Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Magnenus: Die Gestaltänderung der Atome.
Seine ganze Theorie gründet sich auf die Lehre von den Kör-
pern, welche bei gleichem Volumen verschiedene Begrenzungs-
fläche haben.1 Indem die einzelnen Atome von einer Gestalt
in die andre, sei es aus äußern oder innern Antrieben, über-
gehen, z. B. aus der Kugel in Cylinder oder Parallelepipeda,
ändert sich an ihnen nichts als die mathematische Begrenzung.2
Durch die Vergrößerung derselben nehmen sie aber einen
größern Raum ein. und der ganze Körper kann auf diese
Weise, ohne selbst bewegt zu werden, seine Ausdehnung und
Gestalt unter Beibehaltung seiner Masse ändern, indem nur
innerhalb desselben in den Atomen Bewegungen auftreten.
Ein einziges Atom kann sich somit ohne Verdünnung, Auf-
blasung oder Wiederholung auf natürliche Weise bis ins Un-
endliche ausdehnen, wenn es von regelmäßiger Gestalt, wobei
ein bestimmtes Volumen den kleinsten Raum einnimmt (soll
heißen: die kleinste Oberfläche besitzt), zu unregelmäßiger
und immer mehr unregelmäßiger Gestalt übergeht, die einen
immer größern Raum einnimmt.3

Magnenus meint hier mit dem Ausdrucke "einen größeren
Raum einnehmen" (majorem locum occupare) etwas andres
als einen größeren Rauminhalt haben; er versteht unter
locus das örtliche Gebiet, welches durch die Gestalt eines Atoms
beherrscht wird, wenn man die linearen Dimensionen desselben

1 A. a. O. p. 262: Tota haec mea doctrina in isoperimetrarum figurarum
propositionibus innititur. Statt der "Lehrsätze über die isoperimetrischen
Figuren" (welche bei gleicher Oberfläche verschiedenen Inhalt haben) kommt
es aber vielmehr auf die Veränderlichkeit der Oberfläche bei konstantem
Volumen an. Magnenus benutzt den Satz, daß bei konstanter Oberfläche die
Kugel von allen Körpern das größte Volumen hat, und schließt nun umge-
kehrt, daß die Oberflächen bei konstantem Volumen mit der Abweichung von
der Kugelgestalt wachsen.
2 A. a. O. Majoribus terminis gaudebit atomus A cum erit in conum
exporrecta, quam si in cylindrum, cujus basis eadem esset atque coni. Et
sicuti figura pondus non auget, ita neque quantitatem, vel molem, sed terminos
tantum mathematicos: eadem est manus in volam expansa, et contracta in pugnum:
sic eadem atomus tetraedrica, et cubica erit, neque mole cum terminis augetur.
3 A. a. O. p. 410, 411. Unica atomus, sine rarefactione, sine inflatione,
aut reproductione potest naturaliter occupare majorem, et majorem locum,
in infinitum ..... Cum enim figurae regulares in isoperimetris sint magis
collectae, minoremque locum occupent, sequitur, quod quo irregularior erit
figura, eo majorem occupabit locum.

Magnenus: Die Gestaltänderung der Atome.
Seine ganze Theorie gründet sich auf die Lehre von den Kör-
pern, welche bei gleichem Volumen verschiedene Begrenzungs-
fläche haben.1 Indem die einzelnen Atome von einer Gestalt
in die andre, sei es aus äußern oder innern Antrieben, über-
gehen, z. B. aus der Kugel in Cylinder oder Parallelepipeda,
ändert sich an ihnen nichts als die mathematische Begrenzung.2
Durch die Vergrößerung derselben nehmen sie aber einen
größern Raum ein. und der ganze Körper kann auf diese
Weise, ohne selbst bewegt zu werden, seine Ausdehnung und
Gestalt unter Beibehaltung seiner Masse ändern, indem nur
innerhalb desselben in den Atomen Bewegungen auftreten.
Ein einziges Atom kann sich somit ohne Verdünnung, Auf-
blasung oder Wiederholung auf natürliche Weise bis ins Un-
endliche ausdehnen, wenn es von regelmäßiger Gestalt, wobei
ein bestimmtes Volumen den kleinsten Raum einnimmt (soll
heißen: die kleinste Oberfläche besitzt), zu unregelmäßiger
und immer mehr unregelmäßiger Gestalt übergeht, die einen
immer größern Raum einnimmt.3

