Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Kapitel.
auf eine andere Erklärung hoffen konnte. Doch als
der Ballon von jener unerklärlichen Kraft in die Höhe
gerissen wurde, mußte er wieder an diese Hypothese
denken. Und jetzt, die merkwürdige Rettung, die selt-
samen Staffe, das Bild! Was war das für ein Stern,
der auf diesem Bilde beobachtet wurde? Er strengte
seine scharfen Augen an, um die Abbildung auf der
Tafel zu erkennen. Eine hell beleuchtete schmale
Sichel, der übrige Teil der Scheibe in einem matten
Schimmer -- und diese dunklen Flecke, die weißen
Kappen an den Polen -- kein Zweifel, das war die
Erde, wie sie vom Mars aus bei starker Vergrößerung
erschien, die schmale Sichel im Sonnenschein, das
übrige schwach vom Mondlicht erhellt -- Grunthe
konnte sich nicht länger der Ansicht verschließen, daß
er bei den Marsbewohnern sich befinde -- ein Gast,
ein Gefangener -- wer konnte es wissen?

Wie konnten Marsbewohner auf die Erde kommen?
Grunthe wußte die Frage nicht zu beantworten. Nahm
man aber die Thatsache einmal als gegeben, so er-
klärten sich die andern Erscheinungen sehr leicht, der
Wunderbau der Jnsel, die Beeinflussung des Ballons,
die Rettung, die Einrichtung des Zimmers -- die
Hypothese der Marsbewohner war doch wohl die
einfachste --

Und auf einmal zuckte Grunthe zusammen -- eine
Erinnerung wurde ihm plötzlich lebendig -- seine
Lippen schlossen sich fest aufeinander und zwischen
seinen Augenbrauen bildete sich eine tiefe senkrechte
Falte -- er spannte sein Gedächtnis aufs äußerste an --

Siebentes Kapitel.
auf eine andere Erklärung hoffen konnte. Doch als
der Ballon von jener unerklärlichen Kraft in die Höhe
geriſſen wurde, mußte er wieder an dieſe Hypotheſe
denken. Und jetzt, die merkwürdige Rettung, die ſelt-
ſamen Staffe, das Bild! Was war das für ein Stern,
der auf dieſem Bilde beobachtet wurde? Er ſtrengte
ſeine ſcharfen Augen an, um die Abbildung auf der
Tafel zu erkennen. Eine hell beleuchtete ſchmale
Sichel, der übrige Teil der Scheibe in einem matten
Schimmer — und dieſe dunklen Flecke, die weißen
Kappen an den Polen — kein Zweifel, das war die
Erde, wie ſie vom Mars aus bei ſtarker Vergrößerung
erſchien, die ſchmale Sichel im Sonnenſchein, das
übrige ſchwach vom Mondlicht erhellt — Grunthe
konnte ſich nicht länger der Anſicht verſchließen, daß
er bei den Marsbewohnern ſich befinde — ein Gaſt,
ein Gefangener — wer konnte es wiſſen?

Wie konnten Marsbewohner auf die Erde kommen?
Grunthe wußte die Frage nicht zu beantworten. Nahm
man aber die Thatſache einmal als gegeben, ſo er-
klärten ſich die andern Erſcheinungen ſehr leicht, der
Wunderbau der Jnſel, die Beeinfluſſung des Ballons,
die Rettung, die Einrichtung des Zimmers — die
Hypotheſe der Marsbewohner war doch wohl die
einfachſte —

