Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Zweiunddreißigstes Kapitel. Utopie ist, die Gleichheit der Lebensbedingungen an-zustreben, daß die Gleichheit nur besteht in der Frei- heit der Persönlichkeit, mit der ein jeder sich selbst bestimmt, und daß diese Freiheit gerade die Ungleich- heit der Jndividuen in der sozialen Gemeinschaft vor- aussetzt. Wir haben ja doch viele Jahrtausende hin- durch die sozialen Kämpfe durchgemacht, bis wir erkannt haben, daß der Kampf selbst unvermeidbar, die Ge- hässigkeit aber auszuschließen ist, daß in einem edlen Wettstreit alle Stufen der Lebensführung nebeneinander bestehen können. Nur Eines ist dazu notwendig: dem einzelnen die Zeit zu geben, sich selbst zu bilden, zu kultivieren. Die Menschen können sich darum nicht selbst helfen, wenigstens nicht helfen, ohne den furcht- baren Kampf von Jahrtausenden, weil sie die Mittel nicht haben, den Massen die Sicherheit der notwendig- sten Lebenshaltung zu geben. Diese Not der Massen können wir abstellen, ohne jene Utopie der Nivellierung des Vermögens. Wir können ihnen zeigen, daß das Hin- und Herschwanken des individuellen Besitzes sich nicht ändern läßt und auch nicht geändert zu werden braucht, daß aber jedem, der arbeitet, ein befriedigendes, seinen Fähigkeiten angemessenes Auskommen gewähr- leistet werden kann, und daß niemand Not zu leiden braucht. Denn wir können den Menschen die Quelle des Reichtums erschließen durch unsre Technik, und wir können erzwingen, daß die damit verbundenen Besitzänderungen sich in Ruhe vollziehen. Den klein- lichen Eigennutz, den Krämersinn, die Unduldsamkeit, die Klassenherrschaft bringen wir zum Verschwinden, Zweiunddreißigſtes Kapitel. Utopie iſt, die Gleichheit der Lebensbedingungen an-zuſtreben, daß die Gleichheit nur beſteht in der Frei- heit der Perſönlichkeit, mit der ein jeder ſich ſelbſt beſtimmt, und daß dieſe Freiheit gerade die Ungleich- heit der Jndividuen in der ſozialen Gemeinſchaft vor- ausſetzt. Wir haben ja doch viele Jahrtauſende hin- durch die ſozialen Kämpfe durchgemacht, bis wir erkannt haben, daß der Kampf ſelbſt unvermeidbar, die Ge- häſſigkeit aber auszuſchließen iſt, daß in einem edlen Wettſtreit alle Stufen der Lebensführung nebeneinander beſtehen können. Nur Eines iſt dazu notwendig: dem einzelnen die Zeit zu geben, ſich ſelbſt zu bilden, zu kultivieren. Die Menſchen können ſich darum nicht ſelbſt helfen, wenigſtens nicht helfen, ohne den furcht- baren Kampf von Jahrtauſenden, weil ſie die Mittel nicht haben, den Maſſen die Sicherheit der notwendig- ſten Lebenshaltung zu geben. Dieſe Not der Maſſen können wir abſtellen, ohne jene Utopie der Nivellierung des Vermögens. Wir können ihnen zeigen, daß das Hin- und Herſchwanken des individuellen Beſitzes ſich nicht ändern läßt und auch nicht geändert zu werden braucht, daß aber jedem, der arbeitet, ein befriedigendes, ſeinen Fähigkeiten angemeſſenes Auskommen gewähr- leiſtet werden kann, und daß niemand Not zu leiden braucht. Denn wir können den Menſchen die Quelle des Reichtums erſchließen durch unſre Technik, und wir können erzwingen, daß die damit verbundenen Beſitzänderungen ſich in Ruhe vollziehen. Den klein- lichen Eigennutz, den Krämerſinn, die Unduldſamkeit, die Klaſſenherrſchaft bringen wir zum Verſchwinden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0104" n="96"/><fw place="top" type="header">Zweiunddreißigſtes Kapitel.</fw><lb/> Utopie iſt, die Gleichheit der Lebensbedingungen an-<lb/> zuſtreben, daß die Gleichheit nur beſteht in der Frei-<lb/> heit der Perſönlichkeit, mit der ein jeder ſich ſelbſt<lb/> beſtimmt, und daß dieſe Freiheit gerade die Ungleich-<lb/> heit der Jndividuen in der ſozialen Gemeinſchaft vor-<lb/> ausſetzt. Wir haben ja doch viele Jahrtauſende hin-<lb/> durch die ſozialen Kämpfe durchgemacht, bis wir erkannt<lb/> haben, daß der Kampf ſelbſt unvermeidbar, die Ge-<lb/> häſſigkeit aber auszuſchließen iſt, daß in einem edlen<lb/> Wettſtreit alle Stufen der Lebensführung nebeneinander<lb/> beſtehen können. Nur Eines iſt dazu notwendig: dem<lb/> einzelnen die Zeit zu geben, ſich ſelbſt zu bilden, zu<lb/> kultivieren. 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Zweiunddreißigſtes Kapitel.
Utopie iſt, die Gleichheit der Lebensbedingungen an-
zuſtreben, daß die Gleichheit nur beſteht in der Frei-
heit der Perſönlichkeit, mit der ein jeder ſich ſelbſt
beſtimmt, und daß dieſe Freiheit gerade die Ungleich-
heit der Jndividuen in der ſozialen Gemeinſchaft vor-
ausſetzt. Wir haben ja doch viele Jahrtauſende hin-
durch die ſozialen Kämpfe durchgemacht, bis wir erkannt
haben, daß der Kampf ſelbſt unvermeidbar, die Ge-
häſſigkeit aber auszuſchließen iſt, daß in einem edlen
Wettſtreit alle Stufen der Lebensführung nebeneinander
beſtehen können. Nur Eines iſt dazu notwendig: dem
einzelnen die Zeit zu geben, ſich ſelbſt zu bilden, zu
kultivieren. Die Menſchen können ſich darum nicht
ſelbſt helfen, wenigſtens nicht helfen, ohne den furcht-
baren Kampf von Jahrtauſenden, weil ſie die Mittel
nicht haben, den Maſſen die Sicherheit der notwendig-
ſten Lebenshaltung zu geben. Dieſe Not der Maſſen
können wir abſtellen, ohne jene Utopie der Nivellierung
des Vermögens. Wir können ihnen zeigen, daß das
Hin- und Herſchwanken des individuellen Beſitzes ſich
nicht ändern läßt und auch nicht geändert zu werden
braucht, daß aber jedem, der arbeitet, ein befriedigendes,
ſeinen Fähigkeiten angemeſſenes Auskommen gewähr-
leiſtet werden kann, und daß niemand Not zu leiden
braucht. Denn wir können den Menſchen die Quelle
des Reichtums erſchließen durch unſre Technik, und
wir können erzwingen, daß die damit verbundenen
Beſitzänderungen ſich in Ruhe vollziehen. Den klein-
lichen Eigennutz, den Krämerſinn, die Unduldſamkeit,
die Klaſſenherrſchaft bringen wir zum Verſchwinden,
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