Magnenus meint hier mit dem Ausdrucke „einen größeren
Raum einnehmen‟ (majorem locum occupare) etwas andres
als einen größeren Rauminhalt haben; er versteht unter
locus das örtliche Gebiet, welches durch die Gestalt eines Atoms
beherrscht wird, wenn man die linearen Dimensionen desselben

1 A. a. O. p. 262: Tota haec mea doctrina in isoperimetrarum figurarum
propositionibus innititur. Statt der „Lehrsätze über die isoperimetrischen
Figuren‟ (welche bei gleicher Oberfläche verschiedenen Inhalt haben) kommt
es aber vielmehr auf die Veränderlichkeit der Oberfläche bei konstantem
Volumen an. Magnenus benutzt den Satz, daß bei konstanter Oberfläche die
Kugel von allen Körpern das größte Volumen hat, und schließt nun umge-
kehrt, daß die Oberflächen bei konstantem Volumen mit der Abweichung von
der Kugelgestalt wachsen.
2 A. a. O. Majoribus terminis gaudebit atomus A cum erit in conum
exporrecta, quam si in cylindrum, cujus basis eadem esset atque coni. Et
sicuti figura pondus non auget, ita neque quantitatem, vel molem, sed terminos
tantum mathematicos: eadem est manus in volam expansa, et contracta in pugnum:
sic eadem atomus tetraedrica, et cubica erit, neque mole cum terminis augetur.
3 A. a. O. p. 410, 411. Unica atomus, sine rarefactione, sine inflatione,
aut reproductione potest naturaliter occupare majorem, et majorem locum,
in infinitum ..... Cum enim figurae regulares in isoperimetris sint magis
collectae, minoremque locum occupent, sequitur, quod quo irregularior erit
figura, eo majorem occupabit locum.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0525" n="507"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Magnenus</hi>: Die Gestaltänderung der Atome.</fw><lb/>
Seine ganze Theorie gründet sich auf die Lehre von den Kör-<lb/>
pern, welche bei gleichem Volumen verschiedene Begrenzungs-<lb/>
fläche haben.<note place="foot" n="1">A. a. O. p. 262: Tota haec mea doctrina in isoperimetrarum figurarum<lb/>
propositionibus innititur. Statt der &#x201E;Lehrsätze über die isoperimetrischen<lb/>
Figuren&#x201F; (welche bei gleicher Oberfläche verschiedenen Inhalt haben) kommt<lb/>
es aber vielmehr auf die Veränderlichkeit der Oberfläche bei konstantem<lb/>
Volumen an. <hi rendition="#k">Magnenus</hi> benutzt den Satz, daß bei konstanter Oberfläche die<lb/>
Kugel von allen Körpern das größte Volumen hat, und schließt nun umge-<lb/>
kehrt, daß die Oberflächen bei konstantem Volumen mit der Abweichung von<lb/>
der Kugelgestalt wachsen.</note> Indem die einzelnen Atome von einer Gestalt<lb/>
in die andre, sei es aus äußern oder innern Antrieben, über-<lb/>
gehen, z. B. aus der Kugel in Cylinder oder Parallelepipeda,<lb/>
ändert sich an ihnen nichts als die mathematische Begrenzung.<note place="foot" n="2">A. a. O. Majoribus terminis gaudebit atomus <hi rendition="#i">A</hi> cum erit in conum<lb/>
exporrecta, quam si in cylindrum, cujus basis eadem esset atque coni. Et<lb/>
sicuti figura pondus non auget, ita neque quantitatem, vel molem, sed terminos<lb/>
tantum mathematicos: eadem est manus in volam expansa, et contracta in pugnum:<lb/>
sic eadem atomus tetraedrica, et cubica erit, neque mole cum terminis augetur.</note><lb/>
Durch die Vergrößerung derselben nehmen sie aber einen<lb/>
größern Raum ein. und der ganze Körper kann auf diese<lb/>
Weise, ohne selbst bewegt zu werden, seine Ausdehnung und<lb/>
Gestalt unter Beibehaltung seiner Masse ändern, indem nur<lb/>
innerhalb desselben in den Atomen Bewegungen auftreten.<lb/>
Ein einziges Atom kann sich somit ohne Verdünnung, Auf-<lb/>
blasung oder Wiederholung auf natürliche Weise bis ins Un-<lb/>
endliche ausdehnen, wenn es von regelmäßiger Gestalt, wobei<lb/>
ein bestimmtes Volumen den kleinsten Raum einnimmt (soll<lb/>
