Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Sturz des Ballons.

"Sackerment", brummte Saltner unter der Decke,
"liegen Sie doch einmal still, wenn Sie auf einer zer-
brochenen Champagnerflasche sitzen! Hätten wir nur
das ganze Zeug gleich ausgetrunken und die leere
Flasche hinausgeworfen!"

Dabei warf er sich mit einem Gewaltruck zur
Seite, zugleich aber geriet er ins Rollen --

Grunthe stieß einen Schrei des Schreckens aus.
Er sah den Gefährten am äußersten Rande der Gondel
schweben -- Saltner fuhr mit den Armen in die Luft,
jedoch er fand keinen Halt -- der Körper stürzte
hinaus -- seine Kniee hingen in der Schlinge eines
Seiles -- in dieser furchtbaren Lage, den Kopf nach
unten, schwebte Saltner, mehr als tausend Meter über
dem Spiegel des Polarmeeres.

Jn der Aufregung des Augenblicks wandte Grunthe,
mit beiden Händen sich festhaltend, seinen Körper so
gewaltsam, daß es ihm gelang den Fuß unter dem
Anker herauszureißen. Er achtete den Schmerz nicht;
so schnell wie möglich, obwohl mit großer Vorsicht,
kletterte er an den Tauen des Korbes nach Saltner
hin. Er suchte nach einem Seile, daß er ihm zu-
werfen konnte, um ihn wieder in die Gondel zu ziehen.
Aber wo war in diesem Gewirr von Stricken sogleich
ein passendes Tau zu finden? Hier hing eine weite
Schlinge herab. Er versetzte sie in Schwingungen, er
zerrte daran, und jetzt gelang es ihm, das Tau bis
in Saltners Nähe zu bringen.

Zum Glück hatte dieser keinen Augenblick seine
Geistesgegenwart verloren. Als er das Tau im Be-

Der Sturz des Ballons.

„Sackerment‟, brummte Saltner unter der Decke,
„liegen Sie doch einmal ſtill, wenn Sie auf einer zer-
brochenen Champagnerflaſche ſitzen! Hätten wir nur
das ganze Zeug gleich ausgetrunken und die leere
Flaſche hinausgeworfen!‟

Dabei warf er ſich mit einem Gewaltruck zur
Seite, zugleich aber geriet er ins Rollen —

Grunthe ſtieß einen Schrei des Schreckens aus.
Er ſah den Gefährten am äußerſten Rande der Gondel
ſchweben — Saltner fuhr mit den Armen in die Luft,
jedoch er fand keinen Halt — der Körper ſtürzte
hinaus — ſeine Kniee hingen in der Schlinge eines
Seiles — in dieſer furchtbaren Lage, den Kopf nach
unten, ſchwebte Saltner, mehr als tauſend Meter über
dem Spiegel des Polarmeeres.

Jn der Aufregung des Augenblicks wandte Grunthe,
mit beiden Händen ſich feſthaltend, ſeinen Körper ſo
gewaltſam, daß es ihm gelang den Fuß unter dem
Anker herauszureißen. Er achtete den Schmerz nicht;
ſo ſchnell wie möglich, obwohl mit großer Vorſicht,
kletterte er an den Tauen des Korbes nach Saltner
hin. Er ſuchte nach einem Seile, daß er ihm zu-
werfen konnte, um ihn wieder in die Gondel zu ziehen.
Aber wo war in dieſem Gewirr von Stricken ſogleich
ein paſſendes Tau zu finden? Hier hing eine weite
Schlinge herab. Er verſetzte ſie in Schwingungen, er
zerrte daran, und jetzt gelang es ihm, das Tau bis
in Saltners Nähe zu bringen.

