sobald ein jeder klar zu durchschauen vermag, welche Stelle im großen Zusammenwirken der einzelnen er ausfüllt. Der tückische, nagende Neid entflieht aus der Welt, und Menschenliebe hält den siegreichen Einzug."
Ell war aufgestanden, seine Augen leuchteten, be- geistert sah er in die Zukunft, die ihm nahe heran- gekommen schien. La hatte die Hände von der Schreib- maschine herabsinken lassen. Sie blickte ihn an.
"Halten Sie mich nicht für einen Schwärmer", fuhr er fort. "Nicht daß ich meinte, Leid und Schmerz aus der Menschheit verbannen zu können. Ohne sie stände das Weltgetriebe still. Aber reinigen können wir dieses Leid, veredlen zu dem heiligen Schmerz, der untrennbar ist von der Liebe und dem Einblick in uns selbst. Die fremden Schlacken können wir aus- stoßen, die aus der Not, der Rohheit und der Dumm- heit stammen."
"Sie glauben an die Menschheit", sagte La. Auch sie erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. "Jch begann an ihr zu zweifeln, ich will es Jhnen gestehen. Ob sich Jhr Traum erfüllen läßt, ich weiß es nicht, aber ich danke Jhnen, daß Sie ihn träumen, daß Sie ihn mir erzählten. Sie haben mir neuen Mut gemacht, denn ich fürchtete manchmal, daß das Zusammentreffen mit den Menschen beiden Teilen ver- derblich werden könnte."
"Fürchten Sie das nicht, La. Die Erde ist reich, viel reicher als der Mars. Sie empfängt von der Sonne fast das Zehnfache der Energie, wie wir. So
Laßwitz, Auf zwei Planeten. 34
Jdeale.
ſobald ein jeder klar zu durchſchauen vermag, welche Stelle im großen Zuſammenwirken der einzelnen er ausfüllt. Der tückiſche, nagende Neid entflieht aus der Welt, und Menſchenliebe hält den ſiegreichen Einzug.‟
Ell war aufgeſtanden, ſeine Augen leuchteten, be- geiſtert ſah er in die Zukunft, die ihm nahe heran- gekommen ſchien. La hatte die Hände von der Schreib- maſchine herabſinken laſſen. Sie blickte ihn an.
„Halten Sie mich nicht für einen Schwärmer‟, fuhr er fort. „Nicht daß ich meinte, Leid und Schmerz aus der Menſchheit verbannen zu können. Ohne ſie ſtände das Weltgetriebe ſtill. Aber reinigen können wir dieſes Leid, veredlen zu dem heiligen Schmerz, der untrennbar iſt von der Liebe und dem Einblick in uns ſelbſt. Die fremden Schlacken können wir aus- ſtoßen, die aus der Not, der Rohheit und der Dumm- heit ſtammen.‟
„Sie glauben an die Menſchheit‟, ſagte La. Auch ſie erhob ſich und ſtreckte ihm die Hand entgegen. „Jch begann an ihr zu zweifeln, ich will es Jhnen geſtehen. Ob ſich Jhr Traum erfüllen läßt, ich weiß es nicht, aber ich danke Jhnen, daß Sie ihn träumen, daß Sie ihn mir erzählten. Sie haben mir neuen Mut gemacht, denn ich fürchtete manchmal, daß das Zuſammentreffen mit den Menſchen beiden Teilen ver- derblich werden könnte.‟
„Fürchten Sie das nicht, La. Die Erde iſt reich, viel reicher als der Mars. Sie empfängt von der Sonne faſt das Zehnfache der Energie, wie wir. So
Laßwitz, Auf zwei Planeten. 34
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0105"n="97"/><fwplace="top"type="header">Jdeale.</fw><lb/>ſobald ein jeder klar zu durchſchauen vermag, welche<lb/>
Stelle im großen Zuſammenwirken der einzelnen er<lb/>
ausfüllt. Der tückiſche, nagende Neid entflieht aus<lb/>
