sonst verlebt, und mit welchen Hoffnungen im vorigen Jahre! Und wo mochte Hugo jetzt weilen? Der Trost, den seine Rettung ihr gewährte, hatte nur auf kurze Zeit angehalten. Die Unmöglichkeit, sich mit ihm so zu verständigen, wie es ihr Herz verlangte, erhöhte nur ihre Sehnsucht und ihre Sorge. Was hatte er von ihr gehört, in welchem Lichte mußte sie ihm erscheinen, wie würde er ihre Handlungsweise be- urteilen? Konnte er ihr Glauben schenken? Wie ent- täuscht und einsam mußte er sich fühlen, wenn er das Haus leer fand, wo er sein Glück wiederzufinden hoffte!
Das Herabfallen der Fernsprechklappe schreckte sie aus ihren Gedanken.
"Liebe Jsma, sind Sie da? Ja? Jch bringe Jhnen etwas!" Es war die Stimme von Frau Ma. Jm Augenblick war Jsma aufgesprungen. Schon erschien Ma an der Thür.
"Da, Frauchen", rief sie, "da haben Sie die ganze Post für Sie. Ein großes Packet, nicht wahr? Jll hat alle deutschen Zeitungen aufkaufen lassen, die in Sydney zu haben waren. Und nun ängstigen Sie sich nicht, es wird alles gut werden. Jch will Sie jetzt nicht stören." Sie küßte Jsma auf die Stirn und ging.
Das Packet, von einem leichten Korbgeflecht um- hüllt, lag auf dem Tische. Jsmas Hände zitterten, als sie den Verschluß auseinanderbog. Ein Haufen Zeitungen lag vor ihr. Sie setzte sich und zwang sich zur Ruhe. Systematisch nahm sie ein Blatt nach dem andern zur Hand, sah nach dem Datum und entfaltete
Jsmas Leiden.
ſonſt verlebt, und mit welchen Hoffnungen im vorigen Jahre! Und wo mochte Hugo jetzt weilen? Der Troſt, den ſeine Rettung ihr gewährte, hatte nur auf kurze Zeit angehalten. Die Unmöglichkeit, ſich mit ihm ſo zu verſtändigen, wie es ihr Herz verlangte, erhöhte nur ihre Sehnſucht und ihre Sorge. Was hatte er von ihr gehört, in welchem Lichte mußte ſie ihm erſcheinen, wie würde er ihre Handlungsweiſe be- urteilen? Konnte er ihr Glauben ſchenken? Wie ent- täuſcht und einſam mußte er ſich fühlen, wenn er das Haus leer fand, wo er ſein Glück wiederzufinden hoffte!
Das Herabfallen der Fernſprechklappe ſchreckte ſie aus ihren Gedanken.
„Liebe Jsma, ſind Sie da? Ja? Jch bringe Jhnen etwas!‟ Es war die Stimme von Frau Ma. Jm Augenblick war Jsma aufgeſprungen. Schon erſchien Ma an der Thür.
„Da, Frauchen‟, rief ſie, „da haben Sie die ganze Poſt für Sie. Ein großes Packet, nicht wahr? Jll hat alle deutſchen Zeitungen aufkaufen laſſen, die in Sydney zu haben waren. Und nun ängſtigen Sie ſich nicht, es wird alles gut werden. Jch will Sie jetzt nicht ſtören.‟ Sie küßte Jsma auf die Stirn und ging.