Und auf einmal zuckte Grunthe zuſammen — eine
Erinnerung wurde ihm plötzlich lebendig — ſeine
Lippen ſchloſſen ſich feſt aufeinander und zwiſchen
ſeinen Augenbrauen bildete ſich eine tiefe ſenkrechte
Falte — er ſpannte ſein Gedächtnis aufs äußerſte an —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0098" n="90"/><fw place="top" type="header">Siebentes Kapitel.</fw><lb/>
auf eine andere Erklärung hoffen konnte. Doch als<lb/>
der Ballon von jener unerklärlichen Kraft in die Höhe<lb/>
geri&#x017F;&#x017F;en wurde, mußte er wieder an die&#x017F;e Hypothe&#x017F;e<lb/>
denken. Und jetzt, die merkwürdige Rettung, die &#x017F;elt-<lb/>
&#x017F;amen Staffe, das Bild! Was war das für ein Stern,<lb/>
der auf die&#x017F;em Bilde beobachtet wurde? Er &#x017F;trengte<lb/>
&#x017F;eine &#x017F;charfen Augen an, um die Abbildung auf der<lb/>
Tafel zu erkennen. Eine hell beleuchtete &#x017F;chmale<lb/>
Sichel, der übrige Teil der Scheibe in einem matten<lb/>
Schimmer &#x2014; und die&#x017F;e dunklen Flecke, die weißen<lb/>
Kappen an den Polen &#x2014; kein Zweifel, das war die<lb/>
Erde, wie &#x017F;ie vom Mars aus bei &#x017F;tarker Vergrößerung<lb/>
er&#x017F;chien, die &#x017F;chmale Sichel im Sonnen&#x017F;chein, das<lb/>
übrige &#x017F;chwach vom Mondlicht erhellt &#x2014; Grunthe<lb/>
konnte &#x017F;ich nicht länger der An&#x017F;icht ver&#x017F;chließen, daß<lb/>
er bei den Marsbewohnern &#x017F;ich befinde &#x2014; ein Ga&#x017F;t,<lb/>
ein Gefangener &#x2014; wer konnte es wi&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>Wie konnten Marsbewohner auf die Erde kommen?<lb/>
Grunthe wußte die Frage nicht zu beantworten. Nahm<lb/>
man aber die That&#x017F;ache einmal als gegeben, &#x017F;o er-<lb/>
klärten &#x017F;ich die andern Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ehr leicht, der<lb/>
Wunderbau der Jn&#x017F;el, die Beeinflu&#x017F;&#x017F;ung des Ballons,<lb/>
die Rettung, die Einrichtung des Zimmers &#x2014; die<lb/>
Hypothe&#x017F;e der Marsbewohner war doch wohl die<lb/>
einfach&#x017F;te &#x2014;</p><lb/>
          <p>Und auf einmal zuckte Grunthe zu&#x017F;ammen &#x2014; eine<lb/>
Erinnerung wurde ihm plötzlich lebendig &#x2014; &#x017F;eine<lb/>
Lippen &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich fe&#x017F;t aufeinander und zwi&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;einen Augenbrauen bildete &#x017F;ich eine tiefe &#x017F;enkrechte<lb/>
Falte &#x2014; er &#x017F;pannte &#x017F;ein Gedächtnis aufs äußer&#x017F;te an &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0098] Siebentes Kapitel. auf eine andere Erklärung hoffen konnte. Doch als der Ballon von jener unerklärlichen Kraft in die Höhe geriſſen wurde, mußte er wieder an dieſe Hypotheſe denken. Und jetzt, die merkwürdige Rettung, die ſelt- ſamen Staffe, das Bild! Was war das für ein Stern, der auf dieſem Bilde beobachtet wurde? Er ſtrengte ſeine ſcharfen Augen an, um die Abbildung auf der Tafel zu erkennen. Eine hell beleuchtete ſchmale Sichel, der übrige Teil der Scheibe in einem matten Schimmer — und dieſe dunklen Flecke, die weißen Kappen an den Polen — kein Zweifel, das war die Erde, wie ſie vom Mars aus bei ſtarker Vergrößerung erſchien, die ſchmale Sichel im Sonnenſchein, das übrige ſchwach vom Mondlicht erhellt — Grunthe konnte ſich nicht länger der Anſicht verſchließen, daß er bei den Marsbewohnern ſich befinde — ein Gaſt, ein Gefangener — wer konnte es wiſſen? Wie konnten Marsbewohner auf die Erde kommen? Grunthe wußte die Frage nicht zu beantworten. Nahm man aber die Thatſache einmal als gegeben, ſo er- klärten ſich die andern Erſcheinungen ſehr leicht, der Wunderbau der Jnſel, die Beeinfluſſung des Ballons, die Rettung, die Einrichtung des Zimmers — die Hypotheſe der Marsbewohner war doch wohl die einfachſte — Und auf einmal zuckte Grunthe zuſammen — eine Erinnerung wurde ihm plötzlich lebendig — ſeine Lippen ſchloſſen ſich feſt aufeinander und zwiſchen ſeinen Augenbrauen bildete ſich eine tiefe ſenkrechte Falte — er ſpannte ſein Gedächtnis aufs äußerſte an —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/98
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/98>, abgerufen am 23.11.2024.