der Welt, und Menſchenliebe hält den ſiegreichen<lb/>
Einzug.‟</p><lb/><p>Ell war aufgeſtanden, ſeine Augen leuchteten, be-<lb/>
geiſtert ſah er in die Zukunft, die ihm nahe heran-<lb/>
gekommen ſchien. La hatte die Hände von der Schreib-<lb/>
maſchine herabſinken laſſen. Sie blickte ihn an.</p><lb/><p>„Halten Sie mich nicht für einen Schwärmer‟,<lb/>
fuhr er fort. „Nicht daß ich meinte, Leid und Schmerz<lb/>
aus der Menſchheit verbannen zu können. Ohne ſie<lb/>ſtände das Weltgetriebe ſtill. Aber reinigen können<lb/>
wir dieſes Leid, veredlen zu dem heiligen Schmerz, der<lb/>
untrennbar iſt von der Liebe und dem Einblick in<lb/>
uns ſelbſt. Die fremden Schlacken können wir aus-<lb/>ſtoßen, die aus der Not, der Rohheit und der Dumm-<lb/>
heit ſtammen.‟</p><lb/><p>„Sie glauben an die Menſchheit‟, ſagte La. Auch<lb/>ſie erhob ſich und ſtreckte ihm die Hand entgegen.<lb/>„Jch begann an ihr zu zweifeln, ich will es Jhnen<lb/>
geſtehen. Ob ſich Jhr Traum erfüllen läßt, ich weiß<lb/>
es nicht, aber ich danke Jhnen, daß Sie ihn träumen,<lb/>
daß Sie ihn mir erzählten. Sie haben mir neuen<lb/>
Mut gemacht, denn ich fürchtete manchmal, daß das<lb/>
Zuſammentreffen mit den Menſchen beiden Teilen ver-<lb/>
derblich werden könnte.‟</p><lb/><p>„Fürchten Sie das nicht, La. Die Erde iſt reich,<lb/>
viel reicher als der Mars. Sie empfängt von der<lb/>
Sonne faſt das Zehnfache der Energie, wie wir. So<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Laßwitz,</hi> Auf zwei Planeten.</hi> 34</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[97/0105]
Jdeale.
ſobald ein jeder klar zu durchſchauen vermag, welche
Stelle im großen Zuſammenwirken der einzelnen er
ausfüllt. Der tückiſche, nagende Neid entflieht aus
der Welt, und Menſchenliebe hält den ſiegreichen
Einzug.‟
Ell war aufgeſtanden, ſeine Augen leuchteten, be-
geiſtert ſah er in die Zukunft, die ihm nahe heran-
gekommen ſchien. La hatte die Hände von der Schreib-
maſchine herabſinken laſſen. Sie blickte ihn an.
„Halten Sie mich nicht für einen Schwärmer‟,
fuhr er fort. „Nicht daß ich meinte, Leid und Schmerz
aus der Menſchheit verbannen zu können. Ohne ſie
ſtände das Weltgetriebe ſtill. Aber reinigen können
wir dieſes Leid, veredlen zu dem heiligen Schmerz, der
untrennbar iſt von der Liebe und dem Einblick in
uns ſelbſt. Die fremden Schlacken können wir aus-
ſtoßen, die aus der Not, der Rohheit und der Dumm-
heit ſtammen.‟
„Sie glauben an die Menſchheit‟, ſagte La. Auch
ſie erhob ſich und ſtreckte ihm die Hand entgegen.
„Jch begann an ihr zu zweifeln, ich will es Jhnen
geſtehen. Ob ſich Jhr Traum erfüllen läßt, ich weiß
es nicht, aber ich danke Jhnen, daß Sie ihn träumen,
daß Sie ihn mir erzählten. Sie haben mir neuen
Mut gemacht, denn ich fürchtete manchmal, daß das
Zuſammentreffen mit den Menſchen beiden Teilen ver-
derblich werden könnte.‟
„Fürchten Sie das nicht, La. Die Erde iſt reich,
viel reicher als der Mars. Sie empfängt von der
Sonne faſt das Zehnfache der Energie, wie wir. So
Laßwitz, Auf zwei Planeten. 34
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/105>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.