Solche waren zur Genüge an den Körben vorhanden, die zur Ausrüstung des Ballons gedient hatten und in seinem Zimmer lagerten. Aus einem der leeren Körbe und zwei Seilen ließ sich eine Art schwebendes Trapez herstellen, das an der Decke angehängt ge- statten mußte, den Kopf bis über das Dach zu erheben. Aber wie hinaufkommen? Er entschloß sich, Saltner zu wecken. Der räsonnierte eben ein wenig über die nächtliche Störung, als sich das Zischen in der Ent- fernung wieder hören ließ. Nun sprang er mit einem Satze in die Höhe und fuhr in seine Kleider. Auf Grunthes Schultern stehend gelang es ihm, zwei Seile an der Decke zu befestigen, und nun war es nicht mehr schwer einen Beobachtungsposten einzurichten.
Vorsichtig steckten die beiden indiskreten Beobachter ihre Köpfe aus der Lucke und wandten sich nach der Richtung, in welcher sich jetzt deutlich, aber in der Ferne, ein gleichmäßiges leises Sausen vernehmen ließ. Zu ihrem grenzenlosen Erstaunen sahen sie, daß dieses Geräusch von einem riesigen Vogel herzurühren schien, der mit ausgebreiteten Schwingen in ruhigem Segelfluge durch die Luft glitt und in geringer Höhe über dem Wasser rings um die Jnsel schwebte. Jetzt näherte er sich derselben und schoß mit rasender Ge- schwindigkeit vielleicht zwanzig Meter über dem Dach der Jnsel hinweg. Trotz der kurzen Zeit, in welcher die beiden Männer den seltsamen Vogel beobachten konnten, sahen sie doch, daß er weder Kopf noch Füße besaß. Sein lang gestreckter Körper hatte die Gestalt einer nach vorn und hinten konisch zulaufenden
Zwanzigſtes Kapitel.
Solche waren zur Genüge an den Körben vorhanden, die zur Ausrüſtung des Ballons gedient hatten und in ſeinem Zimmer lagerten. Aus einem der leeren Körbe und zwei Seilen ließ ſich eine Art ſchwebendes Trapez herſtellen, das an der Decke angehängt ge- ſtatten mußte, den Kopf bis über das Dach zu erheben. Aber wie hinaufkommen? Er entſchloß ſich, Saltner zu wecken. Der räſonnierte eben ein wenig über die nächtliche Störung, als ſich das Ziſchen in der Ent- fernung wieder hören ließ. Nun ſprang er mit einem Satze in die Höhe und fuhr in ſeine Kleider. Auf Grunthes Schultern ſtehend gelang es ihm, zwei Seile an der Decke zu befeſtigen, und nun war es nicht mehr ſchwer einen Beobachtungspoſten einzurichten.
Vorſichtig ſteckten die beiden indiskreten Beobachter ihre Köpfe aus der Lucke und wandten ſich nach der Richtung, in welcher ſich jetzt deutlich, aber in der Ferne, ein gleichmäßiges leiſes Sauſen vernehmen ließ. Zu ihrem grenzenloſen Erſtaunen ſahen ſie, daß dieſes Geräuſch von einem rieſigen Vogel herzurühren ſchien, der mit ausgebreiteten Schwingen in ruhigem Segelfluge durch die Luft glitt und in geringer Höhe über dem Waſſer rings um die Jnſel ſchwebte. Jetzt näherte er ſich derſelben und ſchoß mit raſender Ge- ſchwindigkeit vielleicht zwanzig Meter über dem Dach der Jnſel hinweg. Trotz der kurzen Zeit, in welcher die beiden Männer den ſeltſamen Vogel beobachten konnten, ſahen ſie doch, daß er weder Kopf noch Füße beſaß. Sein lang geſtreckter Körper hatte die Geſtalt einer nach vorn und hinten koniſch zulaufenden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0312"n="304"/><fwplace="top"type="header">Zwanzigſtes Kapitel.</fw><lb/>
Solche waren zur Genüge an den Körben vorhanden,<lb/>
die zur Ausrüſtung des Ballons gedient hatten und<lb/>
