Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Elftes Kapitel.
zu kränken durch Kälte und Zurückweisung, und sie
wollte nicht Gefühle erwecken, die ihm doch nur zu
größerem Leide werden konnten. Wer kann wissen,
wie Menschenherzen fühlen mögen? Vielleicht waren
die Menschen viel stärker in ihren Gefühlen als in
ihrem Verstande. Und sie war Saltner zu dankbar,
um nicht für ihn zu denken, was er wohl nicht ver-
stand. -- Aber was thun?

Wäre Saltner ein Martier gewesen, so hätte es
keiner Vorsicht für La bedurft. Er hätte dann ge-
wußt, daß ihre Freundlichkeit und selbst ihre Zärtlich-
keit nichts bedeuteten als das ästhetische Spiel be-
wegter Gemüter, das die Freiheit der Person nicht
beschränken kann. Wie jedoch mochten Menschen in
diesem Falle denken? Durfte sie hierin ohne weiteres
gleiche Sitten voraussetzen? Und würde er wohl ver-
stehen, was von vornherein und immer den Menschen,
den wilden Erdbewohner, von der heiteren Freiheit
des erhabenen Numen trennte? Und lief er nicht Ge-
fahr, bei Se demselben Schicksal zu verfallen, vor dem
sie ihn selbst zu behüten suchte?

Wenn sie Se ihre Bedenken andeutete, so lachte
diese nur.

"Aber La", sagte sie, "Du bist auch gar zu be-
dächtig! Jch bitte Dich, er ist ja bloß ein Mensch!
Es ist doch furchtbar komisch, wenn der sich Mühe
giebt, so recht liebenswürdig zu sein."

"Du kannst aber nicht wissen", antwortete La,
"ob ihm auch so furchtbar komisch zu Mute ist. Ein
Tier, das wir necken, scheint uns oft äußerst lächerlich,

Elftes Kapitel.
zu kränken durch Kälte und Zurückweiſung, und ſie
wollte nicht Gefühle erwecken, die ihm doch nur zu
größerem Leide werden konnten. Wer kann wiſſen,
wie Menſchenherzen fühlen mögen? Vielleicht waren
die Menſchen viel ſtärker in ihren Gefühlen als in
ihrem Verſtande. Und ſie war Saltner zu dankbar,
um nicht für ihn zu denken, was er wohl nicht ver-
ſtand. — Aber was thun?

Wäre Saltner ein Martier geweſen, ſo hätte es
keiner Vorſicht für La bedurft. Er hätte dann ge-
wußt, daß ihre Freundlichkeit und ſelbſt ihre Zärtlich-
keit nichts bedeuteten als das äſthetiſche Spiel be-
wegter Gemüter, das die Freiheit der Perſon nicht
beſchränken kann. Wie jedoch mochten Menſchen in
dieſem Falle denken? Durfte ſie hierin ohne weiteres
gleiche Sitten vorausſetzen? Und würde er wohl ver-
ſtehen, was von vornherein und immer den Menſchen,
den wilden Erdbewohner, von der heiteren Freiheit
des erhabenen Numen trennte? Und lief er nicht Ge-
fahr, bei Se demſelben Schickſal zu verfallen, vor dem
ſie ihn ſelbſt zu behüten ſuchte?

Wenn ſie Se ihre Bedenken andeutete, ſo lachte
dieſe nur.

„Aber La‟, ſagte ſie, „Du biſt auch gar zu be-
dächtig! Jch bitte Dich, er iſt ja bloß ein Menſch!
Es iſt doch furchtbar komiſch, wenn der ſich Mühe
giebt, ſo recht liebenswürdig zu ſein.‟

