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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Adelard von Bath: Beharren der Teile.
mender Progression enthalten. Diese Kombination der Elemente
und ihrer Eigenschaften erzeugt die feststehende Ordnung in
den niederen Dingen, welche durch eine fortwährende Auf-
lösung zu den ihnen ähnlichen zurückkehren. Nichts in der
sinnlichen Welt wird ganz vernichtet. Wenn die Verbin-
dung von Teilen mit anderen aufhört, so hört
damit nicht ihre Existenz auf, sondern sie gehen
nur eine andere Verbindung ein.
Überhaupt muß
man Quantität und wirkende Kraft unterscheiden. Die erste
ist der zweiten untergeordnet. Daher legen wir dem oder
jenem Vegetabil die Eigenschaft der Wärme bei, obwohl1 der
Quantität nach das erdige Prinzip in allen Vegetabilien vor-
waltet. Die Verschiedenheit der Eigenschaften der Pflanzen
entspringt aus der Eigentümlichkeit des sie nährenden Elements."

Bei Adelard findet sich nun allerdings nicht hervorgehoben,
daß die Elemente als körperliche Partikeln der Körper zu be-
trachten sind, aber es ist doch der Gedanke deutlich aus-
gesprochen, daß die Teile der Körper eine selbständige Existenz
haben und nur durch den Wechsel ihrer Verbindungen die
Veränderungen der Körper bedingt sind.

8. Wilhelm von Conches.

Entschiedener tritt die korpuskulare Theorie der Materie
hervor bei Wilhelm von Conches (geb. 1080). Dieser gelehrte
Theologe war in naturwissenschaftlichen Fragen, unter denen
er psychologische und physiologische Probleme behandelt,
wohl unterrichtet, er kannte genau Platons Timäus, dessen
Kommentar Haureau ihm zuschreibt, und höchstwahrscheinlich
auch Schriften des Hippokrates und Galenus, welche der Mönch
Constantinus Africanus, der sich nach Reisen im Orient um
1050 im Kloster Montecassino niederließ, übersetzt hatte.2 Er
macht aus seinem Eklekticismus kein Hehl und bekennt sich

1 "quoique le principe terreux soit en quantite dans les vegetaux."
Stahr übersetzt hier "da doch u. s. w."; der Sinn ist doch aber offenbar der,
daß, obwohl die Pflanzen hauptsächlich aus Erde bestehen, wir sie doch unter
Umständen warm nennen, weil die wirkende Kraft der Erde das Maßgebende,
die Quantität das Untergeordnete ist.
2 Jourdain, a. a. O. S. 102. S. 247. Überweg-Heinze, II S. 221.

Adelard von Bath: Beharren der Teile.
mender Progression enthalten. Diese Kombination der Elemente
und ihrer Eigenschaften erzeugt die feststehende Ordnung in
den niederen Dingen, welche durch eine fortwährende Auf-
lösung zu den ihnen ähnlichen zurückkehren. Nichts in der
sinnlichen Welt wird ganz vernichtet. Wenn die Verbin-
dung von Teilen mit anderen aufhört, so hört
damit nicht ihre Existenz auf, sondern sie gehen
nur eine andere Verbindung ein.
Überhaupt muß
man Quantität und wirkende Kraft unterscheiden. Die erste
ist der zweiten untergeordnet. Daher legen wir dem oder
jenem Vegetabil die Eigenschaft der Wärme bei, obwohl1 der
Quantität nach das erdige Prinzip in allen Vegetabilien vor-
waltet. Die Verschiedenheit der Eigenschaften der Pflanzen
entspringt aus der Eigentümlichkeit des sie nährenden Elements.‟

Bei Adelard findet sich nun allerdings nicht hervorgehoben,
daß die Elemente als körperliche Partikeln der Körper zu be-
trachten sind, aber es ist doch der Gedanke deutlich aus-
gesprochen, daß die Teile der Körper eine selbständige Existenz
haben und nur durch den Wechsel ihrer Verbindungen die
Veränderungen der Körper bedingt sind.