in ſeinem Zimmer lagerten. Aus einem der leeren<lb/>
Körbe und zwei Seilen ließ ſich eine Art ſchwebendes<lb/>
Trapez herſtellen, das an der Decke angehängt ge-<lb/>ſtatten mußte, den Kopf bis über das Dach zu erheben.<lb/>
Aber wie hinaufkommen? Er entſchloß ſich, Saltner<lb/>
zu wecken. Der räſonnierte eben ein wenig über die<lb/>
nächtliche Störung, als ſich das Ziſchen in der Ent-<lb/>
fernung wieder hören ließ. Nun ſprang er mit einem<lb/>
Satze in die Höhe und fuhr in ſeine Kleider. Auf<lb/>
Grunthes Schultern ſtehend gelang es ihm, zwei Seile<lb/>
an der Decke zu befeſtigen, und nun war es nicht<lb/>
mehr ſchwer einen Beobachtungspoſten einzurichten.</p><lb/><p>Vorſichtig ſteckten die beiden indiskreten Beobachter<lb/>
ihre Köpfe aus der Lucke und wandten ſich nach der<lb/>
Richtung, in welcher ſich jetzt deutlich, aber in der<lb/>
Ferne, ein gleichmäßiges leiſes Sauſen vernehmen<lb/>
ließ. Zu ihrem grenzenloſen Erſtaunen ſahen ſie, daß<lb/>
dieſes Geräuſch von einem rieſigen Vogel herzurühren<lb/>ſchien, der mit ausgebreiteten Schwingen in ruhigem<lb/>
Segelfluge durch die Luft glitt und in geringer Höhe<lb/>
über dem Waſſer rings um die Jnſel ſchwebte. Jetzt<lb/>
näherte er ſich derſelben und ſchoß mit raſender Ge-<lb/>ſchwindigkeit vielleicht zwanzig Meter über dem Dach<lb/>
der Jnſel hinweg. Trotz der kurzen Zeit, in welcher<lb/>
die beiden Männer den ſeltſamen Vogel beobachten<lb/>
konnten, ſahen ſie doch, daß er weder Kopf noch<lb/>
Füße beſaß. Sein lang geſtreckter Körper hatte die<lb/>
Geſtalt einer nach vorn und hinten koniſch zulaufenden<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[304/0312]
Zwanzigſtes Kapitel.
Solche waren zur Genüge an den Körben vorhanden,
die zur Ausrüſtung des Ballons gedient hatten und
in ſeinem Zimmer lagerten. Aus einem der leeren
Körbe und zwei Seilen ließ ſich eine Art ſchwebendes
Trapez herſtellen, das an der Decke angehängt ge-
ſtatten mußte, den Kopf bis über das Dach zu erheben.
Aber wie hinaufkommen? Er entſchloß ſich, Saltner
zu wecken. Der räſonnierte eben ein wenig über die
nächtliche Störung, als ſich das Ziſchen in der Ent-
fernung wieder hören ließ. Nun ſprang er mit einem
Satze in die Höhe und fuhr in ſeine Kleider. Auf
Grunthes Schultern ſtehend gelang es ihm, zwei Seile
an der Decke zu befeſtigen, und nun war es nicht
mehr ſchwer einen Beobachtungspoſten einzurichten.
Vorſichtig ſteckten die beiden indiskreten Beobachter
ihre Köpfe aus der Lucke und wandten ſich nach der
Richtung, in welcher ſich jetzt deutlich, aber in der
Ferne, ein gleichmäßiges leiſes Sauſen vernehmen
ließ. Zu ihrem grenzenloſen Erſtaunen ſahen ſie, daß
dieſes Geräuſch von einem rieſigen Vogel herzurühren
ſchien, der mit ausgebreiteten Schwingen in ruhigem
Segelfluge durch die Luft glitt und in geringer Höhe
über dem Waſſer rings um die Jnſel ſchwebte. Jetzt
näherte er ſich derſelben und ſchoß mit raſender Ge-
ſchwindigkeit vielleicht zwanzig Meter über dem Dach
der Jnſel hinweg. Trotz der kurzen Zeit, in welcher
die beiden Männer den ſeltſamen Vogel beobachten
konnten, ſahen ſie doch, daß er weder Kopf noch
Füße beſaß. Sein lang geſtreckter Körper hatte die
Geſtalt einer nach vorn und hinten koniſch zulaufenden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/312>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.