„Du kannſt aber nicht wiſſen‟, antwortete La,
„ob ihm auch ſo furchtbar komiſch zu Mute iſt. Ein
Tier, das wir necken, ſcheint uns oft äußerſt lächerlich,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="162"/><fw place="top" type="header">Elftes Kapitel.</fw><lb/>
zu kränken durch Kälte und Zurückwei&#x017F;ung, und &#x017F;ie<lb/>
wollte nicht Gefühle erwecken, die ihm doch nur zu<lb/>
größerem Leide werden konnten. Wer kann wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wie Men&#x017F;chenherzen fühlen mögen? Vielleicht waren<lb/>
die Men&#x017F;chen viel &#x017F;tärker in ihren Gefühlen als in<lb/>
ihrem Ver&#x017F;tande. Und &#x017F;ie war Saltner zu dankbar,<lb/>
um nicht für ihn zu denken, was er wohl nicht ver-<lb/>
&#x017F;tand. &#x2014; Aber was thun?</p><lb/>
          <p>Wäre Saltner ein Martier gewe&#x017F;en, &#x017F;o hätte es<lb/>
keiner Vor&#x017F;icht für La bedurft. Er hätte dann ge-<lb/>
wußt, daß ihre Freundlichkeit und &#x017F;elb&#x017F;t ihre Zärtlich-<lb/>
keit nichts bedeuteten als das ä&#x017F;theti&#x017F;che Spiel be-<lb/>
wegter Gemüter, das die Freiheit der Per&#x017F;on nicht<lb/>
be&#x017F;chränken kann. Wie jedoch mochten Men&#x017F;chen in<lb/>
die&#x017F;em Falle denken? Durfte &#x017F;ie hierin ohne weiteres<lb/>
gleiche Sitten voraus&#x017F;etzen? Und würde er wohl ver-<lb/>
&#x017F;tehen, was von vornherein und immer den Men&#x017F;chen,<lb/>
den wilden Erdbewohner, von der heiteren Freiheit<lb/>
des erhabenen Numen trennte? Und lief er nicht Ge-<lb/>
fahr, bei Se dem&#x017F;elben Schick&#x017F;al zu verfallen, vor dem<lb/>
&#x017F;ie ihn &#x017F;elb&#x017F;t zu behüten &#x017F;uchte?</p><lb/>
          <p>Wenn &#x017F;ie Se ihre Bedenken andeutete, &#x017F;o lachte<lb/>
die&#x017F;e nur.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber La&#x201F;, &#x017F;agte &#x017F;ie, &#x201E;Du bi&#x017F;t auch gar zu be-<lb/>
dächtig! Jch bitte Dich, er i&#x017F;t ja bloß ein Men&#x017F;ch!<lb/>
Es i&#x017F;t doch furchtbar komi&#x017F;ch, wenn der &#x017F;ich Mühe<lb/>
giebt, &#x017F;o recht liebenswürdig zu &#x017F;ein.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Du kann&#x017F;t aber nicht wi&#x017F;&#x017F;en&#x201F;, antwortete La,<lb/>
&#x201E;ob ihm auch &#x017F;o furchtbar komi&#x017F;ch zu Mute i&#x017F;t. Ein<lb/>
Tier, das wir necken, &#x017F;cheint uns oft äußer&#x017F;t lächerlich,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0170] Elftes Kapitel. zu kränken durch Kälte und Zurückweiſung, und ſie wollte nicht Gefühle erwecken, die ihm doch nur zu größerem Leide werden konnten. Wer kann wiſſen, wie Menſchenherzen fühlen mögen? Vielleicht waren die Menſchen viel ſtärker in ihren Gefühlen als in ihrem Verſtande. Und ſie war Saltner zu dankbar, um nicht für ihn zu denken, was er wohl nicht ver- ſtand. — Aber was thun? Wäre Saltner ein Martier geweſen, ſo hätte es keiner Vorſicht für La bedurft. Er hätte dann ge- wußt, daß ihre Freundlichkeit und ſelbſt ihre Zärtlich- keit nichts bedeuteten als das äſthetiſche Spiel be- wegter Gemüter, das die Freiheit der Perſon nicht beſchränken kann. Wie jedoch mochten Menſchen in dieſem Falle denken? Durfte ſie hierin ohne weiteres gleiche Sitten vorausſetzen? Und würde er wohl ver- ſtehen, was von vornherein und immer den Menſchen, den wilden Erdbewohner, von der heiteren Freiheit des erhabenen Numen trennte? Und lief er nicht Ge- fahr, bei Se demſelben Schickſal zu verfallen, vor dem ſie ihn ſelbſt zu behüten ſuchte? Wenn ſie Se ihre Bedenken andeutete, ſo lachte dieſe nur. „Aber La‟, ſagte ſie, „Du biſt auch gar zu be- dächtig! Jch bitte Dich, er iſt ja bloß ein Menſch! Es iſt doch furchtbar komiſch, wenn der ſich Mühe giebt, ſo recht liebenswürdig zu ſein.‟ „Du kannſt aber nicht wiſſen‟, antwortete La, „ob ihm auch ſo furchtbar komiſch zu Mute iſt. Ein Tier, das wir necken, ſcheint uns oft äußerſt lächerlich,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/170
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/170>, abgerufen am 23.11.2024.