sich auf den Tisch. Seine Lippen zogen sich fest zu- sammen. Dann öffnete er sie mit einem festen Ent- schluß. Er warf einen Blick auf Saltner. Auch dieser hatte in sich verloren mit ähnlichen Gedanken gesessen. Als Grunthe ihn ansah, sagte er leise: "Ablehnen."
Grunthe begann. Erst stockend und leise. All- mählich hob sich seine Stimme.
"Wir sind als Menschen nicht so eingebildet", sagte er, "daß wir glauben, von einer älteren Kultur nicht lernen zu können. Es kann ein hohes Glück sein, den Martiern zu folgen. Es kann auch unser Unglück sein. Jch wage darüber nicht zu entscheiden. Und eben darum, weil ich nicht darüber entscheiden kann, darf ich, soviel an mir liegt, nicht zugeben, daß mein Ver- halten einer Entscheidung gleichkommt; die Menschen, die Erdbewohner, müssen sich eine Meinung bilden können. Dies zu ermöglichen ist meine Pflicht. Da- durch ist meinem Freunde und mir unsre Handlungs- weise klar und deutlich vorgeschrieben. Unsre Jn- struktion lautet dahin, nach Erreichung des Nordpols so schnell als möglich nach Hause zurückzukehren. Schon dies verbietet uns, auf Jhre Aufforderung einzugehen. Doch es könnten Zweifel entstehen, ob nicht unser kürzester Weg über den Mars führe. Diese Zweifel erledigen sich nun durch unsre gegenseitige Aussprache. Sie wollen uns nicht vor Jhrer eigenen Ankunft bei den Unseren heimkehren lassen. Das müssen wir ver- hüten. Es ist keine Frage der Klugheit, es ist eine Frage des Gewissens. Mag daraus entstehen, was da wolle, wir müssen unsre ganze Kraft und unser
Neunzehntes Kapitel.
ſich auf den Tiſch. Seine Lippen zogen ſich feſt zu- ſammen. Dann öffnete er ſie mit einem feſten Ent- ſchluß. Er warf einen Blick auf Saltner. Auch dieſer hatte in ſich verloren mit ähnlichen Gedanken geſeſſen. Als Grunthe ihn anſah, ſagte er leiſe: „Ablehnen.‟
„Wir ſind als Menſchen nicht ſo eingebildet‟, ſagte er, „daß wir glauben, von einer älteren Kultur nicht lernen zu können. Es kann ein hohes Glück ſein, den Martiern zu folgen. Es kann auch unſer Unglück ſein. Jch wage darüber nicht zu entſcheiden. Und eben darum, weil ich nicht darüber entſcheiden kann, darf ich, ſoviel an mir liegt, nicht zugeben, daß mein Ver- halten einer Entſcheidung gleichkommt; die Menſchen, die Erdbewohner, müſſen ſich eine Meinung bilden können. Dies zu ermöglichen iſt meine Pflicht. Da- durch iſt meinem Freunde und mir unſre Handlungs- weiſe klar und deutlich vorgeſchrieben. Unſre Jn- ſtruktion lautet dahin, nach Erreichung des Nordpols ſo ſchnell als möglich nach Hauſe zurückzukehren. Schon dies verbietet uns, auf Jhre Aufforderung einzugehen. Doch es könnten Zweifel entſtehen, ob nicht unſer kürzeſter Weg über den Mars führe. Dieſe Zweifel erledigen ſich nun durch unſre gegenſeitige Ausſprache. Sie wollen uns nicht vor Jhrer eigenen Ankunft bei den Unſeren heimkehren laſſen. Das müſſen wir ver- hüten. Es iſt keine Frage der Klugheit, es iſt eine Frage des Gewiſſens. Mag daraus entſtehen, was da wolle, wir müſſen unſre ganze Kraft und unſer
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Neunzehntes Kapitel.
ſich auf den Tiſch. Seine Lippen zogen ſich feſt zu-
ſammen. Dann öffnete er ſie mit einem feſten Ent-
ſchluß. Er warf einen Blick auf Saltner. Auch dieſer
hatte in ſich verloren mit ähnlichen Gedanken geſeſſen.
Als Grunthe ihn anſah, ſagte er leiſe: „Ablehnen.‟
Grunthe begann. Erſt ſtockend und leiſe. All-
mählich hob ſich ſeine Stimme.
„Wir ſind als Menſchen nicht ſo eingebildet‟, ſagte
er, „daß wir glauben, von einer älteren Kultur nicht
lernen zu können. Es kann ein hohes Glück ſein, den
Martiern zu folgen. Es kann auch unſer Unglück ſein.
Jch wage darüber nicht zu entſcheiden. Und eben
darum, weil ich nicht darüber entſcheiden kann, darf
ich, ſoviel an mir liegt, nicht zugeben, daß mein Ver-
halten einer Entſcheidung gleichkommt; die Menſchen,
die Erdbewohner, müſſen ſich eine Meinung bilden
können. Dies zu ermöglichen iſt meine Pflicht. Da-
durch iſt meinem Freunde und mir unſre Handlungs-
weiſe klar und deutlich vorgeſchrieben. Unſre Jn-
ſtruktion lautet dahin, nach Erreichung des Nordpols
ſo ſchnell als möglich nach Hauſe zurückzukehren. Schon
dies verbietet uns, auf Jhre Aufforderung einzugehen.
Doch es könnten Zweifel entſtehen, ob nicht unſer
kürzeſter Weg über den Mars führe. Dieſe Zweifel
erledigen ſich nun durch unſre gegenſeitige Ausſprache.
Sie wollen uns nicht vor Jhrer eigenen Ankunft bei
den Unſeren heimkehren laſſen. Das müſſen wir ver-
hüten. Es iſt keine Frage der Klugheit, es iſt eine
Frage des Gewiſſens. Mag daraus entſtehen, was
da wolle, wir müſſen unſre ganze Kraft und unſer
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/304>, abgerufen am 24.11.2024.
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