8. Wilhelm von Conches.

Entschiedener tritt die korpuskulare Theorie der Materie
hervor bei Wilhelm von Conches (geb. 1080). Dieser gelehrte
Theologe war in naturwissenschaftlichen Fragen, unter denen
er psychologische und physiologische Probleme behandelt,
wohl unterrichtet, er kannte genau Platons Timäus, dessen
Kommentar Hauréau ihm zuschreibt, und höchstwahrscheinlich
auch Schriften des Hippokrates und Galenus, welche der Mönch
Constantinus Africanus, der sich nach Reisen im Orient um
1050 im Kloster Montecassino niederließ, übersetzt hatte.2 Er
macht aus seinem Eklekticismus kein Hehl und bekennt sich

1quoique le principe terreux soit en quantité dans les végétaux.‟
Stahr übersetzt hier „da doch u. s. w.‟; der Sinn ist doch aber offenbar der,
daß, obwohl die Pflanzen hauptsächlich aus Erde bestehen, wir sie doch unter
Umständen warm nennen, weil die wirkende Kraft der Erde das Maßgebende,
die Quantität das Untergeordnete ist.
2 Jourdain, a. a. O. S. 102. S. 247. Überweg-Heinze, II S. 221.
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[72/0090] Adelard von Bath: Beharren der Teile. mender Progression enthalten. Diese Kombination der Elemente und ihrer Eigenschaften erzeugt die feststehende Ordnung in den niederen Dingen, welche durch eine fortwährende Auf- lösung zu den ihnen ähnlichen zurückkehren. Nichts in der sinnlichen Welt wird ganz vernichtet. Wenn die Verbin- dung von Teilen mit anderen aufhört, so hört damit nicht ihre Existenz auf, sondern sie gehen nur eine andere Verbindung ein. Überhaupt muß man Quantität und wirkende Kraft unterscheiden. Die erste ist der zweiten untergeordnet. Daher legen wir dem oder jenem Vegetabil die Eigenschaft der Wärme bei, obwohl 1 der Quantität nach das erdige Prinzip in allen Vegetabilien vor- waltet. Die Verschiedenheit der Eigenschaften der Pflanzen entspringt aus der Eigentümlichkeit des sie nährenden Elements.‟ Bei Adelard findet sich nun allerdings nicht hervorgehoben, daß die Elemente als körperliche Partikeln der Körper zu be- trachten sind, aber es ist doch der Gedanke deutlich aus- gesprochen, daß die Teile der Körper eine selbständige Existenz haben und nur durch den Wechsel ihrer Verbindungen die Veränderungen der Körper bedingt sind. 8. Wilhelm von Conches. Entschiedener tritt die korpuskulare Theorie der Materie hervor bei Wilhelm von Conches (geb. 1080). Dieser gelehrte Theologe war in naturwissenschaftlichen Fragen, unter denen er psychologische und physiologische Probleme behandelt, wohl unterrichtet, er kannte genau Platons Timäus, dessen Kommentar Hauréau ihm zuschreibt, und höchstwahrscheinlich auch Schriften des Hippokrates und Galenus, welche der Mönch Constantinus Africanus, der sich nach Reisen im Orient um 1050 im Kloster Montecassino niederließ, übersetzt hatte. 2 Er macht aus seinem Eklekticismus kein Hehl und bekennt sich 1 „quoique le principe terreux soit en quantité dans les végétaux.‟ Stahr übersetzt hier „da doch u. s. w.‟; der Sinn ist doch aber offenbar der, daß, obwohl die Pflanzen hauptsächlich aus Erde bestehen, wir sie doch unter Umständen warm nennen, weil die wirkende Kraft der Erde das Maßgebende, die Quantität das Untergeordnete ist. 2 Jourdain, a. a. O. S. 102. S. 247. Überweg-Heinze, II S. 221.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/90>, abgerufen am 21.11.2024.