortu et interitu hauptsächlich die auf die Korpuskulartheorie bezüglichen Ausführungen. Wie schon gesagt, kommt es infolge der Gesprächsform nirgends zu einer definitiven Entscheidung, aber die Gegnerschaft gegen 1 Circ. Pis. Prooemium p. 2. 2 A. a. O. p. 3. … an principia rerum naturalium possint esse corpus- cula tenuia a Deo creata, quorum sola congregatione et secretione omnium ortus et obitus perficiatur etc.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/507>, abgerufen am 27.11.2024.