Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Jdeale. das Denken auf. Aber auf den Weg kommt es an,den die Entladung der Gehirnenergie bei der Explosion des Gefühls nimmt. Es ist damit wie bei unsern Gebirgen auf der Erde. Sie sind die Sammelbecken der Gewässer, die von ihnen herabströmend den Völ- kern ihre segenspendende Kraft verbreiten. Die Niveau- unterschiede müssen sein überall, wo Energieaustausch, wo Leben und Geschehen sein soll. Aber wie dieses Herabströmen stattfindet, das macht den Unterschied von Barbarei und Kultur. Der reißende Wildbach zerstört und verrinnt nutzlos. Bepflanzen wir die Abhänge, verteilen wir die Wasser, führen wir sie durch Turbinen und wandeln ihre Arbeit durch Maschinen um, so schaffen sie die Kultur. Diese Pflanzungen, diese Maschinen sind im Gehirn die Zellen der Rinden- substanz, in denen der Weltzusammenhang sich bildet. Die Macht des Gedankens ist es, die den Ausgleich der Gefühle zur Kultur lenkt. Und diese läßt durch Lehre und Erziehung sich erweitern. Das zu thun sind wir den Menschen schuldig, wie Erwachsene den Kindern. Denn Kinder sind sie." "Ja", sagte La, "Kinder sind sie, das habe ich Jdeale. das Denken auf. Aber auf den Weg kommt es an,den die Entladung der Gehirnenergie bei der Exploſion des Gefühls nimmt. Es iſt damit wie bei unſern Gebirgen auf der Erde. Sie ſind die Sammelbecken der Gewäſſer, die von ihnen herabſtrömend den Völ- kern ihre ſegenſpendende Kraft verbreiten. Die Niveau- unterſchiede müſſen ſein überall, wo Energieaustauſch, wo Leben und Geſchehen ſein ſoll. Aber wie dieſes Herabſtrömen ſtattfindet, das macht den Unterſchied von Barbarei und Kultur. Der reißende Wildbach zerſtört und verrinnt nutzlos. Bepflanzen wir die Abhänge, verteilen wir die Waſſer, führen wir ſie durch Turbinen und wandeln ihre Arbeit durch Maſchinen um, ſo ſchaffen ſie die Kultur. Dieſe Pflanzungen, dieſe Maſchinen ſind im Gehirn die Zellen der Rinden- ſubſtanz, in denen der Weltzuſammenhang ſich bildet. Die Macht des Gedankens iſt es, die den Ausgleich der Gefühle zur Kultur lenkt. Und dieſe läßt durch Lehre und Erziehung ſich erweitern. Das zu thun ſind wir den Menſchen ſchuldig, wie Erwachſene den Kindern. Denn Kinder ſind ſie.‟ „Ja‟, ſagte La, „Kinder ſind ſie, das habe ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0101" n="93"/><fw place="top" type="header">Jdeale.</fw><lb/> das Denken auf. Aber auf den Weg kommt es an,<lb/> den die Entladung der Gehirnenergie bei der Exploſion<lb/> des Gefühls nimmt. Es iſt damit wie bei unſern<lb/> Gebirgen auf der Erde. Sie ſind die Sammelbecken<lb/> der Gewäſſer, die von ihnen herabſtrömend den Völ-<lb/> kern ihre ſegenſpendende Kraft verbreiten. Die Niveau-<lb/> unterſchiede müſſen ſein überall, wo Energieaustauſch,<lb/> wo Leben und Geſchehen ſein ſoll. Aber wie dieſes<lb/> Herabſtrömen ſtattfindet, das macht den Unterſchied<lb/> von Barbarei und Kultur. Der reißende Wildbach<lb/> zerſtört und verrinnt nutzlos. Bepflanzen wir die<lb/> Abhänge, verteilen wir die Waſſer, führen wir ſie durch<lb/> Turbinen und wandeln ihre Arbeit durch Maſchinen<lb/> um, ſo ſchaffen ſie die Kultur. Dieſe Pflanzungen,<lb/> dieſe Maſchinen ſind im Gehirn die Zellen der Rinden-<lb/> ſubſtanz, in denen der Weltzuſammenhang ſich bildet.<lb/> Die Macht des Gedankens iſt es, die den Ausgleich<lb/> der Gefühle zur Kultur lenkt. Und dieſe läßt durch<lb/> Lehre und Erziehung ſich erweitern. Das zu thun<lb/> ſind wir den Menſchen ſchuldig, wie Erwachſene den<lb/> Kindern. Denn Kinder ſind ſie.‟</p><lb/> <p>„Ja‟, ſagte La, „Kinder ſind ſie, das habe ich<lb/> auch gefunden, und darum mögen Sie in Jhren An-<lb/> ſichten Recht haben, Ell. Wie das Kind nur die eine<lb/> Wirklichkeit kennt, wie das Spielzeug, die Mutter und<lb/> die Erde am Himmel ihm keine andre Realität be-<lb/> ſitzen als ſeine Hand, und dieſe keine andre als das<lb/> Produkt ſeiner Phantaſie, ſo können auch die Menſchen<lb/> die Arten der Wirklichkeit nicht unterſcheiden. Selbſt<lb/> ein geiſtig ſo hochſtehender Mann wie Saltner vermag<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0101]
Jdeale.
das Denken auf. Aber auf den Weg kommt es an,
den die Entladung der Gehirnenergie bei der Exploſion
des Gefühls nimmt. Es iſt damit wie bei unſern
Gebirgen auf der Erde. Sie ſind die Sammelbecken
der Gewäſſer, die von ihnen herabſtrömend den Völ-
kern ihre ſegenſpendende Kraft verbreiten. Die Niveau-
unterſchiede müſſen ſein überall, wo Energieaustauſch,
wo Leben und Geſchehen ſein ſoll. Aber wie dieſes
Herabſtrömen ſtattfindet, das macht den Unterſchied
von Barbarei und Kultur. Der reißende Wildbach
zerſtört und verrinnt nutzlos. Bepflanzen wir die
Abhänge, verteilen wir die Waſſer, führen wir ſie durch
Turbinen und wandeln ihre Arbeit durch Maſchinen
um, ſo ſchaffen ſie die Kultur. Dieſe Pflanzungen,
dieſe Maſchinen ſind im Gehirn die Zellen der Rinden-
ſubſtanz, in denen der Weltzuſammenhang ſich bildet.
Die Macht des Gedankens iſt es, die den Ausgleich
der Gefühle zur Kultur lenkt. Und dieſe läßt durch
Lehre und Erziehung ſich erweitern. Das zu thun
ſind wir den Menſchen ſchuldig, wie Erwachſene den
Kindern. Denn Kinder ſind ſie.‟
„Ja‟, ſagte La, „Kinder ſind ſie, das habe ich
auch gefunden, und darum mögen Sie in Jhren An-
ſichten Recht haben, Ell. Wie das Kind nur die eine
Wirklichkeit kennt, wie das Spielzeug, die Mutter und
die Erde am Himmel ihm keine andre Realität be-
ſitzen als ſeine Hand, und dieſe keine andre als das
Produkt ſeiner Phantaſie, ſo können auch die Menſchen
die Arten der Wirklichkeit nicht unterſcheiden. Selbſt
ein geiſtig ſo hochſtehender Mann wie Saltner vermag
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