heißen: die kleinste Oberfläche besitzt), zu unregelmäßiger<lb/>
und immer mehr unregelmäßiger Gestalt übergeht, die einen<lb/>
immer größern Raum einnimmt.<note place="foot" n="3">A. a. O. p. 410, 411. Unica atomus, sine rarefactione, sine inflatione,<lb/>
aut reproductione potest naturaliter occupare majorem, et majorem locum,<lb/>
in infinitum ..... Cum enim figurae regulares in isoperimetris sint magis<lb/>
collectae, minoremque locum occupent, sequitur, quod quo irregularior erit<lb/>
figura, eo majorem occupabit locum.</note></p><lb/>
            <p><hi rendition="#k">Magnenus</hi> meint hier mit dem Ausdrucke &#x201E;einen größeren<lb/>
Raum einnehmen&#x201F; (majorem locum occupare) etwas andres<lb/>
als einen größeren Rauminhalt haben; er versteht unter<lb/><hi rendition="#i">locus</hi> das örtliche Gebiet, welches durch die Gestalt eines Atoms<lb/>
beherrscht wird, wenn man die <hi rendition="#g">linearen</hi> Dimensionen desselben<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[507/0525] Magnenus: Die Gestaltänderung der Atome. Seine ganze Theorie gründet sich auf die Lehre von den Kör- pern, welche bei gleichem Volumen verschiedene Begrenzungs- fläche haben. 1 Indem die einzelnen Atome von einer Gestalt in die andre, sei es aus äußern oder innern Antrieben, über- gehen, z. B. aus der Kugel in Cylinder oder Parallelepipeda, ändert sich an ihnen nichts als die mathematische Begrenzung. 2 Durch die Vergrößerung derselben nehmen sie aber einen größern Raum ein. und der ganze Körper kann auf diese Weise, ohne selbst bewegt zu werden, seine Ausdehnung und Gestalt unter Beibehaltung seiner Masse ändern, indem nur innerhalb desselben in den Atomen Bewegungen auftreten. Ein einziges Atom kann sich somit ohne Verdünnung, Auf- blasung oder Wiederholung auf natürliche Weise bis ins Un- endliche ausdehnen, wenn es von regelmäßiger Gestalt, wobei ein bestimmtes Volumen den kleinsten Raum einnimmt (soll heißen: die kleinste Oberfläche besitzt), zu unregelmäßiger und immer mehr unregelmäßiger Gestalt übergeht, die einen immer größern Raum einnimmt. 3 Magnenus meint hier mit dem Ausdrucke „einen größeren Raum einnehmen‟ (majorem locum occupare) etwas andres als einen größeren Rauminhalt haben; er versteht unter locus das örtliche Gebiet, welches durch die Gestalt eines Atoms beherrscht wird, wenn man die linearen Dimensionen desselben 1 A. a. O. p. 262: Tota haec mea doctrina in isoperimetrarum figurarum propositionibus innititur. Statt der „Lehrsätze über die isoperimetrischen Figuren‟ (welche bei gleicher Oberfläche verschiedenen Inhalt haben) kommt es aber vielmehr auf die Veränderlichkeit der Oberfläche bei konstantem Volumen an. Magnenus benutzt den Satz, daß bei konstanter Oberfläche die Kugel von allen Körpern das größte Volumen hat, und schließt nun umge- kehrt, daß die Oberflächen bei konstantem Volumen mit der Abweichung von der Kugelgestalt wachsen. 2 A. a. O. Majoribus terminis gaudebit atomus A cum erit in conum exporrecta, quam si in cylindrum, cujus basis eadem esset atque coni. Et sicuti figura pondus non auget, ita neque quantitatem, vel molem, sed terminos tantum mathematicos: eadem est manus in volam expansa, et contracta in pugnum: sic eadem atomus tetraedrica, et cubica erit, neque mole cum terminis augetur. 3 A. a. O. p. 410, 411. Unica atomus, sine rarefactione, sine inflatione, aut reproductione potest naturaliter occupare majorem, et majorem locum, in infinitum ..... Cum enim figurae regulares in isoperimetris sint magis collectae, minoremque locum occupent, sequitur, quod quo irregularior erit figura, eo majorem occupabit locum.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/525
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/525>, abgerufen am 28.11.2024.