Das Packet, von einem leichten Korbgeflecht um- hüllt, lag auf dem Tiſche. Jsmas Hände zitterten, als ſie den Verſchluß auseinanderbog. Ein Haufen Zeitungen lag vor ihr. Sie ſetzte ſich und zwang ſich zur Ruhe. Syſtematiſch nahm ſie ein Blatt nach dem andern zur Hand, ſah nach dem Datum und entfaltete
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0213"n="205"/><fwplace="top"type="header">Jsmas Leiden.</fw><lb/>ſonſt verlebt, und mit welchen Hoffnungen im vorigen<lb/>
Jahre! Und wo mochte Hugo jetzt weilen? Der<lb/>
Troſt, den ſeine Rettung ihr gewährte, hatte nur auf<lb/>
kurze Zeit angehalten. Die Unmöglichkeit, ſich mit<lb/>
ihm ſo zu verſtändigen, wie es ihr Herz verlangte,<lb/>
erhöhte nur ihre Sehnſucht und ihre Sorge. Was hatte<lb/>
er von ihr gehört, in welchem Lichte mußte ſie ihm<lb/>
erſcheinen, wie würde er ihre Handlungsweiſe be-<lb/>
urteilen? Konnte er ihr Glauben ſchenken? Wie ent-<lb/>
täuſcht und einſam mußte er ſich fühlen, wenn er das<lb/>
Haus leer fand, wo er ſein Glück wiederzufinden hoffte!</p><lb/><p>Das Herabfallen der Fernſprechklappe ſchreckte ſie<lb/>
aus ihren Gedanken.</p><lb/><p>„Liebe Jsma, ſind Sie da? Ja? Jch bringe Jhnen<lb/>
etwas!‟ Es war die Stimme von Frau Ma. Jm<lb/>
Augenblick war Jsma aufgeſprungen. Schon erſchien<lb/>
Ma an der Thür.</p><lb/><p>„Da, Frauchen‟, rief ſie, „da haben Sie die ganze<lb/>
Poſt für Sie. Ein großes Packet, nicht wahr? Jll<lb/>
hat alle deutſchen Zeitungen aufkaufen laſſen, die in<lb/>
Sydney zu haben waren. Und nun ängſtigen Sie<lb/>ſich nicht, es wird alles gut werden. Jch will Sie<lb/>
jetzt nicht ſtören.‟ Sie küßte Jsma auf die Stirn<lb/>
und ging.</p><lb/><p>Das Packet, von einem leichten Korbgeflecht um-<lb/>
hüllt, lag auf dem Tiſche. Jsmas Hände zitterten,<lb/>
als ſie den Verſchluß auseinanderbog. Ein Haufen<lb/>
Zeitungen lag vor ihr. Sie ſetzte ſich und zwang ſich<lb/>
zur Ruhe. Syſtematiſch nahm ſie ein Blatt nach dem<lb/>
andern zur Hand, ſah nach dem Datum und entfaltete<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[205/0213]
Jsmas Leiden.
ſonſt verlebt, und mit welchen Hoffnungen im vorigen
Jahre! Und wo mochte Hugo jetzt weilen? Der
Troſt, den ſeine Rettung ihr gewährte, hatte nur auf
kurze Zeit angehalten. Die Unmöglichkeit, ſich mit
ihm ſo zu verſtändigen, wie es ihr Herz verlangte,
erhöhte nur ihre Sehnſucht und ihre Sorge. Was hatte
er von ihr gehört, in welchem Lichte mußte ſie ihm
erſcheinen, wie würde er ihre Handlungsweiſe be-
urteilen? Konnte er ihr Glauben ſchenken? Wie ent-
täuſcht und einſam mußte er ſich fühlen, wenn er das
Haus leer fand, wo er ſein Glück wiederzufinden hoffte!
Das Herabfallen der Fernſprechklappe ſchreckte ſie
aus ihren Gedanken.
„Liebe Jsma, ſind Sie da? Ja? Jch bringe Jhnen
etwas!‟ Es war die Stimme von Frau Ma. Jm
Augenblick war Jsma aufgeſprungen. Schon erſchien
Ma an der Thür.
„Da, Frauchen‟, rief ſie, „da haben Sie die ganze
Poſt für Sie. Ein großes Packet, nicht wahr? Jll
hat alle deutſchen Zeitungen aufkaufen laſſen, die in
Sydney zu haben waren. Und nun ängſtigen Sie
ſich nicht, es wird alles gut werden. Jch will Sie
jetzt nicht ſtören.‟ Sie küßte Jsma auf die Stirn
und ging.
Das Packet, von einem leichten Korbgeflecht um-
hüllt, lag auf dem Tiſche. Jsmas Hände zitterten,
als ſie den Verſchluß auseinanderbog. Ein Haufen
Zeitungen lag vor ihr. Sie ſetzte ſich und zwang ſich
zur Ruhe. Syſtematiſch nahm ſie ein Blatt nach dem
andern zur Hand, ſah nach dem Datum und entfaltete
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/213>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.