Zum Glück hatte dieſer keinen Augenblick ſeine
Geiſtesgegenwart verloren. Als er das Tau im Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0063" n="55"/>
          <fw place="top" type="header">Der Sturz des Ballons.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Sackerment&#x201F;, brummte Saltner unter der Decke,<lb/>
&#x201E;liegen Sie doch einmal &#x017F;till, wenn Sie auf einer zer-<lb/>
brochenen Champagnerfla&#x017F;che &#x017F;itzen! Hätten wir nur<lb/>
das ganze Zeug gleich ausgetrunken und die leere<lb/>
Fla&#x017F;che hinausgeworfen!&#x201F;</p><lb/>
          <p>Dabei warf er &#x017F;ich mit einem Gewaltruck zur<lb/>
Seite, zugleich aber geriet er ins Rollen &#x2014;</p><lb/>
          <p>Grunthe &#x017F;tieß einen Schrei des Schreckens aus.<lb/>
Er &#x017F;ah den Gefährten am äußer&#x017F;ten Rande der Gondel<lb/>
&#x017F;chweben &#x2014; Saltner fuhr mit den Armen in die Luft,<lb/>
jedoch er fand keinen Halt &#x2014; der Körper &#x017F;türzte<lb/>
hinaus &#x2014; &#x017F;eine Kniee hingen in der Schlinge eines<lb/>
Seiles &#x2014; in die&#x017F;er furchtbaren Lage, den Kopf nach<lb/>
unten, &#x017F;chwebte Saltner, mehr als tau&#x017F;end Meter über<lb/>
dem Spiegel des Polarmeeres.</p><lb/>
          <p>Jn der Aufregung des Augenblicks wandte Grunthe,<lb/>
mit beiden Händen &#x017F;ich fe&#x017F;thaltend, &#x017F;einen Körper &#x017F;o<lb/>
gewalt&#x017F;am, daß es ihm gelang den Fuß unter dem<lb/>
Anker herauszureißen. Er achtete den Schmerz nicht;<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chnell wie möglich, obwohl mit großer Vor&#x017F;icht,<lb/>
kletterte er an den Tauen des Korbes nach Saltner<lb/>
hin. Er &#x017F;uchte nach einem Seile, daß er ihm zu-<lb/>
werfen konnte, um ihn wieder in die Gondel zu ziehen.<lb/>
Aber wo war in die&#x017F;em Gewirr von Stricken &#x017F;ogleich<lb/>
ein pa&#x017F;&#x017F;endes Tau zu finden? Hier hing eine weite<lb/>
Schlinge herab. Er ver&#x017F;etzte &#x017F;ie in Schwingungen, er<lb/>
zerrte daran, und jetzt gelang es ihm, das Tau bis<lb/>
in Saltners Nähe zu bringen.</p><lb/>
          <p>Zum Glück hatte die&#x017F;er keinen Augenblick &#x017F;eine<lb/>
Gei&#x017F;tesgegenwart verloren. Als er das Tau im Be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] Der Sturz des Ballons. „Sackerment‟, brummte Saltner unter der Decke, „liegen Sie doch einmal ſtill, wenn Sie auf einer zer- brochenen Champagnerflaſche ſitzen! Hätten wir nur das ganze Zeug gleich ausgetrunken und die leere Flaſche hinausgeworfen!‟ Dabei warf er ſich mit einem Gewaltruck zur Seite, zugleich aber geriet er ins Rollen — Grunthe ſtieß einen Schrei des Schreckens aus. Er ſah den Gefährten am äußerſten Rande der Gondel ſchweben — Saltner fuhr mit den Armen in die Luft, jedoch er fand keinen Halt — der Körper ſtürzte hinaus — ſeine Kniee hingen in der Schlinge eines Seiles — in dieſer furchtbaren Lage, den Kopf nach unten, ſchwebte Saltner, mehr als tauſend Meter über dem Spiegel des Polarmeeres. Jn der Aufregung des Augenblicks wandte Grunthe, mit beiden Händen ſich feſthaltend, ſeinen Körper ſo gewaltſam, daß es ihm gelang den Fuß unter dem Anker herauszureißen. Er achtete den Schmerz nicht; ſo ſchnell wie möglich, obwohl mit großer Vorſicht, kletterte er an den Tauen des Korbes nach Saltner hin. Er ſuchte nach einem Seile, daß er ihm zu- werfen konnte, um ihn wieder in die Gondel zu ziehen. Aber wo war in dieſem Gewirr von Stricken ſogleich ein paſſendes Tau zu finden? Hier hing eine weite Schlinge herab. Er verſetzte ſie in Schwingungen, er zerrte daran, und jetzt gelang es ihm, das Tau bis in Saltners Nähe zu bringen. Zum Glück hatte dieſer keinen Augenblick ſeine Geiſtesgegenwart verloren. Als er das Tau im Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/63
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/63>, abgerufen am 24.11.2024.